09.12.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 198 / Tagesordnungspunkt I.11

Annegret Kramp-Karrenbauer - Verteidigung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir stehen wenige Tage vor Weihnachten, und der Haushalt, der heute zur Verabschiedung ansteht, ist ein sichtbares Zeichen, unserer Truppe im Inland und im Ausland Danke schön zu sagen, ihr aber nicht nur warme Worte zu geben, sondern auch als Haushaltsgesetzgeber deutlich zu machen: Die Bundeswehr ist uns wichtig, wir stehen zu ihr, wir nehmen auch das Geld, das wir für sie brauchen, in die Hand. – Dafür darf auch ich als Verteidigungsministerin mich ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist gerade in Zeiten von Corona umso wichtiger, in Zeiten einer Pandemie, die uns alle im Griff hält und die natürlich auch die Arbeitsbedingungen bei der Bundeswehr selbst massiv verschärft. Das gilt für diejenigen, die in den Einsatz gehen – alleine zwei Wochen Quarantäne, bevor sie hineingehen, zwei Wochen Isolation und Quarantäne, wenn sie zurückkommen –, das gilt für den Einsatz im Inneren, und das gilt für die Amtshilfe. Es sind über 8 000 Kameradinnen und Kameraden, die zurzeit helfen. Weitere stehen bereit, um auch beim Impfen unter die Arme zu greifen, damit wir möglichst schnell wieder in einer Nach-Corona-Normalität ankommen. Auch dafür ein ganz herzliches Dankeschön an die Truppe! Sie hat dieses Dankeschön wirklich verdient.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ja, dieser Bundeshaushalt ist ein starkes Signal für das nächste Jahr; er wächst. Er macht im Übrigen beim Konjunkturpaket deutlich, dass auch die Bundeswehr ihren Teil dazu leistet, dass ebendiese Konjunktur gestützt wird und Arbeitsplätze erhalten bleiben. So bleiben zum Beispiel auch die Arbeitsplätze im Zusammenhang mit dem Eurofighter erhalten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Aber es geht vor allen Dingen auch um die Zukunftsaufstellung. Ich bin dankbar, dass Kolleginnen und Kollegen das hier angesprochen haben.

Nur, sehr geehrter Herr Kollege Lindner, zur Wahrheit gehört auch, dass, wenn Sie das beklagen und wenn Sie sagen: „Wir brauchen Prioritäten“, Sie dann auch so ehrlich hätten sein müssen, zu sagen, was ich sowohl in der Sitzung des Verteidigungsausschusses als auch in der Sitzung des Haushaltsausschusses angekündigt habe: dass nämlich noch zu Beginn des Jahres, noch im nächsten Frühjahr, über all die großen Projekte genau die Debatte über die Priorisierung geführt wird, und zwar auf der Grundlage einer Matrix, die den militärischen Zweck, die die politischen Implikationen, die internationalen Implikationen und auch die industriepolitischen Implikationen deutlich macht. Dann muss entschieden werden, und diese Entscheidung muss bald getroffen werden, weil, wie wir alle wissen, der finanzielle Spielraum in der Zukunft eher eingeschränkt wird, als dass er wachsen kann. Deswegen ist diese Debatte wichtig. Ich habe sie angekündigt, ich werde sie führen, und Sie wissen genau, dass das so ist. Es wäre eigentlich nett gewesen, wenn Sie das hier auch so gesagt hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in diesem Haushalt für wichtige, gerade europäische Projekte die Weichen gestellt. Dazu gehören der Eurofighter, die Eurodrohne, der NH90. Dahinter verbergen sich für viele Familien in Deutschland feste Arbeitsplätze und damit auch sichere Einkommen. Es setzt ein starkes europapolitisches Zeichen. Europa lebt eben nicht nur von der theoretischen Debatte, sondern auch davon, dass man die Vorhaben wirklich konkret umsetzt, so wie wir das in unserer Ratspräsidentschaft bei der Lösung der Drittstaatenbeteiligung in der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit getan haben, so wie wir es bei der Erstellung einer gemeinsamen Bedrohungsanalyse für den entsprechenden strategischen Kompass getan haben, so wie wir kurz vor einer Lösung bei der Friedensfazilität sind und so wie wir, lernend aus Corona, insbesondere die Zusammenarbeit unserer Sanitätsdienste in ganz Europa verbessert haben. Das ist das Ergebnis unserer Ratspräsidentschaft in den letzten Monaten, und darauf können wir alle gemeinsam – denn Sie haben diese Arbeit begleitet – auch ein Stück stolz sein.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Neu?

Gerne.

Frau Ministerin, seit Längerem versuchen wir nun, an diese sogenannte Bedrohungsanalyse, die von der EU ja beschlossen wurde, heranzukommen. Das wurde uns Ihrerseits im Spätsommer auch zugesagt. Bislang haben wir nichts bekommen. Könnten Sie in Ihrem Hause dafür sorgen, dass wir als Parlamentarier an diese Bedrohungsanalyse herankommen können, um diese zu bewerten?

Die Bedrohungsanalyse ist zusammengefasst worden und jetzt auch auf europäischer Ebene abgestimmt worden. Wir werden sicherlich im nächsten Jahr Gelegenheit haben, auch darüber zu reden.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Aber den Text kriegen wir nicht! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren – wenn ich fortfahren darf –, es ist trotzdem richtig, dass wir auch über die großen Fragen reden. Das haben wir in den letzten Tagen und Wochen ja auch getan, auch in Europa, auch im Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich. Ich darf hier vielleicht den kürzlich verstorbenen früheren französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing zitieren. Er hat einmal gesagt: „Mit Blick auf Amerika herrscht zwischen Deutschland und Frankreich die Harmonie der Widersprüche.“ Wohl wahr. Wir sind uns aber einig: Wir brauchen beides, ein Europa, das mehr kann, und ein Amerika, das Europa verbunden ist und verbunden bleibt. Dafür treten wir gemeinsam ein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dazu gehört – lassen Sie mich das bitte sagen – eben auch, dass wir nicht in den Fehler verfallen, zu glauben, man könnte Ausrüstung und Abrüstung verhandeln und Diplomatie und militärische Stärke voneinander trennen. Beides gehört zusammen. Das ist zumindest für mich, auch als Christdemokratin, schon immer so gewesen. Für mich gehört es auch zur Räson deutscher Verteidigungs-, Sicherheits- und Außenpolitik dazu. Ich darf vielleicht hier den ehemaligen Wehrbeauftragten zitieren, der über die Kontinuität sozialdemokratischer Außenminister und Bundeskanzler seit Willy Brandt Folgendes gesagt hat:

Sozialdemokraten treten für wechselseitige Abrüstung, Vertrauensbildung und Verhandlungsdiplomatie ein – aber doch immer aus einer Position der Stärke heraus, nicht als Bittsteller.

Wer sich einmal ernsthaft mit dem Ausrüstungsprogramm der russischen Seite befasst hat, der weiß, wovon Herr Bartels redet. Deswegen müssen wir in der Tat in unsere Verteidigungsfähigkeit, insbesondere in die Zukunft investieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dazu gehört auch, dass wir unsere Soldatinnen und Soldaten mit dem bestmöglichen Schutz versorgen. Es ist vollkommen richtig, dass gerade wir hier in Deutschland über die Bewaffnung von Drohnen, über autonome Systeme so ernsthaft debattieren, wie wir das getan haben. Es gibt viele, auch ethisch begründete Argumente, die ich nicht teile und mir nicht zu eigen mache, mit denen man sich aber ernsthaft auseinandersetzen muss. Das können auch Argumente sein, die dafür sprechen, zu einem anderen Ergebnis bei der Bewaffnung zu kommen. Aber ein Argument zählt nicht, und das ist das Argument, wir hätten hier nicht ausreichend darüber debattiert. Seit acht Jahren debattieren wir über die Bewaffnung von Drohnen. Das Bundesverteidigungsministerium hat bis auf Punkt und Komma alles erfüllt, was die Koalitionäre von ihm in dieser Frage erwartet haben.

Ich will Ihnen und auch denen, die uns von außen zuschauen, ganz kurz schildern, warum wir die Bewaffnung der Drohnen brauchen. Bei meinem Besuch in Kunduz – Kolleginnen und Kollegen aus dem Haus waren ja mit dabei – haben die Soldatinnen und Soldaten sehr eindrücklich geschildert, wie es war, als sie einen Raketenangriff auf das Lager durchzustehen hatten, als sie sozusagen in Deckung gegangen sind. Sie wussten zwar, was kommt – Sie waren gewarnt, weil die Aufklärungsdrohne die Stellung gezeigt hat, von der die Rakete abgeschossen wurde –, aber sie lagen unten und mussten über einen langen Zeitraum warten, bis die Unterstützung der Amerikaner aus der Luft kam, weil sie eben nicht in der Lage waren, diese Stellung auszuschalten, weil die Aufklärungsdrohne nicht bewaffnet war. Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit setzen wir fahrlässig das Leben der Soldatinnen und Soldaten aufs Spiel, und ich möchte das ändern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Lassen Sie mich zum Schluss eines noch sagen: Ich habe in den letzten Tagen viel gehört von strategischer Autonomie Europas. Ich habe gerade heute Morgen in der Generaldebatte gehört, man müsse den Amerikanern kraftvoll und selbstbewusst entgegentreten, mit ihnen auf Augenhöhe argumentieren und handeln. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Bundeswehrsoldaten, die in Kunduz auf dem Boden gelegen haben und sehnsüchtig in den Himmel geschaut haben, um zu schauen, wann endlich die Luftunterstützung der Amerikaner kommt, die haben nicht das Gefühl gehabt, dass wir auf Augenhöhe mit Amerika agieren. Dafür ist noch ein weiter Weg zu gehen.

Frau Bundesministerin, lassen Sie eine weitere Frage oder Bemerkung zu?

Diesen Weg wollen wir gehen, müssen wir gehen, und dafür möchte ich gemeinsam mit Ihnen entsprechend kämpfen. Dieser Haushalt ist ein guter Schritt dazu, und weitere sollten folgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat der Abgeordnete Martin Hohmann für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7489087
Wahlperiode 19
Sitzung 198
Tagesordnungspunkt Verteidigung
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