Jacqueline NastićDIE LINKE - Regulierung von Bonitätsauskünften
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat kürzlich die höchste Armutsquote seit 1990 festgestellt. Dies ist nicht etwa durch Corona verursacht, nein, das ist das politische Armutszeugnis von 2019.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Menschen mit den niedrigsten Einkommen haben wegen der skandalösen Politik der Bundesregierung nun auch während der Coronakrise die größten Einbußen zu verzeichnen; das sagt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut. Hinzu kommt, dass die Ärmsten überall draufzahlen müssen: beim Kredit, beim Dispo, bei Ratenzahlungen. Damit wollen wir Linken uns nicht abfinden.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Schufa, gegründet als Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, und andere Auskunfteien haben mittlerweile Kontrolle in fast allen Lebensbereichen: Kein Handyvertrag, kein Energievertrag, kein Mietvertrag ohne „Big Brother Schufa is watching you“. Wenn dann aber Superreiche Milliardenkredite erhalten, um hinterher Arbeitsplätze ins Ausland zu verlegen, muss man sich über Zorn bei Niedrigverdienern und Hartz-IV-Empfängern nicht wundern.
Die Schufa von heute hat mit ihrer ursprünglichen Aufgabe, mit der Kreditsicherung, so gut wie gar nichts zu tun. Sie sammelt Daten von 68 Millionen Menschen in Deutschland und bewertet die Menschen dann im Geheimen. Damit muss Schluss sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Die schlechte Bewertung, also das sogenannte Scoring, macht den Alltag für Menschen, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken, zum Spießrutenlauf. Wir Linken akzeptieren nicht, dass diese „Selbsthilfeorganisation des Bankensektors“, wie sie der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar einst nannte, die Ärmsten in noch größere Schwierigkeiten stürzt und ihre Existenz bedroht.
Die Schufa-Datenbank enthält so viele Fehler, dass selbst Menschen, die nie in Zahlungsverzug geraten sind, plötzlich Schwierigkeiten bekommen. Der Score berechnet sich eben oft nicht am eigenen Verhalten. Nein, die Menschen werden in Vergleichsgruppen mit Menschen mit ähnlichen Eigenschaften gesteckt und beurteilt: nach Alter, Geschlecht, aber auch nach Name und Wohnort. Dies ist Diskriminierung pur.
(Beifall bei der LINKEN)
Wer kontrolliert das alles? Das sind die Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder. Wobei das Wort „Kontrolle“ hier eigentlich falsch ist. Denn tatsächlich erstellen die Unternehmen selbst Gutachten über sich, und diese werden dann von den Behörden abgenickt. So können die Unternehmen diese Berechnungsmodelle als Betriebsgeheimnisse für sich behalten. Das ist so, als wenn ein Autoraser hinterher selbst seine eigene Geschwindigkeit schätzen könnte. Das Ganze ist einfach eine Farce.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Schufa vertritt die Interessen des Banken- und Finanzsektors und eben nicht die der kleinen Verbraucherinnen und Verbraucher.
(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Das ist auch richtig so!)
Es ist also höchste Zeit, den Kniefall der Politik vor solchen privaten Unternehmen endlich zu beenden.
(Beifall bei der LINKEN)
Dies ginge sofort und ganz leicht.
Deswegen fordern wir Linken erstens, dass das Einholen von solchen Bonitätsbewertungen gesetzlich verboten wird – mit der Ausnahme der Beantragung von Krediten –, und zweitens, dass eine vollständige Transparenz über diese Berechnungsmethoden und all ihre Faktoren hergestellt wird. Wir fordern außerdem, dass die Datenschutzbehörden so ausgestattet sind, dass sie selbst solche Gutachten erstellen können.
Völlig klar muss doch sein, dass es während der Coronakrise keinerlei negativen Einträge bei der Schufa geben darf.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Regelungen zum Zahlungsaufschub sind am 30. Juni dieses Jahres abgelaufen. Diese müssen doch sofort verlängert werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Ja, Vertragsfreiheit ist grundgesetzlich festgeschrieben; aber diese kann doch nicht über grundlegenden Menschenrechten stehen. Unser Antrag kann und soll ein Anfang sein, sich den Geschäftspraktiken von Schufa und Co und ihren negativen Auswirkungen auf grundlegende Menschenrechte entschieden entgegenzustellen. Also, öffnen wir endlich die Blackbox Schufa!
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Zaklin Nastic. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Sebastian Steineke.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7486555 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 195 |
Tagesordnungspunkt | Regulierung von Bonitätsauskünften |