27.11.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 196 / Tagesordnungspunkt 30

Jens ZimmermannSPD - Reform der Wirtschaftsprüfung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist, finde ich, eine gute Tradition geworden: Wir machen am Donnerstag im Wirecard-Untersuchungsausschuss bis in die Puppen durch, und am Freitagnachmittag treffen wir uns hier wieder, um das Ganze in einer zweiten Halbzeit fortzusetzen. Aber wenn ich auf die 15 Stunden, die wir gestern miteinander verbracht haben, zurückschaue, dann stelle ich fest, dass unsere Diskussion im Vergleich zu letzter Woche wieder einige neue Erkenntnisse gebracht hat, für mich unter anderem die, dass Abschlussprüfer gute Arbeit machen können, aber auch komplett versagen können. Das ist ungefähr die Bandbreite, die sich uns gestern im Untersuchungsausschuss dargestellt hat. Deswegen ist es wichtig, daraus jetzt die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Ich mache das an einer Sache fest: Im Jahr 2019 hatte die Wirecard AG eine Bilanzsumme von 5,9 Milliarden Euro. 1,9 Milliarden Euro lagen auf den Philippinen auf einem Treuhandkonto

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Die waren doch gar nicht da! – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Oder auch nicht!)

eines bestenfalls dubiosen Treuhänders. Man sieht schon an diesen Zahlen: Das Geld auf diesem Treuhandkonto hat einen wesentlichen Teil des Wertes dieses Unternehmens ausgemacht.

Dann hatten wir gestern eine interessante, sehr akademische und abstrakte Diskussion mit einem Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young, der uns über zwei Stunden – sehr belesen – klargemacht hat, warum es irgendwie doch Möglichkeiten gibt, dass man da vielleicht nicht so genau hinschauen muss und dass ein Atari-mäßiger Kontoausdruck als Beleg ausreicht, was nicht mal ein Zwölfjähriger glauben würde. Gleichzeitig lesen wir in Dokumenten eines anderen Wirtschaftsprüfers, der mit Ernst & Young in die Diskussion gegangen ist, der nachgehakt und gefragt hat: „Glaubt ihr denn wirklich, dass das ausreicht?“: Die haben bis zum Schluss geglaubt, dass das ausreicht.

Das ist ein Problem, meine Damen und Herren,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE])

und es ist vor allem deswegen ein Problem, weil es zeigt, dass es einen Kulturwandel in dieser Branche braucht. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir können mit den Maßnahmen, die Grüne, Linke und die Koalition in die Diskussion einbringen, mit Sicherheit einige wichtige Punkte machen. Aber wenn es in der Wirtschaftsprüferbranche keinen Kulturwandel gibt – wenn ganz offensichtliche Probleme sichtbar sind, darf man nicht blumig und mit hundert Vorschriften erklären, warum das schon so passt, anstatt einfach auszusprechen: hier existiert ein Problem; hier kann etwas nicht stimmen –, werden wir es mit unseren Reformen sehr schwer haben, solche Probleme wie bei Wirecard zu verhindern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

Das Wort hat der Kollege Hartmut Ebbing für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7487053
Wahlperiode 19
Sitzung 196
Tagesordnungspunkt Reform der Wirtschaftsprüfung
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