Johannes FechnerSPD - Kündigungsschutz für Mietende
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mieterinnen und Mieter, die uns jetzt hier zuhören! Ganz unabhängig von der Coronapandemie ist die Lage in vielen Gemeinden und nicht nur in Großstädten dramatisch, was den Wohnungsmarkt angeht. In meiner Heimatregion etwa ist es mittlerweile so, dass im Schnitt in vielen Gegenden und Stadtvierteln die Hälfte vom Nettoeinkommen für die Miete ausgegeben werden muss. Das sind dramatische Zahlen. Das kann nicht so bleiben, und deswegen müssen wir mehr für bezahlbaren Wohnraum hier in Deutschland tun, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dazu gehört nicht nur Bauen, sondern dazu gehört auch, dass wir das Mietrecht verbessern. Da hat die SPD in den letzten Jahren schon eine Menge auf die Beine gestellt. Zum Beispiel haben wir die Mietpreisbremse geliefert. Es war richtig, dass wir die Mietpreisbremse in dieser Wahlperiode noch verbessert haben. Wir haben nämlich dafür gesorgt, dass in Zukunft nicht erst ab der Rüge, sondern 30 Monate nach Abschluss des Mietvertrages Überzahlungen vom Vermieter zurückzuzahlen sind. Das war, glaube ich, ein ganz wichtiges Signal und ein wichtiges Gesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben dafür gesorgt, dass die Berechnungsgrundlage für die Mietspiegel ausgeweitet wurde: bisher vier Jahre, jetzt sechs Jahre. Auch das hat den Mietenanstieg gedämpft. Und es war enorm wichtig, dass wir die Umlage der Modernisierungskosten deutlich begrenzt haben. Ich will Sie nicht mit Zahlen langweilen; aber es ist doch wirklich wichtig, das hier mal zu sagen: In sechs Jahren darf die Miete wegen Modernisierungskosten nur 3 Euro pro Quadratmeter steigen, und bei günstigen Wohnungen, die 7 Euro pro Quadratmeter oder weniger kosten, sind es nur 2 Euro pro Quadratmeter.
Auch im WEG-Recht haben wir viel für die Mieter getan: dass die Mieter jetzt einen Rechtsanspruch darauf haben, für eine E-Ladestation, Einbruchschutz oder einen barrierefreien Zugang die Zustimmung vom Vermieter zu bekommen. Auch das ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Gesetz. Da hat die SPD eine Menge für Mieterinnen und Mieter durchgesetzt; das will ich hier ausdrücklich sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Aber ganz klar – den Vorwurf muss ich den Kollegen von der Union durchaus machen –: Wir hätten mehr gemacht, und es wäre mehr nötig gewesen,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
zum Beispiel den alten SPD-Vorschlag umzusetzen, den Wucherparagrafen, § 5 Wirtschaftsstrafgesetz, endlich zu schärfen, damit er anwendbar ist. Da gab es in der Union – überraschenderweise – leider nur von der Bayerischen Landesregierung Unterstützung.
(Ulli Nissen [SPD]: Guter Vorschlag aus Bayern!)
Ich finde, bei Wucher können wir als Staat die Mieter nicht alleinlassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Da ist es staatliche Aufgabe, Sanktionen festzusetzen, damit Mietwucher nicht stattfindet, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Leider gilt auch die Mietpreisbremse nicht bundesweit. Auch das müssen wir regeln; denn die Mietpreisbremse wirkt dort, wo sie gilt. Das zeigen die Urteile. Da konnten Mieterinnen und Mieter mit unserer Mietpreisbremse den Anstieg stoppen. Deswegen sollte sie bundesweit gelten, damit nicht, wie in Schleswig-Holstein durch die Grünen und Robert Habeck geschehen, die Mietpreisbremse in einem Bundesland einfach abgeschafft werden kann. Chris Kühn, den Vorwurf müsst ihr euch hier gefallen lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Zum Berliner Mietendeckel will ich eines festhalten: Er wirkt ja ganz offensichtlich.
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: In 28 von 50 Städten sind die Mieten ohne Mietendeckel gesunken! Nicht nur in Berlin!)
Wir schauen auch gespannt darauf, wie das Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeiten beurteilen wird. Wenn das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass nur der Bund eine solche Regelung treffen kann, dann sollten wir das auch hier im Bund machen, zumindest in den Gegenden, wo Wohnungsnot herrscht. Dort sollte das Modell des Berliner Mietendeckels gelten, weil es offensichtlich dazu beiträgt, dass die Mieten nicht ansteigen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Luczak?
Ja, gerne. Wir haben ja so wenig Gelegenheit, uns auszutauschen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Christian Dürr [FDP]: In einer Beziehung muss man viel miteinander reden!)
Vielen Dank, lieber Kollege Fechner, dass Sie die Frage zulassen. – Es ist ja ein bisschen unüblich, innerhalb der Koalition Zwischenfragen zu stellen. Sie haben aber gerade auf den Berliner Mietendeckel abgehoben, was ja ein Projekt der rot-rot-grünen Koalition hier in Berlin ist, das ja auch sehr streitig ist und verfassungsrechtlich angezweifelt wird, und sagten, dieser Mietendeckel wirke in Berlin. Wie bringen Sie das denn damit zusammen, dass gerade eine Studie gezeigt hat, dass im letzten Jahr die Angebotsmieten in 28 von 50 Städten gesunken sind – nicht nur in Berlin –, also mindestens 27 Städte dabei sind, in denen der Mietendeckel nicht gilt?
Ich kenne die genannte Studie nicht; aber offensichtlich ist es der Mix aus Mietendeckel und Mietpreisbremse – beides SPD-Projekte –, der dazu führt, dass in Berlin die Mieten nicht so stark ansteigen, wie sie ohne diese beiden Instrumente angestiegen wären.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich bin ein bisschen enttäuscht. Ich dachte, Sie nutzen die Frage, um mir recht zu geben und anzukündigen, dass wir jetzt manche Projekte umsetzen. Dennoch herzlichen Dank für Ihre Frage, Herr Kollege Luczak.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wenn wir hier über Wohnungsmieten diskutieren, ist das richtig und gut. Aber ich möchte dabei auch die Gewerbemieten in den Blick nehmen; denn ich finde: Gerade die kleinen Gewerbetreibenden, die Soloselbstständigen müssen wir in den Blick nehmen, weil die nicht nur seit Corona, sondern auch vorher schon Probleme hatten. Ich glaube, wir müssen mehr für deren Schutz im Kündigungsrecht tun.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Beginnen sollten wir wirklich damit, dass wir schnell und glasklar im Gesetz regeln, dass eine Betriebsschließung wegen einer Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage ist,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
die einen Rechtsanspruch auf die Minderung der Miete gibt. Das sollten wir schnell und zügig ins Gesetz hineinschreiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Höchste Zeit!)
Eine gravierende Ungerechtigkeit möchte ich auch noch nennen: Ich finde, es geht nicht, dass der Mieter eine fristlose Kündigung aus der Welt schaffen kann, indem er die Mietrückstände bezahlt, aber die ordentliche Kündigung eben nicht. Das, finde ich, ist nicht gerechtfertigt. Das sollten wir auch ändern.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das ist im Übrigen auch im Sinne der Vermieter; denn es gibt ja dadurch einen Anreiz für den Mieter, dass er die Mietrückstände bezahlt. Gerade wenn die Mieter erhebliche Zahlungsschwierigkeiten haben oder gar zahlungsunfähig sind, kann das ein Anreiz sein, das Geld zusammenzukratzen, damit man die Wohnung behält.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Also ist das auch im Sinne der Vermieter, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Unterm Strich: Ich glaube, dass der Markt alleine nicht für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen wird. Deswegen brauchen wir im Mietrecht in einer sozialen Marktwirtschaft Leitplanken. Die müssen wir verbessern. Auch wenn wir hier schon einiges getan haben, gibt es einiges, was wir noch tun müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte darauf hinweisen, dass wir in acht Minuten die Wahlen schließen. Wer also noch nicht gewählt hat, möge jetzt bitte die Gelegenheit nutzen. Das gilt auch für die Kollegen, die jetzt in ihren Büros sitzen. Sie sollten sich auf den Weg machen.
Die nächste Rednerin: für die FDP die Kollegin Katharina Willkomm.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7486462 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 195 |
Tagesordnungspunkt | Kündigungsschutz für Mietende |