17.12.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 202 / Tagesordnungspunkt 23

Peter HeidtFDP - Christenverfolgung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin evangelischer Christ. Evangelische Christen werden in Deutschland verfolgt, sind Straftaten ausgesetzt; also brauchen wir einen Beauftragten zum Schutz von evangelischen Christen. Ein Freund von mir ist Anhänger der christlich-orthodoxen Kirche. Orthodoxe Christen sind Opfer von Straftaten in Deutschland; also brauchen wir einen Beauftragten zum Schutz von orthodoxen Christen in Deutschland. Ein anderer Freund von mir ist Moslem. Moslems werden in Deutschland auch verfolgt; also brauchen wir einen Beauftragten für den Schutz von Moslems in Deutschland.

Angesichts der Vielzahl von Religionsgemeinschaften in Deutschland ist uns ja klar, wie viele Beauftragte wir insgesamt brauchen. Um das auf die Spitze zu treiben: Wir brauchen auch einen Beauftragten für die Menschen, die gerade keiner Religionsgemeinschaft angehörig sein wollen. An der Stelle wird deutlich, wie absurd, wie falsch der Antrag der AfD ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Sehr gute Argumentation!)

Ich will die Verfolgung von Christen in dieser Welt überhaupt nicht kleinreden. Es ist eine schmerzliche Tatsache, dass Christen in vielen Ländern dieser Welt verfolgt werden. Sie werden diskriminiert, vertrieben, verfolgt und auch gefoltert und ermordet. Die Schuldigen sind in den Anträgen der AfD schnell ausgemacht. Es heißt dort: „Es ist demnach davon auszugehen, dass die meisten christenfeindlichen Straftaten mutmaßlich durch radikale Muslime verübt werden.“ Sie sehen die Verfolgung von Christen einseitig als ein Problem von islamischen Staaten an. Es ist aber gerade nicht so, dass der Islamismus allein daran schuld ist.

(Beatrix von Storch [AfD]: Doch!)

Weltweit – Herr Kollege Grübel hat es gesagt – gerät das Menschenrecht auf Religionsfreiheit immer mehr unter Druck. Das gilt für alle religiösen Minderheiten, auch in Europa. Ein gutes Beispiel ist Herr Orban in Ungarn, der sich als Retter der Christenheit aufspielt.

Die Verfolger von Christen haben viele Gesichter. Beispiel China: Dort sollen die Religionen der sozialistischen Gesellschaft angepasst werden. Besonders den tibetischen Buddhismus, den Islam und das Christentum sieht die kommunistische Führung als Bedrohung für die eigene Machtbasis an. Nordkorea wirft Christen in Gefängnisse und foltert die Menschen. Opfer des „Islamischen Staates“ sind aber vor allem auch Muslime, die der Ideologie des IS nicht folgen. Das zeigt: Die Opfer kommen aus allen Religionen. Sie sind Christen, Juden, Hindus, Muslime, Buddhisten, Atheisten. Die Gründe sind vielfältig. Mit Ihren Anträgen werden Sie dem überhaupt nicht gerecht.

Herr Kollege Grübel, Sie haben auf Nigeria hingewiesen, auf den Konflikt vor allen Dingen zwischen Hirten und Bauern. Sie haben auch zu Recht auf das Amt des Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit hingewiesen. Wir begrüßen das, das ist gut und richtig so, wir unterstützen Ihre Arbeit, Kollege Grübel. Wir müssen uns als Menschenrechtler gerade dafür einsetzen, dass die Religionsfreiheit überall geschützt wird und nicht nur in Deutschland.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Einrichtung eines Beauftragten zur Bekämpfung von Christenfeindlichkeit in Deutschland wird der Vielfältigkeit von Religionen nicht gerecht. Sie spielen die Religionen gegeneinander aus. Wir brauchen einen interreligiösen Dialog, wir brauchen eine Stärkung der Zivilgesellschaft und nicht die Spaltung der Religionen. Das Thema zu nutzen, um sich als einsame Retter der Christen auf Kosten der Muslime aufzuspielen, ist schäbig, ist absurd, und man tut den Christen damit keinen Gefallen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Helge Lindh, SPD, ist der nächste Redner.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7490700
Wahlperiode 19
Sitzung 202
Tagesordnungspunkt Christenverfolgung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta