Otto FrickeFDP - Arbeit und Soziales
Geschätzter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes fange ich mit dem Dank bei den Berichterstattern an. Es ist wirklich ein hochkomplexer Einzelplan, der nicht nur ob seiner Größe, ob seiner Verantwortung, sondern auch ob seiner Differenziertheit einer guten Beratung bedarf. Liebe Ekin – ich darf dich mit deinem Vornamen ansprechen-, du hast mit dafür gesorgt, dass die Spreu vom Weizen getrennt wurde an der Stelle, und das war auch sehr, sehr wichtig. Es ist aber auch wichtig in einer solchen Debatte wie heute hier, die Dinge nicht durcheinanderzubringen, wie das der Kollege Gröhe gerade eben wieder in einer sehr typischen Art und Weise gemacht hat.
Meine Damen und Herren, wir sind in den Sozialhaushalten wieder in einer Phase, die mich sehr daran erinnert, wie es am Ende von Rot-Grün war: Man erkennt, dass es so nicht weitergeht, und der erste Versuch – den auch diese Regierung wieder macht – ist: Alles weiter wie bisher, neue Leistungen dazu, mehr Geld ausgeben, in die Verschuldung gehen – um dann der nächsten Regierung die Erkenntnis zu überlassen, dass man davon wieder zurückmuss. Das ist keine vorausschauende Sozialpolitik. Was Sie hier mit dem Sozialhaushalt machen, ist Wahlkampf.
(Beifall bei der FDP)
Herr Gröhe, ich fand es schon bemerkenswert, wie Sie gesagt haben: Die Kassen waren voll. – Das sind aber nicht Ihre Kassen. Das waren auch nie Ihre Kassen, Herr Gröhe.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Ich habe von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gesprochen!)
Das waren nie die Kassen der Politik. Es sind auch nicht die Kassen von Herrn Heil, bei dem ich genau weiß, dass er da differenziert. Es ist auch nicht der Steuerzahler, Herr Gröhe, sondern es sind die Beitragszahler gewesen, die die Arbeitslosenversicherung so stark gemacht haben.
(Beifall bei der FDP)
Das ist das, was Sie einfach nicht sehen wollen: Es sind Gelder von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Jetzt sagen Sie: Ja, wir haben da reagieren müssen. – Richtig, wir haben reagieren müssen. Aber Sie müssen sich doch in der Notsituation, in der wir uns befinden – es wird von allen bestätigt, dass wir in einer solchen sind –, fragen: Wenn man in Not ist, wie muss ich dann reagieren? Dann muss ich die Schwächsten schützen. Dann muss ich nicht neue Leistungen ausbauen – darüber kann ich nach der Notsituation einen politischen Diskurs führen. Was Sie aber machen – das sieht man sowohl an der Kurve der Zuschüsse für die Bundesagentur für Arbeit als auch an der Kurve der Zuschüsse für die Rentenversicherung –: Sie tun so, als würde es diese Notsituation nicht geben,
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Ach!)
und überlassen es der nächsten Regierung, dann festzustellen: Liebe Leute, es geht doch nicht so weiter.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ist ja schlimmer als Brüning!)
Jetzt sehe ich das Kopfschütteln. Jetzt frage ich Sie, Herr Gröhe: Sagen Sie uns hier, sagt die CDU uns hier, dass das, was Sie jetzt an finanziellen Mitteln zur Verfügung stellen, was Sie gemeinsam beschließen mit der Grundrente – die Sie ja eigentlich gar nicht haben wollten –, in der nächsten Legislatur ausreicht? Ich merke nur eines: Ihre Fraktion sagt sowohl bei der Frage der Einhaltung der Schuldenbremse nichts mehr davon, dass sie das tun will, als auch beim Thema Steuererhöhungen. Ich habe das Gefühl, dass Ihre Aussagen, die Sozialabgaben bei 40 Prozent zu halten, gleichzeitig aber alle Leistungen beizubehalten, nichts anderes bedeuten, als dass der staatliche Zuschuss steigen muss. Und das können Sie nur wie machen? Genau: mit Steuererhöhungen. Und das ist das – bei einem Sozialstaat, wie Sie ihn haben wollen –, was Sie vorher nicht sagen, sondern was Sie uns allen und den Bürgern immer erst nach der Wahl sagen.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, ich will mich kurz noch mit der Bundesagentur für Arbeit beschäftigen. Herr Minister, da habe ich eine Bitte. Die Anforderungen an die Bundesagentur für Arbeit werden – auch aufgrund personeller Veränderungen, die ja klar sind – sehr hoch sein. Sie werden im Bereich der Digitalisierung sehr, sehr hoch sein. Ich habe eine Bitte: Nicht vor der Bundestagswahl wieder nach politischer Parität – die Schwarzen kriegen einen, die Roten kriegen einen, und Bayern kriegt irgendwas anderes – vorgehen, sondern bitte nach dem Motto vorgehen, qualifizierte Leute zu bekommen. Gerade beim Thema Digitalisierung brauchen wir eine Bundesagentur für Arbeit, die den Schritt in die nächste Generation macht und die nicht von parteipolitischen Dingen geführt wird, sondern von Verstand, Sachverstand, so wie es dringend notwendig ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, wir müssen – das gehört zur Sozialpolitik dazu – auch ehrlicherweise zugeben, dass viele Arbeitsplätze, die jetzt noch da sind, verschwinden werden. Wir müssen aber – und das ist das Wichtige – klarmachen, dass, wenn es um den Erhalt von Arbeitsplätzen geht, wir damit meinen: Arbeitsplätze insgesamt. Denn eines ist doch ganz klar – das können wir doch bei der Rentenversicherung sehen –: Hätten wir in den letzten Jahren nicht diese wunderbaren Zahlen auf dem Arbeitsmarkt gehabt – es waren 16 Prozent mehr beitragspflichtig Beschäftigte; es waren 33 Prozent weniger Arbeitslose als 2009 noch prognostiziert –, dann wären uns die Sozialkassen an der Stelle explodiert, und wir hätten, weil es unsere Pflicht in einem Sozialstaat ist und weil es auch essenzielle Voraussetzung für unser Miteinander ist, über andere Zuschussmaßnahmen reden müssen.
Wir müssen die Herausforderung erkennen, die darin besteht, dass folgende Generationen und vor allen Dingen meine Generation – Jahrgang 65, Babyboomer – es uns sehr, sehr übel nehmen werden, wenn wir ihnen in der Rentenpolitik nicht deutlich zeigen, dass wir es trotz des sich verändernden Verhältnisses von Arbeitenden zu Leistungsempfängern schaffen, diese zu stabilisieren. Dafür muss man etwas tun.
Ich möchte zum Schluss sagen: Man muss in einer Krise ehrlich sagen, dass man bei neuen Leistungen auf den Pausenknopf drücken muss. Man muss ehrlich sagen, an welcher Stelle man verzichten kann, um das zu erhalten, was essenziell für die Bundesrepublik Deutschland ist: ein funktionierender Sozialstaat.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Kipping, Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7489443 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 200 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |