Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kanzlerin hat heute neue Coronamaßnahmen vorgestellt. Aber was darin fehlt – mal wieder –, sind Hilfen für Mieterinnen und Mieter. Deswegen freue ich mich sehr, dass ein Bündnis von Mieterbund, von Gewerkschaften, von Sozialverbänden und Verbraucherzentralen gefordert hat, dass wenigstens ein neues Kündigungsmoratorium für Mieterinnen und Mieter kommt.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich finde, das ist das Mindeste: Niemand soll während der Pandemie seine Wohnung verlieren;
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das steht doch gar in Ihrem Antrag!)
erst recht nicht, wenn der Lockdown dazu führt, dass man eben keinen Job mehr hat oder weniger Einkünfte hat. Ich finde es einfach unverantwortlich, dass die Union dieses Thema seit Monaten aussitzt.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir als Linke wollen einen besseren Kündigungsschutz während der Pandemie, aber nicht nur da. Wir wollen an das Thema grundsätzlich ran. Warum? Ein paar Beispiele. Eine Familie aus Frankfurt mit drei Kindern erhält eine Eigenbedarfskündigung, als das vierte Kind unterwegs ist. Eine bezahlbare Wohnung für sechs Personen kurzfristig in Frankfurt zu finden, ist nahezu aussichtslos.
(Ulli Nissen [SPD]: Das stimmt!)
Die junge Familie musste die Wohnung räumen und rutschte in die Wohnungslosigkeit.
Oder eine alleinerziehende Mutter in Stuttgart: Ihre Wohnung wurde an eine neue Eigentümerin verkauft. Diese forderte eine deutlich überzogene Miete. Als sich die Mieterin wehrte, wurde auch sie per Eigenbedarfskündigung rausgeschmissen. Am Ende zog aber nicht die neue Eigentümerin ein, sondern ein Mieter, der bereit war, den überzogenen Preis zu zahlen.
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das ist doch alles rechtswidrig! Das wissen Sie doch! Alles rechtswidrig!)
Meine Damen und Herren, die Mietervereine könnten mit solchen Beispielen von unfairen Kündigungen und vorgetäuschtem Eigenbedarf Bände füllen. Das können wir nicht länger akzeptieren.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Der Mieterbund geht inzwischen von 80 000 Kündigungen wegen Eigenbedarfs aus, und das in einem einzigen Jahr.
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: In Ihrem Antrag steht 13 000!)
Das ist die Größenordnung einer ganzen Stadt.
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: 13 000 steht in Ihrem Antrag!)
– Herr Luczak, Sie rufen dauernd dazwischen, ich darf Sie beruhigen: Wir als Linke wollen die Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung nicht abschaffen. Aber dieser ausufernde Missbrauch ist das Problem, und das müssen wir endlich angehen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD] – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Sie wollten nur die Zahl nicht nennen!)
Da waren auch die Gerichte in den letzten Jahren nicht besonders hilfreich. Allerlei Unrecht wurde da meiner Auffassung nach gesprochen. Eigenbedarfskündigungen wurde stattgegeben: wegen des Zweitwohnsitzes, weil ein Au-pair-Mädchen einziehen wollte, weil in der Wohnung ein nur gelegentlich genutztes Arbeitszimmer oder eine gelegentlich – zwei Wochen im Jahr – genutzte Ferienwohnung eingerichtet werden sollte. Aus all diesen fadenscheinigen Gründen verlieren Menschen ihr Zuhause und nicht selten ihr Dach über dem Kopf. Das können wir nicht akzeptieren.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Eigenbedarf wird nicht nur wegen der eigenen Kinder und Eltern – so weit, so gut –, sondern auch wegen der Neffen, wegen des Schwagers, wegen der Ex-Frau geltend gemacht oder auch dann, wenn ein Mitglied eines Unternehmens, einer GbR, für sich Eigenbedarf anmeldet. Das ist doch wirklich absurd.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Auch an anderer Stelle ist der Kündigungsschutz in Deutschland mangelhaft. Wenn ein Mieter Schulden beim Vermieter hat, kann er eine fristlose Kündigung abwenden, wenn er nachzahlt, eine ordentliche Kündigung, die dann gerne hinterhergeschoben wird, aber nicht. Das heißt, wer nur einmal nicht pünktlich gezahlt hat, fliegt raus. Das kann nicht sein. Auch diese Gesetzeslücke müssen wir endlich schließen.
(Beifall bei der LINKEN)
Und warum das Ganze? Lassen Sie uns doch auf die Gründe zu sprechen kommen. Wohnungskonzerne und Rentenfonds, Spekulanten und Glücksritter: Sie alle wollen ihr Geld auf Kosten der Mieterinnen und Mieter vermehren. Wo sonst kann man denn so hohe Renditen machen wie auf dem Mietwohnungsmarkt? Aber das Einzige, was bei diesem beispiellosen Beutezug stört, sind eben die Altmieter, also Menschen mit alten, mit günstigen Mietverträgen. Diese ausufernden Kündigungen haben System. Wir wollen dem einen Riegel vorschieben.
(Beifall bei der LINKEN)
Deswegen wollen wir die Eigenbedarfskündigung auf die engsten Familienmitglieder im Hauptwohnsitz einschränken. Wer die Miete zurückzahlt, dem darf nicht gekündigt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Möglichkeit, jemandem aufgrund eines Mietrückstandes von nur zwei Monaten zu kündigen, muss zukünftig ausgeschlossen werden.
Meine Damen und Herren, am unwürdigsten finde ich dieses ganze Kündigungssystem dann, wenn es um ältere Menschen geht, die wegen Ihrer unfairen Rentenpolitik ohnehin mit dem Rücken an der Wand stehen, und dem gleichzeitig ungebremsten Mietenwahnsinn in den Großstädten.
(Beifall bei der LINKEN)
So musste eine 93-jährige Schlaganfallpatientin aus Bonn ihre Wohnung nach 30 Jahren wegen Eigenbedarfs räumen. Auch eine 80-jährige Demenzkranke aus Berlin darf aus ihrer Wohnung geschmissen werden. Mal ganz im Ernst: Würden Sie Ihre Oma auf dem Mietwohnungsmarkt in Bonn oder in Berlin suchen lassen? Doch wohl kaum!
(Beifall bei der LINKEN)
Deswegen, meine Damen und Herren, müssen wir auch diese vulnerablen Gruppen, müssen wir vor allen Dingen ältere Menschen besser schützen.
(Christian Dürr [FDP]: Frau Kollegin, was ist denn Ihre Meinung zum Tempelhofer Feld?)
Ich finde, so kann man mit den Leuten, die hart gearbeitet haben, die dieses Land mit aufgebaut haben, nicht umgehen.
(Christian Dürr [FDP]: Zum Tempelhofer Feld, was ist Ihre Meinung dazu?)
Diese Leute werden an ihrem Lebensabend aus ihren Wohnungen geschmissen. Das ist einfach unsozial.
(Beifall bei der LINKEN – Christian Dürr [FDP]: Aber Sie sind gegen Wohnungsbau! Das macht doch keinen Sinn!)
Deswegen sagen wir als Linke: Niemand, der über 70 ist, darf aus seiner Wohnung geschmissen werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Denn nicht umsonst heißt es doch im Volksmund: Einen alten Baum verpflanzt man nicht. – Das sollten wir uns zu Herzen nehmen und das Mietrecht endlich nachbessern.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Christian Dürr [FDP]: Sie haben gar nichts zum Tempelhofer Feld gesagt, Frau Kollegin! Das wäre sinnvoll gewesen! – Gegenruf der Abg. Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist ja heute nicht beantragt! Sie sind ja gleich dran! Dann können Sie was dazu sagen!)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Jan-Marco Luczak.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7486458 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 195 |
Tagesordnungspunkt | Kündigungsschutz für Mietende |