Katja KippingDIE LINKE - Arbeit und Soziales
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal kann es verdammt schnell gehen: Gerade noch läuft das Geschäft gut, gerade noch sind die Auftragsbücher voll, und plötzlich droht das berufliche Aus. – Ja, Corona hat uns vor Augen geführt, wie schnell man unverschuldet in existenzielle Nöte rutschen kann. Insofern sollten wir aus dieser Zeit eine wichtige Lehre ziehen: Wir brauchen ganz dringend soziale Garantien, die alle vor Armut schützen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Leider hat diese Regierung bei ihrer Coronapolitik drei Gruppen bisher vernachlässigt. Erstens: die Ärmsten, denen Sie einen Coronaaufschlag bisher verweigern. Zweitens: Rentnerinnen und Rentner, Studierende und alle, die auf Minijobs angewiesen waren, die nun weggebrochen sind. Und drittens: Freischaffende, Soloselbstständige, deren höchste Kosten die eigenen Lebenshaltungskosten sind, die eben bei den Wirtschaftshilfen nicht vorgesehen sind.
Dieser Haushalt ist insofern auch Ausdruck der Ignoranz gegenüber denen, die besonders von der Krise gebeutelt sind. Dieser Haushalt basiert auf gezielt kleingerechneten Hartz-Regelsätzen. Schon deshalb werden wir als Linke diesem Haushalt nicht zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir beantragen stattdessen Sozialleistungen, die vor Armut schützen, und mehr Geld für den sozialen Arbeitsmarkt, um jenen zu helfen, denen es besonders schwerfällt. Das ist auch finanzierbar, wenn wir endlich Millionengewinne und Millionenerbschaften ordentlich besteuern.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Familienunternehmen hierzulande liegt ihre Belegschaft am Herzen. Aber es gibt eben auch Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf besonders ausbeuterischen Arbeitsbedingungen basiert. Und just diese fallen auch durch besondere Nachlässigkeit beim Infektionsschutz auf.
Nehmen wir nur mal Amazon. Dieser Konzern macht gerade das Geschäft seines Lebens. Er verweigert den Beschäftigten höhere Löhne. Um nur ein Beispiel zu nennen: Am Amazon-Standort in Augsburg sind von insgesamt 1 800 Beschäftigten 300 infiziert. Das zeigt doch, dass dort beim Infektionsschutz geschlampt wird. Ein anderes Beispiel sind Schlachtunternehmen wie Tönnies, wo es immer wieder zu Ausbrüchen kommt.
Ich sage: Die Nachlässigkeit von Amazon, Tönnies und Co reißt ein, was Millionen Familien mit Einschränkungen beim Infektionsschutz leisten. Wenn der Lockdown nun verschärft werden muss, dann liegt das auch daran, dass diese Regierung bisher nicht den Mut hatte, die großen Konzerne wie Amazon und Tönnies verbindlich in die Pflicht zu nehmen beim Infektionsschutz, und das muss sich ändern!
(Beifall bei der LINKEN)
Das Arbeitsschutzkontrollgesetz für die Fleischindustrie, das die CDU lange verhindert hat,
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Blödsinn! Das ist doch wirklich Quatsch! Einfach Quatsch! – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch, das ist schon so!)
ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich sage aber auch: Damit es wirklich wirkt, brauchen wir jetzt mehr Personal für unangekündigte Kontrollen bei diesen großen Unternehmen.
(Beifall bei der LINKEN – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Kann ja Thüringen vorangehen! Ländersache!)
Doch es gibt auch eine ermutigende Entwicklung, die mich als Ostdeutsche besonders freut: Es gibt inzwischen im Osten eine neue Bereitschaft, für ordentliche Löhne zu streiten – sei es beim Bautz’ner Senf, bei den Riesaer Nudeln, bei den Lausitzer Früchten oder, ganz aktuell, beim Balzer Kabelwerk in Meißen. Den dortigen Warnstreik im Morgengrauen durfte ich am Dienstag besuchen. In Meißen zum Beispiel kämpfen die Kolleginnen und Kollegen für eine Selbstverständlichkeit: einen Tarifvertrag. Ja, höhere Löhne sind gut und wichtig für die Binnenkaufkraft. Wer mehr in der Lohntüte hat, kann auch mehr ausgeben, und das ist gut für die krisengebeutelten Läden und Kneipen vor Ort.
(Beifall bei der LINKEN)
Allen Beschäftigten, denen der Chef immer noch einen Tarifvertrag verweigert, sage ich: Euch steht ein Tarifvertrag zu. Verbündet euch! Beratet euch mit den Gewerkschaften vor Ort, und kämpft für das, was euch zusteht! – Höhere Löhne sind gut für das ganze Land, damit wir alle sozial durch diese Krise kommen.
(Beifall bei der LINKEN)
Kurzum: Die Zeit ist reif für soziale Garantien und ordentliche Löhne.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Nächster Redner ist der Kollege Sven Lehmann, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7489446 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 200 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |