Ekin DeligözDIE GRÜNEN - Auswärtiges Amt
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Außenminister, wenn man den Kollegen aus der Großen Koalition zuhört und die Zahlen hört, die der Kollege Leutert zitiert hat, könnte man meinen: Was habt ihr denn? Ihr Berichterstatter habt doch im Verfahren richtig viel bewegt. – Das stimmt auch. Wir haben viel bewegt in diesem Haushaltsverfahren. Mehr als 300 Millionen Euro sind dazugekommen, ein Großteil davon für die humanitäre Hilfe, 9,5 Millionen Euro für Menschenrechte. Es ist gut, dass im Bereich der Personalreserve endlich etwas vorangeht, dass das Finanzministerium die Blockade aufgegeben hat und wir vorankommen.
Das sind gute Nachrichten. Aber bei so großen Rissen und Lücken in der Fassade bringt eben ein neuer Anstrich nichts.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und das kommt in den Reden auch rüber. Sie, Herr Minister, sind mit diesem Etat weder für die jetzigen noch für die künftigen internationalen Herausforderungen gut vorbereitet. Da fehlt es noch an vielem. Ich will zwei Beispiele herauspicken, um das zu verdeutlichen:
Wir hatten in den letzten Wochen und Monaten zahlreiche Vertreter und Vertreterinnen aus den verschiedenen humanitären Hilfsorganisationen hier in Deutschland. UNOCHA – Mark Lowcock hat es am deutlichsten gemacht –, aber auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, UNICEF und viele andere humanitäre Organisationen sagen uns, dass die Klimakrise inzwischen einer der größten Verursacher für humanitäre Krisen in der Welt ist. Und Ihre Antwort darauf ist eigentlich nicht wirklich vorhanden. Ja, wir geben Geld für humanitäre Hilfe aus, aber das, was Sie machen, geht an die Symptome des Ganzen, aber nicht an die Ursachen. Wenn Sie wirklich an die Ursachen der Probleme gehen wollen, dann brauchen Sie eine grundlegende Veränderung Ihrer Politik, die zum Beispiel heißen könnte: Klimaaußenpolitik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Gleiche könnte ich auch durchdeklinieren, wenn es zum Beispiel darum geht, Frauenrechte in der Welt voranzubringen. Wir haben hier eine Gruppe von Parlamentarierinnen, die sich massiv dafür einsetzen, feministische Außenpolitik voranzubringen. Diese verbleibt aber allein im Parlament, weil wir Frauen, die sich in diesem Parlament dafür einsetzen, uns von unserem Außenminister alleine gelassen fühlen, weil Sie hier zu wenig machen
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und es leider nur bei warmen Worten zu unserem Bestreben bleibt.
Oder ein ganz konkretes Beispiel: die Situation in Belarus. Heute ist der 123. Tag der Proteste. Es wurden inzwischen fast 30 000 Oppositionelle verhaftet. Die OSZE redet von Hunderten von Fällen von Folter, Misshandlungen, ja bis hin zu Vergewaltigungen, die dokumentiert sind. Es gibt einen Antrag aus der Mitte dieses Parlaments. CDU/CSU, SPD, Grüne und viele andere hier im Parlament haben deutlich gesagt, wie sehr es unser Wille ist, dass wir uns dort mit der Zivilgesellschaft solidarisieren wollen, dass wir uns für sie einsetzen wollen. Wir haben mit diesem Antrag aus dem Parlament Hoffnungen geweckt. Und Sie haben dem Ganzen ja auch verbal zugestimmt, Sie haben Großes versprochen, rausgekommen sind 2 Millionen Euro. 2 Millionen Euro, von denen wir noch nicht einmal wissen, wann und wo und wie sie fließen sollen! Das ist eine große Enttäuschung, Herr Minister.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ja, die Herausforderungen an Sie und Ihr Haus sind groß, aber ich glaube, dass Sie selber nichts anderes erwarten; denn Sie selber reden davon, dass die Welt immer komplexer wird, dass die Konflikte komplexer sind, dass die Zusammensetzungen komplexer werden. Und dann enttäuscht es, ehrlich gesagt, erst recht, wenn Sie sich für Ihren Etat nicht viel stärker engagieren. Wir reden hier nicht zum ersten Mal darüber, dass die mittelfristige Finanzplanung nicht stimmt, dass sie zurückgeht. Das haben wir in den letzten und vorletzten Debatten – ehrlich gesagt: seit ich diesen Etat mache – immer wieder betont, allein von Ihnen kam kein Engagement. Das enttäuscht deshalb, weil Ihre Berichterstatter für den Etat kämpfen. Es hilft aber nicht, wenn die Berichterstatter kämpfen und der Minister, wenn wir uns dann umdrehen, gar nicht mehr da ist. Es geht darum, dass wir eine starke Diplomatie brauchen. Und diese starke Diplomatie braucht einen starken Rückhalt vom Parlament, aber auch vom Minister, von Ihrem Haus und – ja – auch im Etat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)
Wir werden uns dafür einsetzen, aber wir verlangen noch viel mehr, nämlich dass die deutsche Außenpolitik auch eine Richtung bekommt. Beispiele dafür habe ich Ihnen genannt: klimagerechter, feministischer werden und Menschenrechte in den Vordergrund stellen. Herr Minister, das erwarten wir von Ihnen, und da wünschen wir uns mehr.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Einzelplan 04 – Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes – bekannt: abgegebene Stimmenkarten 649. Mit Ja haben gestimmt 374, mit Nein haben gestimmt 275. Der Einzelplan 04 ist angenommen.
Jetzt hat das Wort der Bundesaußenminister. – Herr Minister.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7489065 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 198 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |