Thomas SeitzAfD - Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über ein wirklich ambitioniertes Projekt, nämlich eine grundlegende Reform des Vormundschaftsrechts und vielfältige Änderungen im Betreuungsrecht.
Während 2017 die Zahl der Vormundschaften bei über 60 000 lag, geht es bei den Betreuungsverfahren um eine ganz andere Dimension. Seit 1995 hat sich die Zahl der Betreuungsverfahren mehr als verdoppelt auf im Jahr 2012 über 1,3 Millionen. Seitdem gehen die Zahlen leicht zurück. Sie bewegen sich aber unverändert auf hohem Niveau. Wenn wir zu den Betreuten noch ihre Angehörigen hinzurechnen, wird klar: Wir reden über ein Thema, das Millionen von Menschen in Deutschland betrifft. Deshalb und angesichts einer Drucksache mit fast 550 Seiten halte ich eine Debatte von 30 Minuten Dauer für eine derart intensive und unmittelbar in die Lebensführung der Betroffenen eingreifende Rechtsmaterie für ausgesprochen unwürdig.
(Beifall bei der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Genau! – Marianne Schieder [SPD]: Das ist die erste Lesung!)
Im Hinblick auf das Vormundschaftsrecht ist eine Reform nachdrücklich zu begrüßen. Es ist höchste Zeit, dass das Mündel vom Objekt zum Subjekt des Verfahrens aufsteigt und das noch aus der Kaiserzeit stammende Rechtsgebiet mit seinem Fokus auf der Vermögenssorge anstatt der Personensorge modernisiert wird. Ein kritischer Aspekt ist hier für mich die in § 1781 Absatz 3 des Entwurfs vorgeschriebene Ablösung des vorläufigen Vormunds nach längstens drei Monaten. Wie die Vertreter der Jugendämter sehe ich den Abbruch der Bindungen zwischen Mündel und vorläufigem Vormund kritisch. Ob die Vorteile wirklich überwiegen, wie es in der Begründung hierzu heißt, darf bezweifelt werden.
Beim Betreuungsrecht führen Sie eine Vielzahl von Motiven für die Reform an, gegen die allesamt nichts einzuwenden ist: Trennung vom Vormundschaftsrecht und damit auch eine eigenständige Regelung des Aufgabenkreises und der Umgangsbestimmungen, Stärkung des Erforderlichkeitsgrundsatzes, Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen und des Vorrangs ihrer Wünsche, Stärkung der Betreuungsvereine und Anbindung ehrenamtlicher Betreuer an diese. Auch die Neuerungen durch das Betreuungsorganisationsgesetz, welches das Betreuungsbehördengesetz ersetzt, sind sinnvoll.
Die Frage ist jedoch, inwieweit die Gesetzesfassung geeignet ist, diesen Zielen im Einzelnen gerecht zu werden. Vor allem ist die Frage der Zielerreichung eine Frage des Geldes. Das Inkrafttreten des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes am 1. Juli 2005 und die hierdurch ausgelösten massiven Änderungen zur Art und Weise, wie berufliche Betreuungen geführt werden, habe ich als Vormundschaftsrichter unmittelbar verfolgt. Mit der Einführung einer Pauschalvergütung sollten die Kosten der beruflich geführten Betreuungen, die bei mittellosen Betreuten die Staatskasse trägt, reduziert werden; weg von der Sozialbetreuung hin zur reinen Rechtsbetreuung entsprechend der Rechtslage. Nach den Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfs wird jetzt faktisch wieder eine Wende hin zu einer sozialen Betreuung angestrebt. Ob diese jetzt von Betreuern geleistet wird oder von sozialen Diensten, ist egal; es wird teuer. Die Frage ist nur, welcher Kostenträger und welches Budget dafür bluten müssen.
Auch die weiteren Änderungen sind kostenintensiv. Sowohl bei den Betreuungsbehörden als auch bei den Amtsgerichten ist die Reform mit erheblichem Aufwand verbunden, der gerade bei den Rechtspflegern einen neuerlichen Personalaufwuchs erfordert. Dazu kommt die gewünschte Aufwertung der Betreuungsvereine, die es gar nicht bräuchte, wenn die Betreuungsvereine, die bereits jetzt hervorragende Arbeit bei der Unterstützung und in der Information ehrenamtlicher Betreuer leisten, nur besser finanziert wären.
(Beifall bei der AfD)
Es wundert deshalb nicht, dass die Stellungnahme des Bundesrates mit einer massiven Kritik an der Schätzung des Erfüllungsaufwandes beginnt und der Bund aufgefordert wird, sich an den Kosten der Reform zu beteiligen.
Die Einführung des Vertretungsrechts von Ehegatten im neuen § 1358 BGB wird von uns ausdrücklich begrüßt. Man kann das auf drei Monate beschränkte Notvertretungsrecht durchaus kritisch sehen, und natürlich kann es missbraucht werden. Aber im Grunde schafft es nur eine Rechtslage, die ein großer Teil der verheirateten Menschen in Deutschland nicht nur irrtümlicherweise bereits jetzt für geltendes Recht, sondern vor allem auch für richtig hält – für richtig, weil dies dem Wesensgehalt der Ehe als Schicksalsgemeinschaft entspricht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD)
Der nächste Redner ist der Kollege Paul Lehrieder, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7486761 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 195 |
Tagesordnungspunkt | Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts |