Lothar BindingSPD - Jahressteuergesetz 2020, Steuerrecht
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir haben heute sicher 100 komplizierte Einzelmaßnahmen zu besprechen.
(Michael Theurer [FDP]: Wir warten auf den Meterstab!)
Ich will mich auf drei konzentrieren, wobei zur Gemeinnützigkeit später noch der Kollege Michael Schrodi etwas sagen wird.
Ich komme zunächst zum Homeoffice. Das ist natürlich der aktuellen Lage geschuldet; viele Leute arbeiten in der Pandemie im Homeoffice. Nicht alle haben natürlich ein Arbeitszimmer. Daraus ergeben sich besondere Belastungen, und wir sind froh, dass wir in diesem Bereich jetzt eine gerechte Pauschale beschließen konnten – das haben wir gemeinsam gemacht, das ist sehr schön; darüber freuen sich schon die CDU/CSU-Kollegen –: 5 Euro pro Tag, bis zu 600 Euro im Jahr. Das wird steuerlich anerkannt und vermindert das zu versteuernde Einkommen; das ist sehr schön. Das ist eine Art Experiment auf zwei Jahre. Das ist ganz wunderbar; denn Hubertus Heil überlegt ja, das Recht auf Homeoffice einzuführen. Das können wir später sehr gut mit steuerlichen Maßnahmen kombinieren.
(Beifall bei der SPD)
– Das ist einen echten Applaus wert; das stimmt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben etwas Zweites gemacht, aber wir haben relativ lange gebraucht. Warum haben wir eigentlich so lange gebraucht? Na ja, wir haben lange diskutiert.
(Markus Herbrand [FDP]: Ja, genau!)
Die CDU/CSU wollte aus dem Jahressteuergesetz eigentlich eine Art Unternehmensteuergesetz machen – recht kompliziert –,
(Markus Herbrand [FDP]: Das wäre mal eine gute Idee gewesen!)
mit höheren Verlustrückträgen, Thesaurierungsbegünstigungen – das verstehen die wenigsten –
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Alles richtig!)
und Steuersenkungen für Unternehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Aber das Jahressteuergesetz ist ein Omnibusgesetz und für kleine Korrekturen infolge der EU-Gesetzgebung gedacht, zur Korrektur kleiner Fehler infolge veränderter Rahmenbedingungen. Es ist eben gerade nicht für große Reformen gedacht. – Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist, dass wir uns über den Begriff „Reform“ nicht einig sind; denn die CDU/CSU-Kollegen verstehen unter „Reform“ ausschließlich Steuersenkungen. Das verstehen wir nicht ausschließlich darunter; denn wir sagen: Wer in der Krise keine Gewinne macht, der hat überhaupt nichts von Steuersenkungen.
(Beifall bei der SPD)
Da hilft keine Unternehmensteuersenkung, das ist klar.
(Michael Theurer [FDP]: Verlustrückträge!)
Aber wer von staatlichen Hilfen profitiert, der soll fairerweise Steuern zahlen.
(Beifall bei der SPD)
Genau das ist die Symmetrie, in der wir denken. Ein Ansatz nach dem Motto „Hilfen rauf, Steuern runter“ ist kein Modell.
Es gab noch etwas ganz Spezielles. Kollege Gutting und Sebastian Brehm haben sehr stark für den 44-Euro-Sachbezug gekämpft.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Genau!)
Es stimmt: Das klingt gut. Ihr habt immer gesagt: für 6 Millionen Arbeitnehmer.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Beim ersten Hinsehen hilft das den Arbeitnehmern, motiviert sie und stärkt die Attraktivität der Arbeitgeber; es fühlt sich wie ein Geschenk an. Der BiberCard-Verein schreibt, dass die Mitarbeiter relativ wenig verdienen. Die erhalten ein zusätzliches Bonbon in Form eines Sachbezugs. Ehrlich gesagt, ich wäre dafür, wir heben die Löhne an und sorgen für eine faire Entlohnung, anstatt Bonbons zu verteilen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
So etwas wäre doch schöner und auch einfacher. Ihr habt euch ein kompliziertes System überlegt. Außerdem benachteiligt der Arbeitgeber die Beschenkten noch durch seinen Betriebsausgabenabzug und weil er keine Beiträge zahlt. Das heißt, die Beschenkten haben künftig eine geringere Rente, weil man ihnen Lohn vorenthält und ihnen stattdessen ein Bonbon gibt. Das halte ich für gefährlich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kerstin Tack [SPD]: Genau so ist das, Lothar!)
Ich will das schwierigste Beispiel nennen, das es gibt: Lieferando. Da müssen die Leute ihr eigenes Fahrrad nehmen – übrigens auch ihr eigenes Handy – und bekommen 10 Cent für die Abnutzung. Interessant ist: Das ist gedeckelt bei 440 Kilometern. Dreimal darf hier jeder raten: Das sind 44 Euro. Und diese 44 Euro werden ausbezahlt als was? Als ein Amazon-Sachgutschein. Diese Gestaltungen ermöglichen wir damit. Das ist eine Art der Entlohnung, die wir nicht wollen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich bin für faire Löhne, gute Arbeitsmittel, keine Bonbons.
(Zuruf von der CDU/CSU)
– Das ist genau der Punkt, ja. Ihr wolltet den regionalen Handel fördern – das wollen wir auch –; aber gleichzeitig hat der Kollege Brehm für, wie wir sagen, Open Loop gekämpft. „ Open Loop“ heißt: alles für alles. Du hast keine Sachbezugskarte, sondern eine Geldkarte. Das heißt, nicht der regionale Handel wird gefördert, sondern irgendwie der gesamte Handel. Faire Löhne sind besser als diese Sondertatbestände.
Jetzt steht hier: minus 11 Sekunden. Daran will ich mich halten, damit der Präsident mich nicht ermahnen muss.
Das ist sehr löblich.
Insofern sieht jeder: Es geht nichts über faire Löhne, aber es spricht so manches gegen diese Bonbons.
(Beifall bei der SPD)
Sehr gut. – Jetzt geht es weiter mit dem Abgeordneten, der sich mit Maske nähert: der Abgeordnete Kay Gottschalk, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7490634 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 201 |
Tagesordnungspunkt | Jahressteuergesetz 2020, Steuerrecht |