09.12.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 198 / Tagesordnungspunkt I.11

Siemtje MöllerSPD - Verteidigung

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Für Menschen meiner Generation existiert Europa nur geeint, grenzenlos, freizügig und friedlich. Europa hat mir und mittlerweile auch meinen Kindern wie selbstverständlich ein Aufwachsen, Arbeiten und Leben in Sicherheit garantiert. So viel Freiheit ist schützenswert.

Bei all den zurzeit anscheinend verlorengehenden Gewissheiten ist doch immer noch klar: Wir wollen in Zukunft weiterhin in Frieden und Sicherheit leben, und dafür leistet die Bundeswehr in den Bündnissen und in den Einsätzen in und für Europa ihren Beitrag.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU])

Insgesamt 3 198 Soldatinnen und Soldaten sind in den Einsätzen. Ich möchte als Marineberichterstatterin an dieser Stelle meine besondere Anerkennung für unsere Seefahrerinnen und Seefahrer ausdrücken: sechs Monate im Einsatz, getrennt von der Familie, in Coronazeiten ohne Landgang. Sie haben trotz der veränderten Umstände und der politischen Widrigkeiten mit NATO-Bündnispartnern gewissenhaft ihren Dienst getan. Und sie sind manches Mal über sich hinausgewachsen, beispielsweise wenn Instandsetzungspersonal eben nicht eingeschifft werden konnte und man kurzerhand, per Videokonferenz angeleitet, den Schiffsantrieb selber instand gesetzt hat. An dieser Stelle meine ausgesprochene Wertschätzung und Anerkennung dafür.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Mit dem Haushalt für 2021 bereiten wir uns vor auf ein Jahr, das hoffentlich ein besseres wird als das Jahr 2020. Neben der Wiederbelebung der transatlantischen Freundschaft werden aus meiner Sicht drei Themen die sicherheitspolitische Agenda bestimmen: die Souveränität der Europäischen Union – man kann es auch „Autonomie“, „strategische Unabhängigkeit“ oder wie auch immer nennen – in der Sicherheitspolitik, der mögliche, wahrscheinliche oder etwaige Abzug aus Afghanistan und der Review-Prozess der NATO.

Diese drei Themen haben gemeinsam, dass Deutschland sich über seine Rolle in der Sicherheitspolitik, über seine Interessen und sein Engagement in Bündnissen und gegenüber Partnerländern bewusst sein muss. Dann kann Deutschland sich aktiv einbringen, und dann macht unser Engagement einen Unterschied.

Klar: Das geht nur mit einem solide ausgestatteten Haushalt, wie wir ihn vorlegen, und das geht dann auch nur, wenn die Mittel zielführend eingesetzt werden: für besseres Material, für eine schnellere Instandsetzung und für zufriedenes und gut eingesetztes Personal.

Die letzten Monate, egal ob es um den schweren Transporthubschrauber, die G36-Nachfolge oder die Vergabe für den Tender „Donau“ ging, haben doch gezeigt, dass die Probleme im Beschaffungsprozess und in der Instandhaltung noch nicht behoben sind. Ja, bei vielen Projekten sind wir auf einem passablen Weg, oder wir sind zumindest losgegangen. Es ist vollkommen klar, dass dieser Weg dennoch lang und beschwerlich sein wird und dass noch viele Verbesserungen und Veränderungen zu tätigen sind.

Aus meiner Sicht müssten wir dabei einige Dinge berücksichtigen: keine neuen Trendwenden, keine vollmundig angekündigten umfänglichen Reformprozesse, weniger Zentralismus, mehr Nähe zur Truppe, mehr Nähe zum Material, weniger Prozesse nach Excel und SASPF und mehr gesunder Menschenverstand.

(Beifall bei der SPD – Henning Otte [CDU/CSU]: Noch mehr?)

Das Desaster um den schweren Transporthubschrauber zum Beispiel kann man zum Anlass nehmen, um über pragmatische Lösungen nachzudenken, um die Truppe mit essenziellen Fähigkeiten auszustatten. Warum nicht eine Kooperation mit den Niederlanden bei diesem Beschaffungsprojekt? Dabei hätten wir noch den wirklich praktischen, konkreten Nebeneffekt, dass wir europäische Sicherheit und Verteidigung gemeinschaftlich leben und zeigen, dass sie möglich ist.

Ein weiteres Projekt, das das kommende Jahrzehnt prägen wird, ist die Entwicklung und die Beschaffung der Eurodrohne. Seit vielen Jahren wird in Europa an diversen Drohnenprojekten gearbeitet. Von Cassidians noch unbewaffnetem Talarion über den gescheiterten Euro Hawk: Nun wird das nächste Drohnenprojekt, die Eurodrohne, entwickelt, und sie soll 2025 zum ersten Mal fliegen. Mit diesem Projekt sichern wir nicht nur den Hochtechnologiestandort Deutschland. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bereiten uns auch vor auf die Herausforderungen, die vor uns liegen.

Um europäische Souveränität und Sicherheit zu gewährleisten, brauchen wir Projekte wie FCAS, Eurodrohne oder auch die U-Boote der Klasse 212 CD. Wir brauchen diese Fähigkeiten, und wir müssen sie entwickeln. Wir brauchen sie, um für die Interessen Europas und die Sicherheit und den Frieden seiner Bürgerinnen und Bürger einzustehen.

Klar: Deutschland wird, gemessen an seinem wirtschaftlichen und internationalen Einfluss, in den kommenden Jahrzehnten mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Daraus folgt unmittelbar die Fragestellung, welchen Beitrag wir in der Zukunft leisten wollen, welche Fähigkeiten wir nun ausbauen sollen. Ich bin überzeugt: Der deutsche Beitrag muss zur Stabilisierung der NATO beitragen und gleichermaßen die EU starkmachen. Nur so kann europäische Sicherheit gelingen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns mit diesem Haushalt dafür Sorge tragen, dass die Bundeswehr ordentlich ausgestattet ist, damit wir unseren Beitrag für die europäische Sicherheit leisten können. Stimmen Sie dem Verteidigungshaushalt zu!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort hat die Kollegin Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7489089
Wahlperiode 19
Sitzung 198
Tagesordnungspunkt Verteidigung
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