Christoph MeyerFDP - Verkehr und digitale Infrastruktur
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn erst einmal mein Dank an den Hauptberichterstatter Kruse, an die Mitberichterstatter und auch an Andreas Scheuer und sein Haus für die gut durchgeführten Beratungen. Aber, Herr Scheuer, ich sage es gleich vorweg: Die Kritik bleibt: Bei Ihnen dauert alles länger, kostet alles mehr als veranschlagt, oder die Mittel werden gar nicht erst abgerufen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit der Rechtmäßigkeit und vor allem mit der Verfassungsmäßigkeit der Projekte haben Sie manchmal so Ihre Probleme, zumindest wenn man dem Rechnungshof folgt. Beispiele: Digitaler Knoten Stuttgart, Finanzierung von rollendem Material durch den Bund. Auch bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen drängt sich der Eindruck auf, dass in Ihrem Haus das Ergebnis immer schon klar ist, bevor die Untersuchung durchgeführt wird. Beispiele: Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft oder das eben so gelobte Deutsche Zentrum Mobilität der Zukunft.
Und auch das, was vorhin ebenfalls von Herrn Kruse gelobt wurde – die vier zusätzlichen Satellitenstandorte –, wirft Fragen auf. Warum gerade diese vier Standorte? Hamburg, Annaberg-Buchholz, Karlsruhe, Minden – da drängt sich der Eindruck auf, dass hier, hübsch verpackt, vier Wahlkreisgeschenke gemacht werden, in alle Himmelsrichtungen verteilt. Auch das ist Realität in Ihrem Haus, Herr Scheuer.
(Beifall bei der FDP)
Außerdem, Herr Minister: Warum werden sehenden Auges Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der Deutschen Bahn in Zeiten der Coronapandemie hingenommen? Wie wäre es statt einer Eigenkapitalerhöhung mit einer Senkung der Trassenpreise, die allen hilft, auch den Wettbewerbern? Und was ist mit dem Eigenbeitrag, den die Bahn leisten soll zum Ausgleich der Coronaschäden? Der Bundesrechnungshof befürchtet zu Recht, dass Sie sich hier von der Bahn über den Tisch ziehen lassen werden. Falsch an der Aussage ist nur, dass nicht nur Sie, sondern wir alle von der Bahn über den Tisch gezogen werden.
(Beifall bei der FDP)
Wenn wir schon bei dem Thema Eigenkapitalerhöhung sind: Wir haben jetzt erfahren, dass das Notifizierungsverfahren in Brüssel noch nicht mal begonnen hat. Da werden Sie an zentralen Fragen nicht vorbeikommen. Entweder die Bedenken in Brüssel sind so gravierend, dass Ihr gesamtes sogenanntes Drei-Säulen-Modell, das im Grunde genommen gar nicht mehr existiert, auf der Kippe steht, oder es mangelt Ihnen an Gewicht und Unterstützung seitens der Bundesregierung und in Brüssel. Beides ist desaströs, und beides wird uns in den nächsten Monaten noch viel Geld kosten.
(Beifall bei der FDP)
Wenn wir jetzt bei der Bahn sind: Wie sieht es mit der Verschuldungsgrenze der Bahn aus? Sie haben im November noch gesagt, dass Sie davon ausgehen, dass die 30 Milliarden Euro ausreichen werden; das ist zumindest die Aussage von Ihrem internen Controlling. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das zutrifft. Vielleicht können Sie Ihre Rede heute als Gelegenheit nutzen, um klarzustellen, ob die Schuldengrenze von 30 Milliarden Euro, wie sie der Haushaltsausschuss beschlossen hat, zum 31. Dezember 2020 nach wie vor Bestand hat oder eben keinen Bestand hat.
Und wenn wir schon dabei sind, bliebe noch eine Frage offen; das geht aber eher an die Kollegen der Koalitionsfraktionen. Wir haben im Haushaltsausschuss einen Maßgabebeschluss gefasst, der besagt, dass Sie im vierten Quartal 2020 mit uns zusammen im Haushaltsausschuss einen neuen Mechanismus für die Schuldenobergrenze beschließen wollen. Kann ich davon ausgehen, dass nächste Woche im Haushaltsausschuss von Ihnen ein entsprechender Antrag vorgelegt wird, oder müssen wir auch hier davon ausgehen, dass Sie als Haushälter das Treiben der Bahn und des Hauses so mit sich machen lassen?
Keine Haushaltsberatung, Herr Scheuer, ohne den Hinweis auf Ihre Ausgabenreste. Herr Kollege Kruse, es war interessant, dass Sie dazu in Ihrer Rede gar nichts gesagt haben. Diese Ausgabenreste belaufen sich mittlerweile auf 4,6 Milliarden Euro. Herr Seehofer ist Ihnen zwar eng auf den Fersen, dennoch haben Sie hier die rote Laterne. Die Tendenz wird auch 2021 weiter steigend sein.
Auch wenn Sie es ungern hören, Herr Scheuer: Ich erinnere Sie an die ersten Haushaltsberatungen in dieser Legislaturperiode, wo Sie vollmundig gesagt haben, dass Sie sich an dem Abbau genau dieser Ausgabenreste messen lassen wollten, als Erfolgskontrolle, zu der Sie auch stehen wollten. Nun gründen Sie eine neue Unterabteilung, um das Problem anzugehen. Deutlicher könnte man sein eigenes Scheitern nicht dokumentieren, als jetzt eine neue Unterabteilung zu gründen, um die Probleme anzugehen, die man selbst im Laufe von drei Jahren nicht gelöst hat.
(Beifall bei der FDP)
Mautdebakel, Autobahn GmbH – wozu mein Kollege Reuther gleich noch etwas berichten wird –, Bahndesaster, Ausgabenreste, Flughafen Berlin Brandenburg GmbH usw. usf. – was Ihnen in den letzten drei Jahren an Kontrolle entglitten ist, schaffen andere noch nicht mal in drei Legislaturperioden. Und das Erschreckende ist: Ich weiß nicht genau, ob Sie Ihr Haus nicht im Griff haben oder ob das Haus Sie nicht im Griff hat; beides ist gleichermaßen desaströs.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Wir nähern uns dem Ende des heutigen Plenartages. Heute haben die Minister Seehofer und Giffey ihren Etat das letzte Mal verteidigt; sie scheiden freiwillig im nächsten Jahr aus. Nehmen Sie sich daran doch ein Beispiel: Gehen Sie, bevor Sie im nächsten Jahr gegangen werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Ich erteile das Wort der Kollegin Kirsten Lühmann, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7489394 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 199 |
Tagesordnungspunkt | Verkehr und digitale Infrastruktur |