Alexander UlrichDIE LINKE - Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fünf Anträge zu teilweise ganz unterschiedlichen Themen in 30 Minuten; die große Überschrift ist „Stärkung eines sozialen Europas“. Ich glaube, wir Linken bemängeln schon, seitdem wir 2005 zum ersten Mal als Linke in den Deutschen Bundestag eingezogen sind, dass die soziale Dimension zu wenig ausgeprägt ist. Schon immer haben wir gesagt: Den Grundfreiheiten fehlt eine soziale Fortschrittsklausel. – Zu jeder Europawahl haben auch andere Fraktionen hier im Bundestag diese Forderung mit erhoben; aber wir haben bis zum heutigen Tag keine soziale Fortschrittsklausel. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft wurde mit diesem Thema leider auch nicht konfrontiert. Das wäre ein gutes Signal für ein soziales Europa gewesen, das wir weiterhin fordern.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die soziale Lage ist auch weiterhin schwierig; in vielen Ländern hat man immer noch nicht die Finanz- und Wirtschaftskrise tatsächlich verdaut. Jeder Fünfte in Europa ist armutsgefährdet, 10 Prozent Arbeitslosigkeit, und die Coronapandemie hat das Ganze noch erschwert. Deshalb brauchen wir mehr soziales Europa. Das, was die AfD heute hier in mehreren Tagesordnungspunkten gefordert hat, ist ja eigentlich: Man braucht kein soziales Europa; Europa soll sich raushalten. – Sie haben es heute fertiggebracht, dass Sie nun gegen die Mindestlohnrichtlinie vorgehen wollen.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Ja!)
Sie haben heute Mittag gegen den Kündigungsschutz bei Wirtschaftshilfen gestimmt. Sie haben in der Abstimmung über das Gesetz zur Arbeitsschutzkontrolle in der Fleischindustrie dagegengestimmt.
Deshalb sage ich: Was Sie hier machen, ist Neoliberalismus pur. Sie überholen die FDP bei diesen Punkten noch rechts. Sie haben für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land und in Europa überhaupt nichts übrig.
(Beifall bei der LINKEN – Norbert Kleinwächter [AfD]: Lesen Sie mal unser Sozialprogramm! Aber das bezieht sich eben auf die Bundesrepublik Deutschland und nicht auf die Europäische Union!)
Herr Aumer, Sie sagen, Sie hätten heute mit dem Gesetz für die Fleischindustrie Ihre Pflicht getan. Sie sind ja dazu gezwungen worden. Es geschah ja nicht aus freien Stücken, sondern wir haben auch da schon seit über zehn Jahren die Forderung erhoben, dass man in der Fleischindustrie genauer hinschauen muss. Was haben Sie gemacht? Die Pandemie kam. Wenn es durch Corona etwas Positives gibt, dann das, dass sogar die CDU/CSU gesagt hat: Wir müssen nun an dieses Thema ran. – Aber das ist nur ein Sektor. Wir haben viele andere Sektoren, wo es ebenfalls grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassungen oder ‑entsendungen gibt. Auch da müssen wir handeln. Wir als Linke fordern: Gleiches Geld für gleiche Arbeit am gleichen Ort, egal in welchem Sektor und – das ist auch wichtig – über die Fleischwirtschaft hinaus.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zum Mindestlohn, weil er auch ein Thema ist, das die AfD heute noch mal prominent aufsetzt. Ja, wir begrüßen als Linke, dass in der EU-Kommission die Initiative für einen europaweiten Mindestlohn ergriffen worden ist, der natürlich in jedem Land anders ist. Wir fordern 60 Prozent des Medianlohns; das wären in Deutschland übrigens 12 Euro. Deshalb: Olaf Scholz, der Finanzminister und Kanzlerkandidat, hat sich am Samstag wieder auf einer SPD-Veranstaltung hingestellt und für diese 12 Euro geworben. Ich frage mich: Was hat er als Vizekanzler in den letzten drei Jahren gemacht, um auf 12 Euro zu kommen? Wir haben jetzt die mickrigen 15 Cent Erhöhung.
Die SPD sagt samstags was, und montags macht sie im Bundestag das Gegenteil. Wir als Linke haben schon vor drei Jahren zum Bundestagswahlkampf gesagt: Wir brauchen 12 Euro, nicht irgendwann, sondern sofort.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb glaube ich: Die Anträge der Grünen werden wir wahrscheinlich sehr wohlwollend im Ausschuss begleiten. Das, was die FDP und die AfD wollen, ist ein Abgesang eines sozialen Europas. Die Union ist immer nur dann getrieben, wenn es gar nicht mehr anders geht. Deshalb glaube ich: Es ist auch heute wieder klar geworden, wer für ein soziales Europa steht: Die Linke auf jeden Fall.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Es macht sich bereit die Abgeordnete Dr. Saskia Ludwig. – Bitte schön, Frau Kollegin.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7490653 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 201 |
Tagesordnungspunkt | Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU |