26.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 195 / Tagesordnungspunkt 9

Heike HänselDIE LINKE - Deutsche Mitgliedschaft im VN-Sicherheitsrat

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Deutschland war nun zwei Jahre Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Die Bilanz fällt aus friedenspolitischer Sicht jedoch sehr mager aus. Nach Angaben der Bundesregierung war ja einer der Schwerpunkte Abrüstung, Krisenprävention und der Erhalt der internationalen Ordnung.

Deutschland bekennt sich auch zum Ziel einer atomwaffenfreien Welt. Umso unverständlicher ist es, dass ausgerechnet die Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag, die wichtigste Abrüstungsinitiative der Vereinten Nationen für eine atomwaffenfreie Welt, immer noch nicht unterzeichnet hat.

(Beifall bei der LINKEN – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Der kommt aus der Generalversammlung, und wir reden über den Sicherheitsrat! Thema verfehlt!)

Dieser Vertrag wird von mehr als 120 Ländern unterstützt. Nachdem ihn nun 50 Länder ratifiziert haben, kann er im Januar 2021 in Kraft treten. Deutschland ist nicht dabei. Was für ein Armutszeugnis!

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Stattdessen erneuerte die Bundesregierung ihr Bekenntnis zur nuklearen Teilhabe der NATO. Heiko Maas – wo ist er jetzt eigentlich? -

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Wählen!)

– er wählt gerade; oh, Entschuldigung – erteilte ja sogar dem Vorstoß aus den eigenen Reihen der SPD, nämlich des Fraktionsvorsitzenden und der Parteivorsitzenden, für einen Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland eine klare Absage. Solche einseitigen Schritte sind seiner Meinung nach eine Schwächung unserer Bündnisse.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Da hat er einmal recht!)

Herr Außenminister, mit solch einer Politik schwächen Sie vor allem atomare Abrüstungsbemühungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deutschland sollte in den Vereinten Nationen mit gutem Beispiel vorangehen und die US-Atomwaffen endlich aus Deutschland abziehen lassen, statt diese auch noch zu modernisieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die USA haben sich seit der Jahrtausendwende aus fünf völkerrechtlichen Abkommen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle zurückgezogen und damit die Welt erheblich unsicherer gemacht. Es droht eine neue Runde atomarer Aufrüstung. Jüngst haben sich die USA sogar die Wiederaufnahme von Nukleartests vorbehalten. Statt diese Politik der US-Administration öffentlich klar zu verurteilen und zur Rückkehr zur Rüstungskontrolle aufzufordern, hat sich die Bundesregierung sehr schnell die Argumentation der Trump-Regierung zu eigen gemacht, Russland zum Beispiel die Schuld für das Aufkündigen des INF-Vertrages zu geben,

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das Thema ist „Deutschland im Sicherheitsrat“!)

und damit leider, leider eine wichtige Vermittlerrolle verspielt.

Nun sind das zum Teil bilaterale Verträge. Trotzdem hätte Deutschland das im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf die Tagesordnung setzen können; denn es gibt ja mittlerweile den Vorschlag Russlands für eine freiwillige Selbstverpflichtung, keine atomaren Mittelstreckenraketen auf eigenem Boden zu stationieren, wenn auch die USA und andere NATO-Staaten mitziehen. Statt diesen Vorschlag aufzugreifen und zu prüfen, lehnte die Bundesregierung den Vorschlag als unglaubwürdig ab, noch bevor die USA ihn abgelehnt haben. Da muss ich sagen: Ein ernsthaftes Bemühen um Rüstungskontrolle und Abrüstung sieht anders aus.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es geht hier nämlich um unsere Sicherheit in Europa, und wir dürfen nicht in einen neuen Kalten Krieg schlittern.

Leider sprechen auch die aktuellen Militärausgaben der Bundesregierung eine andere Sprache als Abrüstung. Der Verteidigungshaushalt wurde seit 2014 um sage und schreibe 44 Prozent erhöht.

(Beifall des Abg. Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU])

Im bevorstehenden Dezember soll der neue Haushalt nochmals um rund 1,3 Milliarden Euro erhöht werden. Die Friedensbewegung ruft deshalb bundesweit für den 5. Dezember zu dezentralen Aktionen auf: „Abrüsten statt Aufrüsten“. Die Linke unterstützt diesen Aufruf; denn auch wir wollen Abrüstung.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieses Geld benötigen wir gerade in Zeiten der Pandemie dringend für Schulen, Pflegekräfte und das Gesundheitssystem.

Eine politische Initiative der Bundesregierung bei den Vereinten Nationen ist die neu geschaffene Allianz für den Multilateralismus. Dies ist ein informelles Netzwerk lose mitarbeitender Staaten. Die Bundesregierung sieht es als ein Vehikel für die Durchsetzung einer regelbasierten Ordnung. Es gibt aber bereits eine regelbasierte Ordnung; das sind die UN-Charta und das Völkerrecht. Dieses muss endlich wieder gestärkt werden. Dazu könnte auch die Bundesregierung einen entscheidenden Beitrag leisten: durch den Austritt aus den militärischen Strukturen der NATO, deren Mitgliedstaaten für völkerrechtswidrige Kriege und auch für Militärinterventionen verantwortlich sind.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Aha! Es wird immer wilder!)

Dazu gehört auch das NATO-Mitglied Türkei, das Völkerrecht bricht und als ein Aggressor in Syrien, Irak, Libyen und im Mittelmeerraum auftritt. Dafür sollte die Türkei nicht noch mit deutschen Waffenlieferungen belohnt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch bereits genehmigte Rüstungsexporte in die Türkei müssen gestoppt werden.

Deutsche Rüstungsexporte in alle Welt sind leider auch ein großes Hindernis für den als Resolution verabschiedeten Appell des UN-Generalsekretärs António Guterres für eine globale Waffenruhe angesichts der Covid-19-Pandemie. UN-Generalsekretär Guterres wird am 18. Dezember im Bundestag sprechen. Ich denke, das wäre die beste Gelegenheit, einen Stopp deutscher Waffenexporte zu verkünden.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch Appelle der Hohen Kommissarin der UN Bachelet für ein Aussetzen aller Wirtschaftssanktionen angesichts der Coronapandemie wurden von der Bundesregierung in den Vereinten Nationen nicht aufgegriffen und aktiv vorangebracht. Dabei wäre es so wichtig, dass endlich diese tödlichen Sanktionen beendet werden, die die Bevölkerung in vielen Ländern wie zum Beispiel Kuba, Venezuela und Syrien hart treffen.

Das Fazit: Der Gründungsgeist der UNO „Frieden durch Diplomatie“ muss endlich wieder gestärkt werden. Die Bundesregierung hat leider mit ihrer Politik in den Vereinten Nationen mehr geostrategische NATO-Politik denn eine aktive UNO-Friedenspolitik betrieben. Dazu braucht es unseres Erachtens keinen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sehr gute Feststellung!)

Der nächste Redner ist der Kollege Omid Nouripour, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7486447
Wahlperiode 19
Sitzung 195
Tagesordnungspunkt Deutsche Mitgliedschaft im VN-Sicherheitsrat
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