Esther DilcherSPD - Kostenrecht, anwaltliches Berufsrecht, Postfach
Guten Morgen – –
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Guten Morgen?)
– Ich war heute im Haushaltsausschuss und habe bis etwa halb fünf Uhr morgens in der Bereinigungssitzung gesessen. Deswegen sehen Sie mir diese Begrüßung nach, Entschuldigung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus der Anwaltschaft! 1994, 2013, 2020: Das sind die Jahre, in denen die Anwaltsvergütung an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst wurde bzw. zum 1. Januar 2021 angepasst wird. Wir haben eben schon gehört: Unsere Gesetze aus dem Bereich Justiz und Verbraucherschutz sind oft sehr trocken. Das kann ich Ihnen möglicherweise an dieser Stelle auch nicht ersparen. Ich werde versuchen, das Ganze nachher ein bisschen aufzulockern.
Der Deutsche Anwaltverein und die Bundesrechtsanwaltskammer versuchen seit Jahren, in diesem Bereich eine sogenannte dynamische Anpassung zu erreichen, die dann ständig neue Verhandlungen über die Rechtsanwaltsvergütung zum Teil ersetzen oder zumindest erleichtern würde. Heiko Maas hatte beim Parlamentarischen Abend der BRAK im Januar 2018 bereits für diese Legislatur in Aussicht gestellt, dass eine Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung erfolgen solle, und hat das auch auf den Weg gebracht. Allerdings haben sich die Verhandlungen mit den Ländern als eine sehr zähe Angelegenheit entpuppt. Es bedurfte sicherlich nicht des Antrages einiger Fraktionen, um das ins Laufen zu bringen, sondern das lief wirklich im Hintergrund. Aber wir werden dazu sicherlich nachher noch was Gegenteiliges hören.
Die Länder müssen beteiligt werden, da sie einen Großteil der Kosten tragen. Sie fragen sich jetzt vielleicht: Wieso tragen die Länder die Kosten für die Vergütung eines Rechtsanwalts? Auf diese Frage komme ich später zurück und werde auch eine Antwort geben.
Zum 1. Januar 2021 wird diese Rechtsanwaltsvergütung erst mal um 10 Prozent angehoben. Im Gesetzentwurf – das kann man nachgucken – stehen viele einzelne Gebührentatbestände, zum Beispiel dass die Angabe „90 Euro“ durch „99 Euro“ ersetzt wird usw., dass also die einzelnen Gebühren angehoben werden. Das könnte man sich durch eine Dynamisierung natürlich ersparen, aber so weit sind wir noch nicht.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider!)
Im sozialrechtlichen Bereich werden die Gebühren um 20 Prozent angehoben. Das bleibt weit hinter den Erwartungen der Anwaltschaft zurück.
Die Anwälte sind von Corona auch nicht verschont worden und hatten Umsatzeinbrüche zu verzeichnen, da einige Mandanten doch nicht so klagewütig waren oder überlegt haben: Wir warten vielleicht noch mit einer Beratung, bis das alles vorbei ist. – Die Fixkosten der Anwälte laufen jedoch weiter: Miete für Räume und Geräte, Personalkosten, Nebenkosten, Beiträge für die Versorgungswerke, Haftpflichtversicherung, Steuern etc. Die Tariflöhne hingegen sind seit 2013 um 19 Prozent gestiegen. Damit zeigt sich deutlich, dass das keine wirklich angemessene Anpassung ist. Deshalb war es uns umso wichtiger, diese Erhöhung jetzt nicht weiter zu verzögern und sie zum 1. Januar auf den Weg zu bringen.
Ich will jetzt auch keine gebührenrechtliche Vorlesung halten, sondern einfach mal das Ganze für diejenigen erläutern, die das als trockenes Thema empfinden: Wie kommt denn so eine Rechtsanwaltsvergütung überhaupt zustande? Der Mandant kommt zu mir. Dann frage ich ihn in der Regel – manchmal wird er vorher schon wie beim Arzt von meinen Mitarbeitern oder meinen Mitarbeiterinnen gefragt –: Sind Sie Selbstzahler? Oder haben Sie eventuell einen Anspruch auf Beratungshilfe oder Verfahrenskostenhilfe?
Die Rechtsanwaltsvergütung geht davon aus, dass wir eine Mischkalkulation haben. Eine Beratung in Familiensachen kann sich teilweise außergerichtlich über ein, zwei Jahre hinziehen, ohne dass wir irgendwann mal ein gerichtliches Verfahren einleiten. Dann kriegen wir für eine solche Beratung, bei der die Akten, bei mir jedenfalls, relativ dick werden, knapp über 100 Euro; viel mehr gibt es da nicht. Dazu sind wir verpflichtet, weil man davon ausgeht, dass wir in anderen Fällen eben auch für relativ wenig Aufwand eine viel höhere Vergütung erhalten können.
Das liegt daran, dass wir sogenannte Gebührentabellen haben. Wir gucken uns den Streitwert an. Das heißt, wir schauen: Wie viel ist eine Sache wert, nach der abgerechnet werden kann? Wenn ich eine Forderung geltend mache, zum Beispiel 5 000 Euro, die ich irgendwo einklage, dann ist der Gegenstandswert 5 000 Euro. Dann gucke ich in die Tabelle, um zu sehen: Was bekomme ich dafür an Gebühren?
Es gibt aber nicht überall diese Streitwerte. Ich nehme wieder das Familienrecht: Wie will ich das Sorgerecht in Kindschaftssachen bewerten? Was hat das für einen Wert? Ein anderes Stichwort ist hier das Umgangsrecht. Also hat der Gesetzgeber gesagt: Das müssen wir irgendwie bewerten. – Dafür hatte er mal 3 000 Euro angenommen; das war in meinen Augen auch etwas zu wenig. Wir werden diesen Betrag jetzt auf 4 000 Euro erhöhen. Im Ausschuss haben wir trefflich darüber diskutiert, ob wir das nicht auf 5 000 Euro hätten erhöhen können wie beim Regelstreitwert. – Frau Keul nickt schon. Ich glaube, wir als Kolleginnen sind uns da sehr einig. – Aber mit diesen 4 000 Euro können wir auch schon ganz gut leben, weil das wenigstens eine Anpassung ist.
Auch für die Länder ist diese Anpassung wichtig. Denn: Wenn ein Mandant selber nicht zahlen kann, dann kann Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe beantragt werden; das ist Sache der Länder. Die Länder müssen die Kosten tragen, wenn ein Mandant sich selbst einen Prozess nicht leisten und die Kosten für sein Verfahren nicht selbst übernehmen kann. Das sind nicht gerade geringe Kosten. Das sind große Millionenbeträge, die die Länder hierfür aufwenden müssen. Deswegen haben sie auch ein Interesse daran, da immer ein bisschen zu bremsen, um nicht zu viel Geld ausgeben zu müssen.
Die gesetzlichen Gebühren, um noch einmal darauf hinzuweisen, richten sich nicht nach dem Aufwand. Wenn mich eine Sache sehr, sehr viele Stunden beschäftigt, meine Kosten dafür aber nicht abgedeckt werden, habe ich in diesem Fall noch die Möglichkeit, eine Vergütungsvereinbarung mit dem Mandanten zu treffen. Ich komme aus dem ländlichen Raum. Ich muss sagen: Bei mir gibt es in 80 Prozent der Fälle Verfahrenskostenhilfe. Da werde ich keinen Mandanten dazu bringen können, mit mir eine Honorarvereinbarung zu schließen, nach der ich meinen Aufwand nach einem Stundensatz abrechnen kann, also 150 oder 250 Euro die Stunde, je nachdem, was die Anwälte für angemessen halten. In großen Städten muss man manchmal mehr bezahlen als bei uns auf dem flachen Land, wie ich jetzt wieder erfahren habe. Aber bei uns finde ich erst gar keinen oder nur wenige Mandanten, die mit mir eine Vergütungsvereinbarung schließen würden, schon gar nicht in Kindschaftssachen.
Jetzt können Sie vielleicht verstehen, warum Anwälte im Allgemeinen nicht die Großverdiener sind und weshalb dieses heute vorliegende Gesetz so wichtig ist, um unseren Rechtsstaat zu stärken und die Anwälte als Organe der Rechtspflege in ihrer Tätigkeit entsprechend zu honorieren.
Der SPD-Fraktion wäre es auch ein Anliegen, diese Anpassung der Anwaltsgebühren zu dynamisieren. Diese Auffassung teilen viele Kolleginnen und Kollegen hier im Bundestag, nicht aber die Länder. Wir hoffen daher, dass die nächste Gebührenanpassung nicht wieder so lange ausverhandelt werden muss.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das Wort hat der Abgeordnete Stephan Brandner für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7487001 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 196 |
Tagesordnungspunkt | Kostenrecht, anwaltliches Berufsrecht, Postfach |