Achim KesslerDIE LINKE - Gesundheit
Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Rund 16,6 Milliarden Euro werden der gesetzlichen Krankenversicherung 2021 fehlen. Die Bundesregierung will allerdings nur 5 Milliarden Euro einmalig aus Steuermitteln übernehmen. Dreimal dürfen Sie raten, wer den Rest bezahlen soll: Richtig, die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, 3,6 Milliarden Euro durch die Erhöhung der Zusatzbeiträge und 8 Milliarden Euro durch Entnahme aus den Rücklagen der Krankenkassen! Durch den Trick der einmaligen Entnahme aus den Rücklagen spüren die Versicherten im nächsten Jahr noch nicht die Misswirtschaft dieser Bundesregierung. Aber Rücklagen, meine Damen und Herren, kann man nur einmal aufbrauchen. 2022, also nach der nächsten Bundestagswahl, sind explodierende Zusatzbeiträge so sicher wie das Amen in der Kirche. Herr Minister, es ist wirklich mies, die Menschen derartig hinters Licht zu führen!
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Spahn, Sie haben in den letzten drei Jahren zahlreiche kostspielige Gesetze auf den Weg gebracht, ohne sich um eine nachhaltige Gegenfinanzierung zu kümmern. Nach Schätzungen der AOK werden sich 2021 die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung um 9,5 Milliarden Euro erhöhen, im Jahr 2022 werden es sogar 10,3 Milliarden Euro sein – jährlich, wohlgemerkt. Und dann fehlt 2022 auch noch die künstliche Spritze, die 8 Milliarden Euro aus den Rücklagen. Zusammen macht das 2022 ein Loch, eine Finanzierungslücke, von sage und schreibe 18,3 Milliarden Euro, Herr Minister. Das wäre eine Erhöhung der Beiträge um rund 1,2 Prozentpunkte.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Nicht hinnehmbar!)
Meine Damen und Herren, Die Linke lehnt entschieden ab, kleine und mittlere Einkommen noch stärker zu belasten.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Minister, große Teile Ihrer Reform belasten die gesetzlich Versicherten völlig unnötig, weil sie zu keiner qualitativ nachweisbaren Verbesserung der Versorgung führen. Nach dem Digitale-Versorgung-Gesetz werden beispielsweise digitale Gesundheitsleistungen wie die Gesundheits-Apps ohne nachgewiesenen Nutzen von der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert, Kostenpunkt: 1 Milliarde Euro. Das ist Wirtschaftsförderung für die IT-Industrie auf Kosten der Versicherten. Die Linke lehnt das ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Terminservice- und Versorgungsgesetz führt bereits in diesem Jahr zu Mehrkosten von 2,3 Milliarden Euro. Aber das zusätzliche Geld für ärztliche Leistung hat weder an dem Problem des Ärztemangels in ländlichen Regionen noch an den langen Wartezeiten für die Versicherten etwas geändert. So diente Ihre Reform vor allem dem Zweck, Ärztinnen und Ärzte durch zusätzliche Einnahmen auf Ihre Linie zu bringen, ohne zusätzlichen Nutzen für die Patientinnen und Patienten. Diese Verschwendung von Beiträgen muss ein Ende haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun zur Bilanz Ihrer Politik, Herr Minister. Zu Beginn dieser Wahlperiode hatten die gesetzlichen Krankenkassen Rücklagen in Höhe von 30 Milliarden Euro. Der Zusatzbeitrag lag durchschnittlich bei 0,9 Prozent. Im Jahr 2022 wird der Zusatzbeitrag nach Schätzung der Kassen auf 2,5 Prozent ansteigen; das ist fast eine Verdreifachung.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Boah!)
Die Rücklagen werden dann nur noch die Mindestreserve betragen. Das hieße sage und schreibe 600 Euro mehr im Jahr an Beiträgen für jeden Versicherten und seinen Arbeitgeber. Das geschieht aber, wie gesagt, erst 2022, damit die Wählerinnen und Wähler Sie dafür nicht zur Verantwortung ziehen können. Meine Damen und Herren, das ist wirklich übelste Wählertäuschung.
(Beifall bei der LINKEN)
Stattdessen brauchen wir eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung, in die alle Menschen in Deutschland einzahlen. Reiche Menschen würden endlich angemessen an den Kosten unserer Gesundheitsversorgung beteiligt. Das Loch wäre gestopft, und für die meisten könnten die Beiträge sogar sinken. Meine Damen und Herren, dafür steht Die Linke.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Im Himmel gefüttert, auf Erden gemolken!)
Vielen Dank, Dr. Achim Kessler. – Nächste Rednerin: für Bündnis 90/Die Grünen Kordula Schulz-Asche.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7489361 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 199 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheit |