Alexander Graf LambsdorffFDP - Auswärtiges Amt
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist die letzte Haushaltsdebatte in dieser Legislaturperiode; es ist das letzte Mal, dass wir in dieser Legislatur über den Einzelplan 05 beraten. Es ist deswegen vielleicht nicht verkehrt, eine kurze Bilanz der Außenpolitik in dieser Legislaturperiode zu ziehen.
Aus Sicht meiner Fraktion war sie überwiegend eine Außenpolitik des Weiter-so. Es war eine reaktive Außenpolitik. Es war eine Außenpolitik, die sich durch Passivität und durch Orientierungslosigkeit auszeichnete. Die „taz“, nicht gerade das Leib-und-Magen-Blatt der FDP, schrieb: „In der deutschen Außenpolitik ist derzeit keine Linie zu erkennen, nicht einmal eine falsche.“
(Beifall bei der FDP)
Das wird besonders deutlich, wenn man sich die Außenpolitik vor dem Hintergrund unserer Beziehungen zu den beiden wichtigsten Partnern anschaut, die wir haben, Frankreich und die USA. Nachdem Emmanuel Macron es gelungen war, Marine Le Pen zu besiegen, hat er 2017 nach der Bundestagswahl einen großen Aufschlag gemacht. Er hat Vorschläge für die Handlungsfähigkeit Europas auf den Feldern Sicherheit und Migration gemacht, auf den Feldern der Politik gegenüber Afrika, der Entwicklungszusammenarbeit, der Innovation, der Wirtschaft und Währung. Die Reaktion aus Berlin war gleich null. Es gab überhaupt keine Bereitschaft seitens des Kanzleramtes, seitens des Auswärtigen Amtes, auf diese Vorschläge einzugehen und sie zu debattieren. Man muss ja nicht jedem einzelnen Vorschlag zustimmen. Aber wenigstens eine Debatte darüber zu führen, wie die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union gestärkt werden kann, das wäre angezeigt gewesen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Ich fand bemerkenswert, was die Bundeskanzlerin heute Morgen gesagt hat: Immerhin sei es in der zweiten Welle der Coronapandemie gelungen, die Freiheit des Warenverkehrs im europäischen Binnenmarkt zu bewahren. Sie spielte damit auf einen der Kardinalfehler in der Frühphase der Pandemie an, nämlich die Verhängung einer Ausfuhrsperre für medizinische Produkte durch die Bundesregierung am 4. März. Lieber Herr Maas, Sie haben die auch noch verteidigt. Das war falsch. Von einem Außenminister hätte ich erwartet, dass er den Binnenmarkt verteidigt, die Europäische Union verteidigt, den freien Warenverkehr in der Europäischen Union gerade in Krisenzeiten, wo andere auf Solidarität angewiesen sind, verteidigt und sich nicht vor die Herren Spahn und Seehofer stellt und sie für ihre Fehlentscheidungen auch noch in Schutz nimmt.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])
Jetzt haben wir den Sieg Joe Bidens über Donald Trump, auch wenn manche das hier offenbar noch nicht wahrhaben wollen, und wir sind wieder in einem Modus des Weiter-so. Wir sind ja nicht das einzige Parlament, das zurzeit Haushaltsberatungen führt; auch im amerikanischen Kongress werden gerade Haushaltsberatungen geführt. Dort ist die Entsprechung zum Einzelplan 14 verabschiedet worden, der National Defense Authorization Act. Er macht einmal mehr deutlich, was für ein diplomatisches Debakel erster Güte Nord Stream 2 ist. Unsere Botschaft in Washington wird nichts anderes zu tun haben, als im Kongress dafür zu werben, dass die Bestimmungen dieses National Defense Authorization Acts möglichst nicht zur Anwendung kommen. Sie wird Sanktionsdrohungen aus dem Kongress gegen uns zurückweisen müssen; zu Recht, weil sie illegal sind. Aber auch die Polen, die Skandinavier, die Balten, alle sehen in diesem Projekt eine Verletzung ihrer nationalen Interessen. Trotzdem tut die Bundesregierung nach wie vor so, als ob es sich um ein privatwirtschaftliches Projekt handelte. Nichts könnte falscher sein.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, hier ist von Doris Barnett eben etwas Richtiges gesagt worden: Es gibt auch positive Dinge. – Der Einstieg in den Aufbau einer Personalreserve im Auswärtigen Dienst ist etwas Positives; das begrüßen wir ausdrücklich. Wir wollen ja auch, dass die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland im Bündnis wahrgenommen werden. Dazu brauchen wir eben nicht nur das, woran man immer so denkt, wenn man über Verpflichtungen im Bündnis redet: militärische Mittel. Nein, wir brauchen auch diplomatische Ressourcen. Deswegen finde ich es gut, was Wolfgang Ischinger von der Münchner Sicherheitskonferenz vorgeschlagen hat: Wir sollten 3 Prozent unserer Wirtschaftsleistung für die internationale Politik in die Hand nehmen. Für die Diplomatie geben wir weniger als 0,2 Prozent aus. Weniger als 0,2 Prozent, und die Planung fürs Jahr 2024 sieht ein Absinken von jetzt 6,3 auf dann 4,9 Milliarden Euro vor. Meine Damen und Herren, das ist der falsche Weg. Wenn Deutschland eine internationale Rolle spielen soll, brauchen wir einen starken Auswärtigen Dienst.
(Beifall bei der FDP)
Wir brauchen auch – das will ich hier genauso deutlich sagen – eine starke Bundeswehr. Ich kann mir deswegen wirklich beim besten Willen nicht verkneifen, die unfassbaren Äußerungen von Norbert Walter-Borjans hier einmal aufzugreifen, der die Lebensversicherung für unsere Soldatinnen und Soldaten im Einsatz wieder auf die lange Bank schieben will, weil angeblich noch nicht genug über Drohnen debattiert worden sei. Meine Damen und Herren, das ist wahlkampfinduziertes, verlogenes Geschwurbel. Es tut mir leid: Seit zehn Jahren debattieren wir über die Beschaffung von Drohnen, über Einsatzregeln, die gerade auch Sie von der Sozialdemokratie präzisiert haben. Ich kann das beim besten Willen nicht verstehen.
(Beifall bei der FDP)
Letzter Punkt. Ich bin froh, dass unsere Bundeswehr im Baltikum steht und dort die Litauer, die Esten, die Letten schützt und beruhigt. Ich will hier zum Schluss eines sagen, lieber Alois Karl – es ist ja auch für Sie der letzte Einzelplan 05 –: Als Vorsitzender der Deutsch-Baltischen Parlamentariergruppe – und ich gucke auch Elisabeth Motschmann an, denn wir sind die beiden Deutsch-Balten hier im Deutschen Bundestag – will ich mich ausdrücklich dafür bedanken, dass die Petrikirche und der Wagnersaal in Riga so gut bedacht worden sind. Vielen Dank, lieber Herr Karl, für Ihr segensreiches Wirken und alles Gute!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Elisabeth Motschmann [CDU/CSU])
Vielen Dank, Graf Lambsdorff. – Bevor wir zu einem weiteren Höhepunkt der Debatte kommen, möchte ich Sie daran erinnern, dass in weniger als zehn Minuten die namentliche Abstimmung geschlossen wird. Wer noch nicht abgestimmt hat, möge das also bitte jetzt tun.
Das Wort hat der Abgeordnete Alois Karl, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Christian Petry [SPD] – Christian Petry [SPD]: Alois, gib alles!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7489061 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 198 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |