Gesine LötzschDIE LINKE - Haushaltsgesetz 2021
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben zu Anfang dieser Woche die Frage gestellt: Wer soll die Pandemierechnung bezahlen? – CDU/CSU und SPD drücken sich vor der Antwort und wollen es erst nach der Wahl sagen. Das lassen wir ihnen nicht durchgehen, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN)
Die Union will ja nach der Wahl die Schuldenbremse wieder anziehen. Wir wollen – in der Tat – eine Vermögensabgabe für Milliardäre, so wie es unser Grundgesetz vorsieht. Das ist der Unterschied, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN)
Aber auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD wollen eigentlich die Vermögenden stärker besteuern. Ich bitte Sie: Reden Sie nicht nur im Wahlkampf darüber, machen Sie auch ernst, liebe SPD!
(Beifall bei der LINKEN)
Es gab ja zu Beginn der Pandemie bei vielen die Illusion, die Gesellschaft würde jetzt näher zusammenkommen. Der Befund ist: Das Gegenteil ist passiert. Die Politik der Bundesregierung hat weiter zur Spaltung beigetragen. Hilfen wurden ungerecht verteilt. Milliardäre wurden gerettet, und fast 1 Million Niedriglöhner haben ihre Arbeit verloren und fallen durch die sozialen Netze. So kann das nicht weitergehen!
(Beifall bei der LINKEN)
Wir haben drei Fragen gestellt: Ist der Haushalt sozial, ist er friedlich, ist er klimafreundlich?
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Und alle drei konnten mit Ja beantwortet werden!)
Alle drei Fragen mussten wir mit Nein beantworten.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Drei falsche Antworten!)
Er ist nicht sozial, weil er zu wenig gegen die soziale Spaltung unserer Gesellschaft tut. Er ist nicht friedlich, weil er mit über 53 Milliarden Euro – nach NATO-Kriterien berechnet – zur Aufrüstung der Bundeswehr beiträgt. Und er ist nicht klimafreundlich, weil Menschen mit dem größten CO
(Beifall bei der LINKEN)
Ich will aber bei der Bewertung des Haushalts Union und SPD nicht über einen Kamm scheren. Hubertus Heil ist ehrlich bemüht, etwas für Rentnerinnen und Rentner, Arbeitslose und Niedriglöhner zu tun.
(Beifall der Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] und Michael Groß [SPD])
Doch schauen wir uns den Befund an. Der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sagt: 13 Millionen Arme. – Das können wir nicht hinnehmen. Das entspricht nicht unserem Menschenbild.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich sage Ihnen: Das Grundproblem liegt doch nicht in den einzelnen Haushaltszahlen, sondern es liegt im gesamten Politikansatz. Schauen wir uns nur die Bereiche Wohnen, Gesundheit, Bildung, Verkehr und Rente an. In allen diesen Bereichen wurde das Profitprinzip der Neoliberalen eingeführt. Der Markt sollte den Wohnungsbau, das Gesundheits-, Bildungs-, Verkehrs- und Rentensystem auf Vordermann bringen. Doch das Ergebnis ist: Diese Politik ist gescheitert.
(Beifall bei der LINKEN)
Es fehlen nämlich preiswerte Wohnungen, es fehlt Pflegepersonal in den Krankenhäusern,
(Otto Fricke [FDP]: Insbesondere in Berlin!)
es fehlen Fachkräfte an allen Ecken und Enden, die Autobahnprivatisierung ist ein Desaster, und die kapitalgedeckte Riester-Rente ist gescheitert. So kann das nicht weitergehen!
(Beifall bei der LINKEN)
Ihre Formel „Was sich nicht rechnet, wird eingespart“ hat fatale Folgen. Vorratswirtschaft war angeblich falsch. Die Neoliberalen wollten alles just in time, also genau auf die Sekunde machen. Das solle Kosten sparen. Welch fataler Irrtum! Das müssen wir jetzt alle gemeinsam ausbaden.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Gesundheitsminister hat Masken und Schutzausrüstungen zu Wucherpreisen aufkaufen müssen. Doch er scheitert natürlich, wenn es ums Pflegepersonal geht. Menschen kann man nicht just in time, also über Nacht, wie bei Amazon bestellen. Und das ist auch gut so, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN)
Ich sage Ihnen: Wer eine Gesellschaft wie ein Onlinekaufhaus organisieren will, muss scheitern. Ein Krankenhaus kann nicht wie eine Schraubenfabrik auf Profit getrimmt werden. Im Krankenhaus sollen der Patient und die Patientin und natürlich auch die Menschen, die dort arbeiten, im Mittelpunkt stehen und nicht die Fallpauschale und nicht der Profit. Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN)
Ich sage Ihnen auch: Wenn wir die Krankenhäuser nicht von den Pandemielasten befreien, werden wir nach der Pandemie noch weniger öffentliche Krankenhäuser haben als vor der Pandemie. Das müssen wir verhindern!
(Beifall bei der LINKEN)
Selbst die Bundeswehr sollte ja zu einem Unternehmen umgebaut werden. Frau von der Leyen und ihre Unternehmensberaterin sind bei dem Versuch grandios gescheitert.
(Zuruf des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU])
Die Ausgaben für die Bundeswehr steigen seit Jahren in einem atemberaubenden Tempo. Aber die Bundeswehr wirkt wie ein Durchlauferhitzer: Das Geld wird an Airbus und Rheinmetall durchgereicht. Die liefern dann zu überhöhten Preisen alles Mögliche, was angeblich oder wirklich nicht funktioniert, und die Rendite von Airbus und Rheinmetall stimmt. Dieses Geld können wir besser für soziale Zwecke verwenden, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN)
Viel wurde natürlich auch über die innere Sicherheit gesprochen und über das Geld, das dafür zur Verfügung gestellt werden muss. Auch hier muss man grundsätzlich herangehen; denn das Grundproblem der inneren Sicherheit ist nicht mit Polizei und Geheimdiensten zu lösen. Wirklich extrem ist das zerstörerische Profitstreben. Das muss beendet werden, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN)
Wer also wirklich etwas gegen Extremismus tun will, der muss
(Stephan Brandner [AfD]: Die Linke verbieten! Das wäre ein guter Schritt in die richtige Richtung! SED, PDS, Die Linke!)
sein Denken vom Profit auf sinnstiftende Zwecke umstellen.
Es gibt innovative Unternehmen, die sich vom Profitdenken verabschieden und einen sinnstiftenden Zweck verfolgen. Es haben inzwischen auch Unternehmen erkannt, dass Maximalprofit nicht die Lösung, sondern das Problem ist. Das sollten in diesem Haus hier alle verstehen, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN)
Verabschieden Sie sich also von der neoliberalen Ideologie. Globalisierung und Flexibilisierung sind kein Wert an sich. Wir haben doch erlebt, was es heißt, dass bestimmte Medikamente in Europa nicht mehr hergestellt werden. Antibiotika wurden in unserer Überflussgesellschaft plötzlich knapp. Die kapitalistische Globalisierung hat die Arbeitsteilung pervertiert. Sie ist zu einem Sicherheitsrisiko geworden. Wir als Linke wollen eine solidarische Globalisierung, die nicht auf Konkurrenz, sondern auf Zusammenarbeit beruht. Das ist der richtige Weg.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich sage Ihnen auch in aller Deutlichkeit: Nur so werden wir Kriege und Klimakatastrophen verhindern. Der marktradikale Flügel der Union ist ja immer noch ein großer Freund der Flexibilisierung. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen Tag und Nacht für Unternehmen verfügbar sein. Dem stellen wir uns entgegen, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN – Peter Beyer [CDU/CSU]: Ihre Rede ist komplett aus der Zeit gefallen!)
Ein Wort zur Außenpolitik. Viele Kolleginnen und Kollegen der SPD, aber auch von meiner Fraktion haben in dieser Woche an den historischen Kniefall von Willy Brandt am 7. Dezember 1970 erinnert. Ich glaube, es ist an dieser Stelle auch Zeit, an die Ostpolitik von Willy Brandt zu erinnern. Für Willy Brandt war eben damals die Sowjetunion nicht das Feindbild,
(Otto Fricke [FDP]: Ja! Aber einen Kniefall vor Honecker hat es nie gegeben!)
sondern er hatte erkannt, dass die Sowjetunion die Hauptlast bei der Befreiung Deutschlands vom Faschismus geleistet hat. Herr Maas, auch Sie sollten das wissen, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Oh Gott!)
Nun gibt ja der Finanzminister Scholz hier den Herdenschutzesel. Doch die Wählerinnen und Wähler sind keine Schafe. Sie sind selbstbewusst und lassen sich nicht per Verordnung herumkommandieren. Auch die emotionalen Appelle der Kanzlerin ändern doch nichts daran, dass sie für 15 Jahre Privatisierung und Mangelwirtschaft im Gesundheitswesen Verantwortung trägt.
Wenn Sie eine halbe Billion Euro im kommenden Jahr ausgeben wollen, klingt das beeindruckend. Aber mit einer Bazooka lassen sich Probleme lindern, nicht lösen. Nach der Finanzkrise kam die ökonomisch völlig unsinnige Politik der schwarzen Null; sie ist ja hier auch schon wieder beschworen worden. Diese Politik der schwarzen Null hat unser Land in eine Investitionskrise gestürzt.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: So ist es!)
Sie darf nach der Pandemie nicht fortgesetzt werden, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich! Meine Güte!)
Wir wollen endlich raus aus dieser Investitionskrise. Wir wollen in die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder investieren. Dafür brauchen wir bessere Schulen, preiswertere Wohnungen, leistungsfähigere Hochschulen und sichere Krankenhäuser.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Das alles ist auch bezahlbar, wenn wir endlich ein gerechtes Steuersystem durchsetzen, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN)
Ich kann es noch mal wiederholen: Wir wollen eine Vermögensabgabe. Natürlich sind wir auch für andere Formen der Gerechtigkeit offen; das ist doch völlig klar. Nach dem Corona-Lockdown, glaube ich, sollte auch die SPD sich fragen, ob sie das mit der CDU/CSU durchsetzen kann oder – weil es Ihnen vorhin so gut gefallen hat – sich nicht doch lieber dazu entscheidet, den Koalitionsstecker zu ziehen.
(Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU])
Denn die Union ist der Vermögensverwalter von Millionären und Milliardären. Mit ihr ist keine gerechte Gesellschaft zu machen.
Meine Damen und Herren, es ist ja vielen gedankt worden. Ich bedanke mich auch sehr herzlich beim Sekretariat.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bedanke mich natürlich auch bei den Kolleginnen und Kollegen für die Zusammenarbeit. Ich bedanke mich bei meiner eigenen Fraktion für die vielen guten Vorschläge, die Sie gemacht haben.
(Victor Perli [DIE LINKE]: Wir danken dir!)
Ich wünsche Ihnen allen eine gute Weihnachtszeit. Bleiben Sie gesund!
(Anhaltender Beifall bei der LINKEN – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frohe Ostern!)
Das Wort hat die Abgeordnete Anja Hajduk von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7489465 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 200 |
Tagesordnungspunkt | Haushaltsgesetz 2021 |