26.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 195 / Tagesordnungspunkt 19

Karl-Heinz BrunnerSPD - Regulierung von Bonitätsauskünften

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich mal vor, Sie wollen sich verhalten wie unsere Kanzlerin, also wie eine schwäbische Hausfrau. Als schwäbische Hausfrau werden Sie jährlich die Verbraucherpreise auf dem Strommarkt nicht nur vergleichen, nicht nur kontrollieren, sondern gegebenenfalls jährlich Ihren Vertrag kündigen und jährlich einen neuen Vertrag abschließen. Sie wählen den Vertrag, der Ihnen als der günstigste erscheint, und Jahr für Jahr stellen Sie fest, dass der vermeintlich günstigste Vertrag einen Bonus hat, der aber nur „Bonus“ heißt, jedoch kein echter Bonus ist.

Stellen Sie sich vor: Nach einigen Wechseln finden Sie sich in der Situation, schon gekündigt zu haben, so wie in den Vorjahren auch, um den Termin zum Jahresende nicht zu verpassen, aber keinen neuen Vertrag mehr zu bekommen, sondern in der Grundversorgung – sehr teuer – zu landen.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten nun diesen hohen Betrag zahlen und wüssten gar nicht, warum. Stellen Sie sich weiter vor, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie womöglich gerade in der Zeit, in der Sie den Stromvertrag gekündigt haben, weil Sie Ihre Wohnung wechseln wollen, einen Mietvertrag eingehen wollen, der Ihnen, ohne dass Sie wissen, warum, wegen der vorherigen Ablehnung der Energieversorgung versagt wurde.

Ist dies Science-Fiction oder Realität? Nein, es ist noch keine Realität, es ist aber auch nicht Science-Fiction, sondern dahin wird der Weg führen, wenn in Deutschland ein unkontrolliertes Sammeln von Daten bei Auskunfteien erfolgt. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten gesehen, welche Daten insbesondere im Scoring zur Vermeidung von Boni bei Energieversorgungsunternehmen gesammelt werden, um bonussammelnde Kunden vom Markt fernzuhalten und lieber langfristige Abnehmer mit teureren Tarifen zu haben.

Ich will keinen Hehl daraus machen: Auskunfteien sind ein wichtiger Baustein unseres Finanzkreislaufsystems, unseres Wirtschaftssystems und unseres Wirtschaftslebens. Ohne Auskunfteien und ohne Scoringsystem würden viele Dinge im Absatz und in unserer Wirtschaft gar nicht möglich sein.

Aber ich sage auch ganz deutlich, dass an dieser Stelle Transparenz erforderlich ist, und zwar für die Verbraucherinnen und Verbraucher, damit sie wissen: Was ist dort über mich gespeichert? Viele Menschen wissen gar nicht, dass man bei der Schufa einmal im Jahr einen kostenlosen Auszug verlangen kann; die Information darüber ist noch nicht in der Gesellschaft verankert. Niemand weiß – selbst diejenigen nicht, die den Auszug bekommen –, was auf der letzten Seite des Auszugs steht und wie es zu dem Scoringwert kommt, der letztendlich die Bonität des einzelnen Verbrauchers darstellt.

Deshalb ist mein Petitum zum Antrag der Linken: Gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Transparenz ist es, was wir für die Verbraucherinnen und Verbraucher benötigen. Transparenz ist notwendig, um Entscheidungen auf dem Wirtschaftsmarkt glaubwürdig und richtig treffen zu können, und Transparenz beim Sammeln der Daten, beim Auswerten der Daten und vor allen Dingen bei der Errechnung der Bonität ist zwingend erforderlich, um Glaubwürdigkeit zu finden und die vorliegende Akzeptanz in der Gesellschaft und im Wirtschaftsleben zu erhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe mich beispielsweise erkundigt, wie ein Scoringwert zustande kommt, und war überrascht darüber, dass das Scoring allein schon dadurch beeinflusst ist, dass über eine Person mehrere, also vielfältige Auskünfte eingeholt werden. Mit jeder zusätzlichen Auskunft, die man einholt, sinkt also der Scoringwert.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon ein Problem!)

Und das ist ein Problem. Das darf nicht sein. Da müssen wir hinschauen; da müssen wir etwas tun.

Und deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, glaube ich ganz fest, dass es gut war, sich mit dem Antrag der Linken dem Thema zu widmen. So, wie die Linken es allerdings wollen – es bei Mietverträgen, wo es notwendig ist, die Bonität zu wissen, bußgeldbewehrt zu verbieten, es im allgemeinen Rechtsverkehr zu verbieten, wo ich beispielsweise gemäß Fernabsatzgesetz im Internet etwas bestätige und nicht mal das Gesicht meines Gegenübers sehen kann –, kann es nicht richtig sein.

Ich glaube auch, dass es nicht richtig ist, dass die Auskunfteien es in allen Fällen bereits nach einem Jahr zu löschen haben. Aber ich habe es beim Referentenentwurf zum Gesetz zur Verkürzung der Restschuldbefreiung als richtig angesehen, dort die Speicherfrist auf nur ein Jahr zu begrenzen, um den Menschen wieder ein Stand-up zu geben, eine Möglichkeit zu geben, am Wirtschaftsleben richtig ordnungsgemäß teilzunehmen, sodass sie nicht wegen eines Scoringwertes oder eines Eintrags bei der Schufa trotz Entschuldung, trotz Restschuldbefreiung nicht mehr am Wirtschaftsleben teilnehmen können. Hier müssen wir etwas tun. Hier müssen wir draufschauen. Hier müssen wir Lösungen finden.

Und wir müssen Lösungen finden, den Scoringwert transparent, ordentlich und nachvollziehbar zu ermitteln und darzustellen, und müssen alle unsere Unternehmen, die Auskunfteien betreiben, dazu verpflichten, ihre Nutzerinnen und Nutzer darüber zu informieren, wie das Datenmaterial zustande kommt, und zwar nicht nur diejenigen, die die Daten bekommen, sondern genau auch die Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihre Daten dazu hergeben.

Wenn wir dies nicht bußgeldbewehrt, wenn wir dies nicht mit Verboten und wenn wir das nicht so tun, wie die Grünen es wollen, durch ein Verbot der Sammlung von Daten, dann können wir, glaube ich, einen guten Weg für unsere Verbraucherinnen und Verbraucher finden und gleichzeitig die wichtige Aufgabe, die Auskunfteien in unserer Gesellschaft, in unserem Wirtschaftssystem haben, erhalten und damit etwas zur Sicherheit der Rückführung von Forderungen beitragen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Karl-Heinz Brunner. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Stephan Thomae.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7486558
Wahlperiode 19
Sitzung 195
Tagesordnungspunkt Regulierung von Bonitätsauskünften
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