27.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 196 / Tagesordnungspunkt 27

Karl-Heinz BrunnerSPD - Bekämpfung von Rassismus

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Sehr verehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sprachlosigkeit zeichnet mich in der Regel nicht aus, aber nach den Worten, die ich jetzt gehört habe, bin ich sprachlos – sprachlos darüber, wie wenig unser Grundgesetz seit 1949 bei Menschen gewirkt hat, mit denen ich im gleichen Atemzug als Kollege im Deutschen Bundestag genannt werden muss. Ich schäme mich dafür, dass es derartige Aussagen in diesem Parlament gibt.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schäme mich deshalb, weil ich hier als Abgeordneter des Deutschen Bundestages stehe, um gemeinsam für dieses Land gegen Diskriminierung von jedermann in dieser Gesellschaft zu arbeiten – für ein Deutschland, das nicht diskriminiert, für ein Deutschland, das nicht rassistisch ist, für ein Deutschland, das nicht antisemitisch ist, für ein Deutschland, das bunt und integrierend ist. Das haben 1949 die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes gewollt: nicht ausgrenzen, sondern integrieren in dieses schöne Land, in diese Bundesrepublik Deutschland, die uns seit 1949 in Frieden zu Freiheit und auch Wohlstand geführt hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Nicht umsonst haben die Vorlagen der Grünen und der Linken, auch wenn es textlich Unterschiede gibt, eines gemein: Es geht darum, Artikel 3 Absatz 3 unseres Grundgesetzes nicht zu ändern, sondern einer Revision zu unterziehen und den Begriff „Rasse“ durch einen neuzeitlichen und der jetzigen wissenschaftlichen Kenntnis entsprechenden Begriff zu ersetzen. Ich bin froh, dass der Kabinettsbeschluss mit den 89 Maßnahmen am Mittwoch dieser Woche den Weg dafür eröffnet hat. Es geht zum einen darum, am Grundgesetz nicht final Hand anzulegen, sondern das Grundgesetz auszutarieren, und zum anderen darum, die vielen Maßnahmen zur Antidiskriminierung in diesem Land auf den Weg zu bringen, damit wir das, was in diesem Land Realität ist, nicht mehr erleben müssen.

Realität ist, dass wir wissen, wer zuerst kontrolliert wird, wenn in einem Omnibus oder einer U-Bahn eine Kontrolle durchgeführt wird.

(Stefan Keuter [AfD]: Der vorne sitzt!)

Sind es die zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben weißen, hellen, netten Deutschen, oder ist es die Gruppe von vier südländisch aussehenden Menschen? Ich kann es Ihnen sagen: Es sind die südländisch aussehenden Menschen. Wer bekommt die Wohnung, wenn man sich um eine Wohnung bewirbt? Das adrette weiße Paar oder das schwule Paar, das lesbische Paar, die Transe oder gar das eritreische Ehepaar mit zwei Kindern? Ich kann Ihnen sagen, wer sie in diesem Land bekommt. – Das alles ist Diskriminierung, die wir in diesem Lande beenden müssen, beenden wollen und – das sage ich auch – beenden werden.

Der aus der Nazizeit stammende Begriff der Rasse,

(Dr. Harald Weyel [AfD]: Verwendet auch die UNO!)

welcher letztendlich in Artikel 3 unseres Grundgesetzes Eingang gefunden hat, hat zum Begriff des Untermenschen geführt, überspitzt dann zum slawischen Untermenschen, zum jüdischen Untermenschen, zum sexuellen Untermenschen – Begriffe, die wir in diesem Land nie wieder hören wollen. Deshalb bin ich froh, dass wir für diesen Begriff in Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz parteiübergreifend eine Lösung finden wollen. Ich sage ganz deutlich, dass ich mir eine Änderung wünsche, bei der nicht nur die ethnischen Unterschiede, sondern auch die sexuellen Identitäten in diesem Lande berücksichtigt werden, also alle Menschen in diesem Land. Denn egal ob farbig, zugewandert oder schon immer in Deutschland lebend, ob trans, schwul oder lesbisch,

(Nicole Höchst [AfD]: Andersdenkende!)

alle diese Menschen gehören zu Deutschland. Dies ist unser Deutschland. Wir sind dieses Deutschland.

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.

Und wir gestalten dieses Deutschland und nicht Sie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP])

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brunner. – Nächster Redner ist der Kollege Grigorios Aggelidis, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7487020
Wahlperiode 19
Sitzung 196
Tagesordnungspunkt Bekämpfung von Rassismus
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