25.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 194 / Tagesordnungspunkt 4

Arno KlareSPD - Euro 7 stoppen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das hier ist nicht mein Manuskript, sondern das Papier – 62 Seiten lang –, auf das sich alle beziehen,

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Und wer hat es gemacht?)

das aber, so muss ich immer wieder feststellen, kaum ein Mensch gelesen hat. Das ist nicht eingestuft; das kann man einfach bekommen. Man muss es nur wollen. Wenn man das liest, wird man feststellen: Der Schrecken ist gar nicht so groß.

Wenn man vor der Fichte und nicht hinter der Fichte ist, weiß man: Das ist nicht das Papier von Frans Timmermans.

(Oliver Luksic [FDP]: Er hat es aber verteidigt!)

– Er hat sich dazu noch gar nicht geäußert.

(Oliver Luksic [FDP]: Stimmt doch gar nicht! Er hat es verteidigt!)

Es reicht auch nicht, wenn man die „Bild“-Zeitung liest und daraus dann zitiert. Bitte das Original lesen und daraus zitieren! Das tun Sie aber nicht.

Über dem Papier steht – ich übersetze das mal sofort; das ist in Englisch –: Vorbereitende Ergebnisse in Bezug auf potenzielle Euro-7-Emissionsgrenzwerte für – so steht es hier – LD und HD, Light Duty und Heavy Duty, also schwere und kleine Fahrzeuge. – Das ist der Titel.

Es ist eine vorbereitende Studie, die die EU-Kommission in Auftrag gegeben hat; das stimmt. Sie hat damit sieben Institute in Europa betraut, die untersuchen sollen, wie man, von dem Istzustand ausgehend, potenzielle Euro-7-Limits eventuell festlegen könnte. Vorbereitet!

Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, möchte ich im Moment nicht; das machen wir hinterher.

Nein, das Wort für hinterher erteile immer noch ich – oder auch nicht.

Ja, ist gut, okay. Entschuldigung, dass ich da eingegriffen habe. – Jetzt gucken wir uns mal an, was die gemacht haben:

Auf Seite 5 haben sie ein klassisches Untersuchungssetting aufgebaut. Sie haben erst mal untersucht: Was gibt es, und wie sind die Werte der Fahrzeuge, die jetzt modern im Markt sind und Euro 6d und Euro 6d-TEMP erfüllen? Dann haben sie im zweiten Schritt gefragt: Was ist die bestverfügbare Technologie? Dritter Schritt: Könnte man diese jetzt bestverfügbare Technologie weiterentwickeln, um eventuell zu anspruchsvolleren Werten zu kommen? – Genau diese drei Schritte haben die gemacht. So gehen Analytiker klassisch vor; genau so machen die das.

Für den ersten Schritt, für die Analyse, empfehle ich die Lektüre der Seite 25. Wohlgemerkt: Das sind alles Werte ohne den Conformity Factor. Dass Sie alle wissen, was das ist, setze ich jetzt voraus.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das ist eine Mogelpackung!)

Wenn Sie das nicht wissen, dann können Sie mich hinterher vielleicht mal fragen. Dann kann ich Ihnen ein Privatissimum darüber halten.

(Heiterkeit der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das klingt bedrohlich!)

89 Prozent aller untersuchten Fahrzeuge mit der jetzt verfügbaren Technik – die haben ungefähr 50 untersucht – –

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Das können gar keine 89 Prozent sein!)

– Soll ich Ihnen das zeigen? Das steht hier drauf. – 89 Prozent der untersuchten circa 50 Fahrzeuge lagen bei den Testfahrten – die haben immer mehrere gemacht – unter 30 Milligramm NO

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Wie ist denn die Messung genau? – Gegenruf der Abg. Kirsten Lühmann [SPD]: Das zeigt, dass Sie es nicht gelesen haben!)

– Sie haben es ja nicht gelesen; insofern muss ich darüber nicht reden. – Die Grenzwerte werden heute schon durch die Technologie, die jetzt da ist, um mehr als 50 Prozent unterboten.

(Zuruf von der AfD: Dann brauchen wir ja keine Norm!)

„Und wo ist jetzt das Problem?“, könnte man fragen. Dafür muss man dann auf Seite 44 dieses Papiers gucken. Dort ist nämlich dargestellt, was Euro 6 im Moment macht.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ein Wahnsinn! Ich kann mich nicht so lange konzentrieren!)

Euro 6 legt ein Limit fest, unter das alle Fahrzeuge bei allen Fahrbedingungen bleiben müssen. Es gibt aber Fahrbedingungen – bei extremer Kälte, bei sehr starken Beschleunigungen, in großer Höhe über 2 000 Meter, mit einem Anhänger usw. –, die eben nicht unter „normal use“ fallen. Diese werden im Moment bei den RDE-Fahrten – Real Driving Emissions –, also bei den normalen Fahrten auf der Straße, rausgerechnet. Wenn man die nach der neuen Euro 7 reinrechnen würde, dann gäbe es in der Tat ein Problem.

Wie kommt man da jetzt raus? Es gibt einen sehr, sehr klugen Vorschlag, der von einem dieser Wissenschaftler, die von der EU-Kommission beauftragt worden sind – Herr Hausberger von der TU Graz –, bereits unterbreitet wurde. Er hat gesagt: Bei diesen Test-Randbedingungen müssen wir eben nicht mit fixen Limits, sondern mit flexiblen Limits arbeiten. Das heißt, dass der Wert bei diesen Fahrzuständen unter Randbedingungen höher liegen muss als bei den durchschnittlichen Fahrzuständen. – Das ist ein sehr kluger Vorschlag, der übrigens, wie ich weiß, schon im zuständigen Bundesumweltministerium genau so zum Schutz der deutschen Automobilindustrie diskutiert wird. Auch das könnte man wissen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

All diese Dinge sind öffentlich, und das, was Sie von der AfD hier machen, ist das Typische, was Sie immer tun: Sie greifen eine Schlagzeile der „Bild“-Zeitung heraus, skandalisieren das, erklären, dass das zum Untergang des Abendlandes führt, und schicken Ihre apokalyptischen Reiter – zum Beispiel in Form von Herrn Spaniel – los, um hier zu verkünden, es ginge nicht mehr weiter. Genau so darf man in diesem Hause, wenn man seriös sein will, keine Politik machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention bekommt der Abgeordnete Oliver Luksic das Wort. – Ich mache aber auf Folgendes aufmerksam: Erstens. Sie haben zwei Minuten. Nicht, dass wir zu einer Verdoppelung der Redezeit kommen, die Ihre Fraktion hier hat. Zweitens. Ich bin gehalten, diesen Tagesordnungspunkt dann zügig weiter abzuwickeln.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7486177
Wahlperiode 19
Sitzung 194
Tagesordnungspunkt Euro 7 stoppen
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