09.12.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 198 / Tagesordnungspunkt I.9

Carsten SchneiderSPD - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Münzenmaier, Sie sind ja ein wegen Beihilfe zu Körperverletzung rechtskräftig verurteilter Hooligan. Das merkt man, auch wenn Sie einen Anzug tragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der AfD)

Dass Ihre Partei Sie hier als ihren zweiten Redner in der Generaldebatte reden lässt, in der es um die Zukunft unseres Landes geht, zeigt, wo Ihre Partei steckt: mitten im Rechtsextremismus.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)

Wir beraten den Bundeshaushalt, die generelle Linie. Kollegin Bas wird noch was zu der Frage der Pandemie und der Gesundheitslage sagen. Ich will mich auf die ökonomischen Fragen konzentrieren.

Ich finde, es ist heute gut zutage getreten, wo die Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien liegen und welche unterschiedlichen Denkschulen dem zugrunde liegen; dies wird wahrscheinlich bei der Bundestagswahl eine Rolle spielen.

Ich bin sehr froh – Rolf Mützenich hat es gesagt –, dass wir Sozialdemokraten uns entschieden haben, auch unter schwierigen Umständen in diese Bundesregierung zu gehen. Es hat sich gezeigt, dass es gerade in der Krise extrem wichtig ist, dass im Finanzministerium jemand wie Olaf Scholz als Finanzminister sitzt, der nicht kleinteilig denkt, sondern groß. Das ist notwendig, um die Belastungen der extremen wirtschaftlichen Krise, die wir hatten und haben, zu schultern. Wir können sie schultern durch die Intervention des Staates und durch eine hohe Kreditaufnahme, weil wir im vergangenen Jahrzehnt gespart haben

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Sparen nicht! Weniger Schulden! Einnahmen!)

bzw. die Einnahmen stärker gewachsen sind als die Ausgaben. Von diesem Polster können wir zehren. Genau das ist der Wesenskern sozialdemokratischer Finanzpolitik: Wenn es sehr, sehr gut läuft, dann sorgen wir dafür, dass die Schulden sinken. Wenn der Staat intervenieren muss, hat er die Kraft und kann es auch. Das bringt Sicherheit.

(Beifall bei der SPD)

Das machen wir zum einen, indem wir den Sozialstaat stabilisieren. Wir kürzen ihn nicht, wie von Teilen der Union gefordert; bei Herrn Merz habe ich das gehört. Das sind ja die Rezepte aus den 80ern. Das ist sozusagen die Videokassette der deutschen Politik: Friedrich Merz.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Jan Korte [DIE LINKE]: Der war nicht schlecht!)

Nein, wir kürzen nicht, sondern wir erhalten den Sozialstaat, und wir bauen ihn im Zweifel aus. Im Zusammenhang mit dem Kurzarbeitergeld haben wir – ich weiß gar nicht, wer es war; ich glaube, Frau Baerbock hat es angesprochen – für eine Verpflichtung zur Weiterbildung gesorgt. Also, wenn die Unternehmen es wollen, können sie es jetzt tun. Diese Möglichkeit hat Hubertus Heil im Zusammenhang mit der Verlängerung des Kurzarbeitergeldes – Stichwort: Qualifizierungschance – ermöglicht; denn wir glauben an die Zukunft in Deutschland, und wir bleiben eben nicht stehen, sondern entwickeln uns nach vorn.

(Beifall bei der SPD)

Die internationale Politik – nehmen Sie den IWF, nehmen Sie die EU-Kommission – gibt uns recht. Wir haben einen ökonomischen Impuls aus der Kreditaufnahme umgesetzt. Wir setzen aber auch auf Transformation, Wasserstoff, neue Technologien, Digitalisierung etc. All das ist entscheidend; denn wir können nicht stehen bleiben.

Ich schaue mir auch Alternativen dazu an; dazu dient solch eine Debatte heute hier ja auch. Ich greife das auf, was Herr Lindner gesagt hat. Ich habe mir Ihre Anträge genau angesehen, sowohl die in Nordrhein-Westfalen, wo Sie in der Landesregierung sind, als auch hier im Bundestag. Fangen wir mal bei denen im Bundestag an. Im Bundestag haben Sie bei den Wirtschaftshilfen beantragt, dass sie um 20 Milliarden Euro niedriger liegen als das, was die Koalition aus CDU/CSU und SPD zur Verfügung stellt,

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Wir entlasten aber auch doppelt!)

also die direkten Wirtschaftshilfen für November, Dezember und eventuell länger, die noch gezahlt werden, als auch die Überbrückungshilfen.

(Christian Lindner [FDP]: Nee! Nee! Nee!)

Betroffen sind also der Kneipier, die Gaststätte, die derzeit die Umsätze erstattet bekommen, weil sie per Auflage für uns alle geschlossen sind.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Das sind Ausgaben!)

Diese Mittel in Höhe von über 40 Milliarden Euro stehen zur Verfügung.

(Dr. Christian Jung [FDP]: Vor dem Reden erst lesen!)

Ich sage Ihnen: Wir sind auch bereit, dem Finanzminister im Zweifel die Möglichkeit zu geben, diese Mittel zu erhöhen.

Was machen Sie? Sie setzen die Hilfen um 20 Milliarden Euro niedriger an. Das heißt, der kleine Kneipier bekommt von Ihnen im Zweifel die Hälfte.

(Christian Lindner [FDP]: Das stimmt nicht! Es geht um Ausgaben, Herr Schneider!)

Wem geben Sie aber Geld? Was ist noch Teil Ihrer Politik? Wir machen hier auch wirklich Steuerpolitik, falls Sie es nicht mitbekommen haben. Zum 1. Januar wird der Soli für 95 Prozent der Beschäftigten in Deutschland abgeschafft. Das ist sozialdemokratische Politik; das steht in unserem Programm.

(Beifall bei der SPD)

Das gibt einen Wachstumsimpuls für mehr Binnennachfrage. Sie beantragen hier, dass für die letzten 5 Prozent, die Superreichen, die Jetset-Generation, die Steuern um 10 Milliarden Euro gesenkt werden.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: So ein Quatsch!)

Sie nehmen es beim Kneipier um die Ecke und geben es dem Jetset-Publikum in Nizza. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der SPD – Christian Lindner [FDP]: Das ist Demagogie!)

– Das ist nicht Demagogie, das ist einfach faktenbasierte Politik, Herr Lindner.

Jetzt gucke ich mal nach NRW – Sie tun ja so, als würden Sie hier nirgendwo Verantwortung tragen –; das ist ja das größte Bundesland. Soweit ich weiß, sind Sie dort in der Koalition. Haben Sie doch mitgemacht, oder?

(Christian Lindner [FDP]: Habe ich verhandelt!)

– Haben Sie verhandelt. Genau. – Das ist nicht ohne. Also, gegen den Bundesvorsitzenden der FDP wird doch sicherlich nicht entschieden, dass die höchste Kreditaufnahme, die alle Bundesländer haben – nicht pro Kopf, sondern bezogen auf den Haushalt 2019 –, wo ist? In NRW, bei der FDP. Und: Wie lang ist der Zeitraum, bis die Schulden in NRW getilgt werden? 50 Jahre! 50 Jahre nehmen Sie sich Zeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Man kann darüber reden, ob das richtig oder falsch ist; aber es ist komplett was anderes als das, was Sie hier die ganze Zeit im Bundestag erzählt haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Wir haben keine Rücklagen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat es jetzt in der Hand, die Investitionen, die wir zur Verfügung gestellt haben, zur Transformation unserer Wirtschaft zu nutzen und sie voranzubringen. Sie hat es in der Hand – ich vertraue der Kanzlerin und dem Finanzminister –, die Unternehmen, die jetzt in Schwierigkeiten sind, zu stabilisieren. Ich füge aber auch hinzu, dass die Umsatzerstattung für Handelsunternehmen, falls sie geschlossen werden sollten, aus meiner Sicht nicht darstellbar ist. Vielmehr müssen wir da wirklich auf die Fixkosten schauen; denn wir müssen auch aufpassen, dass wir aus dieser Krise gestärkt hervorgehen und nicht mit zu viel Schulden. Das wollen wir nicht. Wir wollen eine starke Wirtschaft und solide Finanzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort geht an die Abgeordnete Simone Barrientos von der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7489032
Wahlperiode 19
Sitzung 198
Tagesordnungspunkt Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
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