10.12.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 199 / Tagesordnungspunkt I.14

Katrin Helling-PlahrFDP - Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Der Justizhaushalt ist ein kleiner Haushalt. Aber auch wenn man vergleichsweise nicht viel Geld hat, kann man es sinnlos ausgeben. Das beweisen Sie.

Ausgaben für Arbeitsgruppen, Studien und Personal sind sicher notwendig. Schließlich sind wir hier, um die Dinge zu ändern, zu gestalten, zu modernisieren, um ehrgeizig zu sein, um die Welt besser zu machen. Wenn man ehrgeizige, zukunftsweisende Reformen machen will, dann braucht man Sachverstand, internen und externen, dann muss man Studien beauftragen, Expertenarbeitsgruppen einsetzen und eigenes Personal arbeiten lassen. Dann ergibt das total viel Sinn. Aber wenn man Studien beauftragt, Expertenarbeitsgruppen einsetzt und eigenes Personal arbeiten lässt, ohne dass man überhaupt Reformen machen will, dann ergibt das keinen Sinn,

(Beifall bei der FDP)

außer natürlich, wenn man sich hinter noch nicht vorliegenden Ergebnissen verstecken, wenn man Reformen in Wahrheit verschleppen möchte. Frau Ministerin, Sie und die Bundesregierung betreiben Verschleppungstaktik in Perfektion. Auf Kosten der Steuerzahler versuchen Sie, möglichst nichts tun zu müssen.

Werfen wir einen Blick auf das Familienrecht. Weite Teile dieses Hauses und sämtliche Expertinnen und Experten sind sich einig, dass es dringend einer umfassenden Reform des Familienrechts bedarf. Das Familienrecht muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Es prolongiert und verstärkt veraltete Vorstellungen von Elternschaft, ist streckenweise ungerecht und entspricht in vielfältiger Weise nicht mehr der Lebenswirklichkeit der Menschen. Und auch die ehemalige Justizministerin, die jetzige Justizministerin und die Familienministerin geben seit Jahren Interviews, in denen sie Reformbedarf erkennen. Wenn es dann aber ans Handeln ging: außer AGs nichts gewesen.

(Beifall bei der FDP)

2016/2017 hat eine Arbeitsgruppe „Kindesunterhalt nach Trennung und Scheidung“ im BMJV getagt. Einen Abschlussbericht gibt es nicht, und über Teilnehmer, Diskussionen und Ergebnisse verweigern Sie uns und der Öffentlichkeit Informationen.

Ministerin Barley hat 2019 einen Diskussionsteilentwurf – allein das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Diskussions-teil-entwurf – zur Reform des Abstammungsrechts vorgelegt. Selbst der ist versandet.

Letztes Jahr hat die von Ihnen eingesetzte Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht“ ihre Arbeit abgeschlossen und ein Thesenpapier veröffentlicht. Und was ist daraus geworden? Nichts.

Frau Ministerin, für Frühjahr dieses Jahres hatten Sie einen Gesetzentwurf zur Reform des Familienrechts angekündigt. Ihr Haus lässt ja auch verlauten, dass es einen Entwurf für eine Teilreform des Abstammungs-, Unterhalts- sowie Sorge- und Umgangsrechts – angeblich – geben soll. Offiziell zugeleitet worden ist er uns Parlamentariern aber immer noch nicht. Es soll jedenfalls kein ehrgeiziger Entwurf sein; denn – so haben Sie es in den Medien gesagt – eine umfassende Reform sei in der verbleibenden Zeit der Wahlperiode nicht mehr zu machen. Das haben Sie schon Ende letzten Jahres so gesehen, zur Mitte der Wahlperiode. Frau Ministerin, wann soll denn jemals Zeit sein für eine umfassende Reform? Nie?

(Beifall bei der FDP)

Aber zurück zu dem von Ihnen angekündigten Reförmchen. Auch das scheint ja wieder einmal zum Rohrkrepierer zu werden. Im August sollte es durch die Ressortabstimmung zwischen den Ministerien gehen. Dann haben Sie im September in einem Interview gesagt, die Union habe Bedenken gehabt. Das kann ich nach allem, was ich weiß, auch gut verstehen. Aber in dem Interview haben Sie behauptet, diese Bedenken seien vom Tisch. Wo bleibt der Entwurf also?

Frau Ministerin, wenn Sie möchten, unterstützen wir Sie als FDP-Fraktion gerne. Wir schaffen das dann auch in dieser Wahlperiode noch mit einer umfassenden Reform, die in unsere Zeit gehört. Um ein paar Eckpunkte zu nennen, schaffen wir erstens ein echtes gemeinsames Sorgerecht ab Geburt.

Zweitens implementieren wir das Wechselmodell als gesetzliches Leitbild. Kinder brauchen beide Eltern.

Drittens stellen wir in dem Zuge auch das Unterhaltsrecht vom Kopf auf die Füße, weg vom Prinzip „Einer betreut, einer bezahlt“.

Viertens bilden wir mehr Elternschaftskonstellationen auch rechtlich ab. Sie sind längst gesellschaftliche Realität.

Fünftens ermöglichen wir Elternschaftsvereinbarungen und mehr Flexibilität bei Sorgeerklärungen.

Keine Sorge, uns fällt noch viel mehr ein! Ungeduld ist auch eine Tugend, Frau Ministerin.

Meine Damen und Herren, vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Vielleicht darf ich die Vertreter auf der Regierungsbank darauf hinweisen, dass es mir einleuchtet, dass es schwer ist, miteinander zu kommunizieren, wenn man Abstand halten muss, dass das aber so leise geschehen sollte, dass der Redner hier vorne nicht gestört wird und der Präsident der Rede folgen kann.

(Stephan Thomae [FDP]: Es war mal aufschlussreich, mitzuhören!)

– Das ist nicht der Sinn der Veranstaltung, Kollege Thomae. Normalerweise ist das nicht üblich.

Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Straetmanns, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7489333
Wahlperiode 19
Sitzung 199
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht
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