26.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 195 / Tagesordnungspunkt 22

Rita Hagl-Kehl - Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vormundschaft und Betreuung sind sensible Themen; denn hier geht es um Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Es geht um Kinder, deren Eltern nicht in der Lage sind, die Verantwortung für sie zu übernehmen, und es geht um Erwachsene, die infolge von Krankheit oder Behinderung ihre rechtlichen Angelegenheiten nicht oder nur begrenzt selbst regeln können.

Viele Regelungen im Vormundschafts- und Betreuungsrecht sind nicht mehr zeitgemäß. Eine umfassende Reform ist nötig. Dieses Vorhaben gehen wir nun an. Einige wichtige Neuerungen will ich Ihnen hier nennen.

Zunächst zur Vormundschaft. Viele Regelungen im Recht der Vormundschaft stammen noch aus dem Jahr 1896, dem Jahr der Verabschiedung des Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Vorschriften atmen den Geist des Kaiserreichs und nicht den Geist unserer sozialen und freiheitlichen Verfassung. Das ändern wir jetzt. Wir rücken das Kind ins Zentrum des Vormundschaftsrechts, und wir stellen noch deutlicher als bisher heraus: Der Vormund hat nicht nur die Verantwortung, sich um das Vermögen des Kindes zu kümmern. Sie oder er trägt auch die Verantwortung für die Erziehung und das persönliche Wohl des Kindes.

Kinderrechte müssen im Mittelpunkt stehen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen setze ich mich auch für eine Ergänzung des Grundgesetzes ein.

(Beifall bei der SPD)

Wir stellen daher die Kinderrechte ins Zentrum des Vormundschaftsrechtes.

Darüber hinaus stärken wir die Rechte der Pflegeeltern, bei denen die betroffenen Kinder oft aufwachsen. Damit stärken wir die Beziehung zwischen Pflegeeltern und ‑kindern. Pflegekinder sollen sich in ihren Familien geschützt und geborgen führen. Unser Gesetzentwurf trägt dazu bei.

(Beifall bei der SPD)

Zum Betreuungsrecht. Auch hier rücken wir die Betroffenen noch stärker ins Zentrum. Die Behindertenrechtskonvention der UN und unser Grundgesetz lassen keinen Zweifel: Der wichtigste Orientierungspunkt des Betreuungsrechts muss das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen sein.

(Beifall bei der SPD – Sören Pellmann [DIE LINKE]: Hört! Hört!)

Nicht überall in unserem Betreuungsrecht kommt das glasklar zum Ausdruck. Aus manchen Formulierungen spricht noch ein falscher Paternalismus. Wir schreiben jetzt fest: Die Wünsche der Betreuten haben im Regelfall Vorrang.

(Lachen der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Regelfall?)

Außerdem stellen wir sicher: Eine Betreuerin oder ein Betreuer wird nur dann bestellt, wenn dies zum Schutz der betroffenen Menschen wirklich erforderlich ist.

Darüber hinaus stärken wir eine tragende Säule unseres Betreuungssystems: die Betreuungsvereine.

(Beifall bei der SPD)

Und wir legen fest, welche persönlichen und fachlichen Voraussetzungen Betreuerinnen und Betreuer mitbringen müssen.

Noch eine wichtige Neuerung birgt unser Gesetzentwurf: eine Neuerung jenseits des Vormundschafts- und Betreuungsrechts. Wir führen ein zeitlich begrenztes Notvertretungsrecht für Ehegatten ein. Wenn ein Ehegatte bewusstlos ist oder krank und deshalb seine Angelegenheiten rechtlich nicht wahrnehmen kann, dann kann ihn der andere in Angelegenheiten der Gesundheitssorge künftig vorübergehend vertreten. Damit ermöglichen wir es Ehegatten, in gesundheitlichen Notfällen schnell und flexibel füreinander einzustehen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben unsere Reform sehr gründlich vorbereitet: durch umfangreiche Forschungsvorhaben und durch eine breite Diskussion. Wir schaffen damit ein Vormundschafts- und Betreuungsrecht, das die Betroffenen in den Mittelpunkt stellt und ehrenamtliche und berufliche Helferinnen und Helfer bestmöglich unterstützt. Eine solche Reform haben wir uns seit etlichen Jahren vorgenommen. Ich bin froh, dass wir jetzt einen überzeugenden Entwurf beraten können.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Der nächste Redner: der Abgeordnete Thomas Seitz, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7486760
Wahlperiode 19
Sitzung 195
Tagesordnungspunkt Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts
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