27.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 196 / Tagesordnungspunkt 27

Stephan ThomaeFDP - Bekämpfung von Rassismus

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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Von den fünf Vorlagen, die wir heute behandeln, möchte ich mich den beiden Gesetzentwürfen zum Artikel 3 Absatz 3 GG, dem Begriff der Rasse im Grundgesetz zuwenden. Dazu haben die Kollegen Frei und Wiese eben schon ausgeführt, dass es keine triviale sprachliche Aufgabe ist, das Problem zu beheben, ohne den Schutzraum zu verengen.

Momentan sagt Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz, dass niemand „wegen … seiner Rasse … benachteiligt oder bevorzugt werden“ darf. Auf den ersten Blick ist diese Unrechtskennzeichnung auch nicht zu beanstanden; aber – und das ist das Problem, das schon angesprochen worden ist – die Verwendung des Begriffes „Rasse“ im Grundgesetz setzt voraus, dass es Rassen gibt, derentwegen man eben nicht benachteiligt werden darf. Aber – Sie sagten es schon, Herr Kollege Frei – das entspricht nicht den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen; auch Frau Kollegin Polat hat dies ausgeführt. Menschenrassen gibt es eben nicht – im Gegensatz zu den anderen Kriterien in Artikel 3 Absatz 3 wie Sprache, Geschlecht, Abstammung, Herkunft, Glaube. Das sind Dinge, die es gibt, wohingegen es Menschenrassen eben nicht gibt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb müssen wir uns von diesem Begriff der Rasse lösen, ohne die Unrechtskennzeichnung von Rassismus aufzuheben und ohne den Schutzraum einzuengen. Das ist genau das Problem, um das es geht.

Es gab schon mal vor vielen Jahren den Ansatz, den Begriff der Rasse einfach zu streichen; aber damit würde die Unrechtskennzeichnung nicht mehr im Verfassungstext selber sichtbar sein. Das Merkmal muss gleichwohl weiterhin benannt werden, ohne sich die Rassentheorie anzueignen.

Deswegen gab es als Zwischenschritt die Überlegung, ob man das Verbot der Benachteiligung aus rassistischen Gründen ins Grundgesetz aufnehmen solle. Das löst aber das Problem auch nicht; denn es kommt ja eigentlich nicht darauf an, welche Gründe jemand für sein Verhalten hat, sondern ob objektive Kriterien jemandem einen Nachteil zuweisen, weil er einer bestimmten Volksgruppe zugewiesen wird oder weil er tatsächliche oder vermeintliche vererbbare Merkmale aufweist.

All das reflektieren zwar die beiden Gesetzentwürfe von Grünen und Linken, die wir heute beraten; aber in Wirklichkeit macht es die Sache nicht besser, nur von einer „Benachteiligung“ zu sprechen, wenn jemand rassistisch diskriminiert wird. Denn auch das entspringt ja einer Geisteshaltung; „rassistisch“ ist ein innerer Tatbestand. Wir müssen aber, um jetzt das Gute zu tun, ohne dabei den Verfassungstext zu verschlechtern, überlegen, ob es nicht auch Fallgruppen und Fallgestaltungen geben kann, in denen jemand wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit schlechtergestellt wird, das aber gar nichts mit einer inneren Geisteshaltung, also „rassistisch“ oder „Rassismus“, zu tun hat. Diese Fälle wollen wir nicht ausschließen, und das hinzubekommen, ist die nicht triviale Aufgabe, vor der wir hier stehen.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen müssen wir gut überlegen und beraten, welche Formulierungen wir wählen, damit es nicht zu einer Verengung des Schutzraumes kommt. Genau das wollen wir eben nicht. Und hier bleibt festzustellen: Den Stein der Weisen hat noch keiner gefunden. Die Systematik, abstraktive Substantiva zu nutzen, die Tatsachen markieren, statt Adjektive oder Adverbien, die eben innere Haltungen, Eigenschaften, Bewertungen oder Beschreibungen enthalten – das ist das Problem, mit dem wir uns befassen müssen, und da sollten wir jetzt in Gespräche eintreten.

Es gab schon mal im Juni dieses Jahres einen Brief meines Fraktionsvorsitzenden Christian Lindner an Ihre Fraktionsvorsitzenden, Frau Göring-Eckardt und Herrn Hofreiter, um Gespräche aufzunehmen. Wir freuen uns sehr, dass jetzt ein Beschluss des Kabinettsausschusses vorliegt, mit dem ebenfalls dieser Faden aufgenommen wird. Das heißt: Jetzt sollten die Beratungen beginnen, wie wir uns von diesem Begriff lösen, ohne im Grunde den Schutzraum zu verengen, den wir alle erhalten wollen. Das wird anspruchsvoll, aber ich freue mich sehr darauf.

Herr Kollege.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Kollege Thomae, herzlichen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Gökay Akbulut, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

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Electoral Period 19
Session 196
Agenda Item Bekämpfung von Rassismus
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