Franziska Giffey - Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das war ja schon sehr lebendig.
(Christian Dürr [FDP]: Das ist lebendig?)
Liebe Frau Deligöz, gerne gehe ich auf das, was Sie hier dargebracht haben, ein. Sie werden sich vorstellen können, dass ich Ihnen an vielen Punkten widersprechen werde.
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich gespannt!)
Wir verabschieden mit diesem Haushalt einen Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der mit über 13 Milliarden Euro der größte Etat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist. Das will ich erst mal festhalten.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
Wir haben im parlamentarischen Verfahren – da danke ich allen hier im Saal, die das möglich gemacht haben – 885 Millionen Euro zusätzlich zu einem schon sehr gut ausgestatteten Regierungsentwurf bekommen. Vielen Dank dafür!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind gesetzliche Leistungen! Da können Sie gar nichts anderes machen!)
Sie haben die Zuwächse beim Elterngeld, beim Kinderzuschlag, beim Unterhaltsvorschuss erwähnt.
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind gesetzliche Leistungen!)
Frau Deligöz, ich erinnere mich, dass Sie kritisiert haben, dass zu wenige Eltern vom Kinderzuschlag profitieren. Ich kann Ihnen sagen: Wir haben im Jahr 2020 die Zahl der Kinder, die vom Kinderzuschlag profitieren, verdreifacht, auf fast 900 000.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Womit hatte das zu tun? Wir haben in der Krise sehr schnell reagiert. Es gab am 1. April 2020 den Notfall-Kinderzuschlag für Familien mit kleinen Einkommen. Davon haben fast 600 000 zusätzlich profitiert, zusätzlich zu den 300 000, die ohnehin schon dabei waren. Das bedeutet, dass wir Menschen erreicht haben mit dem Notfall-Kinderzuschlag, mit der Digitalisierung von Familienleistungen.
(Beifall bei der SPD)
Das, was wir mit unserem 13-Milliarden-Euro-Etat machen, ist ja bei Weitem nicht alles. Unser Etat wird durch die Leistungen beim Kindergeld ergänzt, 40 Milliarden Euro, die zwar nicht bei uns veranschlagt sind, aber die trotzdem den Familien zugutekommen.
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Deligöz?
Ja, bitte.
Frau Ministerin, ich finde es ja sehr spannend, dass Sie jetzt Kinderzuschlag und Elterngeld anführen. Ihnen ist doch klar, dass das gesetzliche Leistungen sind, worauf die Menschen Ansprüche haben, und dass ein Mehr an Geld nicht bedeutet, dass es auf Ihr Handeln zurückgeführt wird, sondern dass die Menschen Ansprüche darauf haben.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sönke Rix [SPD]: Wer regiert denn? Wer hat denn die Gesetze gemacht?)
Frau Ministerin, Ihnen ist doch auch bewusst, dass der Kinderzuschlag, den Sie jetzt umsetzen, ein Vorschlag der Grünen war und in der Grünenfraktion erstellt worden ist. Sich damit als fortschrittlich zu rühmen, Frau Ministerin, wie können Sie das unter der Maßgabe rechtfertigen, dass 2 Millionen Kinder in ALG II leben, für die es keinen Zuschlag gibt und für die es kein Cent mehr gibt, damit sie in der Pandemie die Mehrkosten tragen können? Wie können Sie das damit begründen, bitte?
Das begründe ich Ihnen sehr gerne, liebe Frau Deligöz: Wir haben den Notfall-Kinderzuschlag gestaltet, und das ist im Familienministerium gemacht worden und nirgendwo anders.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Er ist extra an die Zeiten der Pandemie angepasst worden. Auch die Digitalisierung der Beantragung des Notfall-Kinderzuschlags oder des Kinderzuschlags generell ist bei uns im Haus gemacht worden, ebenso die Maßnahmen, um die Familien zu informieren. Das ist geschehen mit den Kinder- und Jugendärzten, mit allen, die damit zu tun haben. Das haben wir gemacht, und ich bin sehr stolz, dass wir die Zahl der Bezieher verdreifacht haben.
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber Ihre Pflicht! Das ist doch keine politische Gestaltung!)
– Sie haben sich noch vor einem Jahr hier darüber erregt, dass nicht genügend Abrufquote da ist. Ich kann Ihnen heute berichten, ein Jahr später: Wir haben die Abrufquote der gesetzlichen Leistungen verdreifacht, und das ist ein Erfolg.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Frau Ministerin, der Kollege Aggelidis von der FDP hätte noch eine Zwischenfrage. Gestatten Sie die auch?
Ja, bitte, Herr Aggelidis. – Da kommen wir doch ins Gespräch; das ist doch auch schön.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Bei zwei Punkten möchte ich doch nachhaken. Sie haben die Verdreifachung der Inanspruchnahme erwähnt. Für uns, so sage ich jetzt mal, wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass wir eigentlich viel früher nahezu 100 Prozent haben. Deswegen stellt sich für mich die Frage: Brauchten wir tatsächlich diese Krise, damit wir dann innerhalb von zwei Monaten das schaffen, was Sie zwei Jahre vorher nicht geschafft haben? Das ist die erste Frage; sie drängt sich auf.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es stellt sich eine zweite Frage, gerade wenn Sie über das Elterngeld sprechen, das ja eine maßgebliche Leistung des Familienministeriums ist:
(Sönke Rix [SPD]: Sie haben auch noch eine eigene Redezeit!)
Wir bekommen seit drei Jahren eine Reform des Elterngeldes angekündigt. Sie haben dreimal den Gesetzentwurf angekündigt und dessen Vorlage verschoben. Der liegt jetzt immer noch nicht vor.
Was ist die Frage, Herr Kollege?
Ist das das, was Sie unter einer guten Dienstleistung, einer guten Arbeit für Eltern verstehen, drei Jahre lang eine Reform hier nicht vorzulegen?
Herr Kollege, Sie haben später noch Redezeit. Lassen Sie die Frau Ministerin antworten. – Bleiben Sie bitte stehen.
Frau Ministerin, wollen Sie darauf antworten?
Also, Herr Aggelidis, zum Ersten: Ich weiß nicht, wie Ihre Informationen sind. Aber der Gesetzentwurf zur Reform des Elterngeldes ist im Kabinett beschlossen worden und befindet sich im parlamentarischen Verfahren. Da bitte ich Sie doch, sich das noch einmal anzusehen. Er müsste auch in Ihrem Büro schon angekommen sein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP])
– Also, es ist alles öffentlich. Wir haben das in der Pressekonferenz vorgestellt. Das Kabinett hat beschlossen. Jetzt ist das Parlament dran. Da bitte ich Sie, dass Sie sich das jetzt auch anschauen.
Zum Zweiten, dem Kinderzuschlag. Wie haben wir es geschafft, dass wir so hohe Steigerungen hatten? Sicher, die Pandemie hat einen Effekt darauf gehabt; das kann man sagen. Aber Sie müssen ja eines sehen: Wir haben am Anfang des Jahres, vor den Pandemiezeiten, unser Angebot Kids@Digital vorgestellt,
Ich muss Ihnen sagen: Die Reaktionen der Eltern, der Kinder- und Jugendärzte, der Familienzentren sind absolut positiv, weil sie nämlich dabei waren, als das neue Antragsformular erarbeitet worden ist. Seitdem haben wir auch deshalb mehr Zugriff, weil mehr Menschen tatsächlich sagen: Das ist so einfach gemacht, das mache ich, und das schaffe ich. – Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Familienkasse, die das in den letzten Monaten geleistet haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wo war ich stehen geblieben? – Soll ich weitermachen, Herr Präsident?
(Heiterkeit)
Machen Sie ruhig weiter.
Ja, okay. – Wir haben ja nicht nur unseren Familienetat mit den 13 Milliarden Euro, sondern es geht weit darüber hinaus. Ich hatte das gesagt: Das Kindergeld, alleine 40 Milliarden Euro, läuft über das Bundesfinanzministerium. Dazu gehört aber auch der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, bei dem jetzt entschieden wurde, dass er verstetigt werden soll. Wir haben alleine 15 Milliarden Euro Beiträge des Bundes an die gesetzliche Rentenversicherung für die Kindererziehungszeiten und vieles, vieles mehr, natürlich auch das, was in den Ländern für die Familien geleistet wird. Das stärkt und unterstützt die Familien. Liebe Abgeordnete, ich danke Ihnen dafür, dass Sie das tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich will noch einige Dinge herausgreifen. Ich will herausgreifen, was uns wichtig ist. Wir machen mit diesem Etat Kinder und junge Menschen stark. Es ist hier schon angesprochen worden: Wir haben in der Pandemie natürlich besondere Herausforderungen zu bewältigen. Wir wissen, dass die Einrichtungen, die die Familien unterstützen, gerade im Moment auch schwere Zeiten haben. Die Familienerholungsstätten, die Jugendherbergen, die Orte, an denen Kinder- und Jugendarbeit sowie Kinder- und Jugendbildung stattfinden, sie können im Moment ihre Arbeit nicht so machen, wie man es gewohnt ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir dafür sorgen, dass all diese Einrichtungen noch da sind, wenn die Pandemie vorbei ist, und dass sie den Familien wieder zur Verfügung stehen. Deshalb ist es so wichtig, dass das Parlament auch für 2021 100 Millionen Euro zusätzlich für das „Sonderprogramm Kinder- und Jugendbildung, Kinder- und Jugendarbeit“ zur Verfügung gestellt hat. Vielen Dank dafür!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Lassen Sie mich vielleicht noch ein Wort zum Gute-KiTa-Gesetz sagen; das ist ja auch angesprochen worden. Wir haben hier als Bund eine Verpflichtung in einer Größenordnung vorgesehen, die bisher noch nie da gewesen ist: bis 2022 5,5 Milliarden Euro für mehr Qualität und weniger Gebühren. Wir haben die Umsetzung in den Ländern; es funktioniert, auch in den Pandemiezeiten. – Sie können sich das auf unserem Gute-KiTa-Portal anschauen, wo für jedes einzelne Land die Maßnahmen dargestellt sind.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Zur Frage, wie die Finanzierung nach 2022 weitergeht, will ich noch mal ganz klar sagen, Frau Deligöz – ich sage es ganz deutlich, und ich habe mich heute auch noch mal mit dem Bundesfinanzminister dazu abgestimmt –: Der Bund wird auch über 2022 hinaus seine Verantwortung für die Weiterentwicklung der Qualität und Teilhabe in der Kindertagesbetreuung wahrnehmen. So hat es die Bundesregierung im Kabinett – es wurde die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ eingesetzt – beschlossen, und wir haben das auch im Regierungsentwurf des Haushalts 2021 und in der Aufstellung des Finanzplanes bis 2024 bekräftigt. Das sind Fakten, darauf haben wir uns verständigt, und das gilt auch, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zur Engagement- und Demokratieförderung ist schon viel gesagt worden. Wir haben hier einen klaren Schwerpunkt gesetzt. Ich finde es richtig, gerade in diesen Zeiten das Programm „Demokratie leben!“ noch besser auszustatten. Wir haben es aufgestockt; das wurde schon gesagt. Ich möchte ganz klar sagen: Gerade in einer Zeit, in der sich zunehmend Menschen vielleicht abwenden, sich gegen die Demokratie stellen, ist es umso wichtiger, dass wir uns dafür einsetzen und dass wir dafür arbeiten, dass dieses wichtige Signal gegen jeden Extremismus, gegen jede Menschenfeindlichkeit ausgesandt wird.
(Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich möchte mir eines heute wünschen. Ich wünsche mir, dass viele von uns im kommenden Jahr von diesem Pult aus sagen können: Wir sind gut durch das Jahr gekommen. Wir haben diese Krise überwunden, weil wir Verantwortung übernommen haben, weil wir vernünftig, solidarisch und rücksichtsvoll miteinander umgegangen sind und weil wir verzichtet haben, und dies dafür, dass es allen Generationen gut gehen kann, weil wir unsere eigenen individuellen Interessen ein Stück weit zum Wohle der Allgemeinheit zurückgestellt haben, ganz in dem Sinne, wie es die Bundeskanzlerin hier gestern auch so eindrucksvoll gesagt hat.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich wünsche uns allen, dass wir gut durch diese Zeit kommen. Dieser Haushalt 2021, er macht die Familien stark, er gibt Kindern und Jugendlichen Perspektiven, er sorgt dafür, dass wir den sozialen Zusammenhalt in unserem Land stärken, und er kümmert sich darum, dass wir das Verhältnis von Jung und Alt, die Gleichstellung von Frauen und Männern, aber auch das Zusammenleben insgesamt gut gestalten können.
Ich möchte mich für Ihre Unterstützung herzlich bedanken.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Der nächste Redner ist der Abgeordnete Martin Reichardt, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7489377 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 199 |
Tagesordnungspunkt | Familie, Senioren, Frauen und Jugend |