Rudolf HenkeCDU/CSU - Priorisierung bei der Schutzimpfung SARS-CoV-2
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Aschenberg-Dugnus, wir haben ein Gesetz.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
In dem Infektionsschutzgesetz, das wir durch das Bevölkerungsschutzgesetz geändert haben, haben wir die Ansprüche auf die Durchführung der Schutzimpfung geregelt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wir haben genau die Kriterien, die in der gemeinsamen Empfehlung der Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, und der Ständigen Impfkommission enthalten sind, auf die Sie sich beziehen, in das Gesetz hineingeschrieben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das sind die besonders vulnerablen Gruppen. Es sind diejenigen, die sich um die besonders vulnerablen Gruppen kümmern müssen. Es sind die, die für die Daseinsfürsorgefunktionen in unserem Land verantwortlich sind, und es sind diejenigen, die für die staatliche Funktionsfähigkeit erforderlich sind.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung aus der FDP-Fraktion?
Ja.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Henke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Es ist eigentlich mehr eine Bemerkung. Wir haben es mehrfach im Gesundheitsausschuss schon gesagt: Sie beziehen sich auf § 20i SGB V, der eingefügt wurde.
Zunächst mal: Allein das Gesetz müsste Ihnen doch schon zeigen, dass das keine Priorisierung ist, sondern nur eine Anspruchsgrundlage. Das SGB V gewährt Ansprüche. Es steht da, dass die Gruppen, die Sie nannten, einen Anspruch haben. Da ist kein Wort darüber, wie zu verfahren ist.
Ich verspreche Ihnen – dazu würde ich gern Ihren Kommentar hören –, dass die Gerichte das nicht mitmachen werden. Es wird Menschen geben, die sagen: Ich bin krank, oder ich habe ein großes Problem. Ich passe aber nicht in irgendeine Priorisierung, die Sie jetzt hier gemacht haben. Ich klage mich ein. – Ich verspreche: Es wird Gerichte geben, die per Eilverfahren den Impfzentren dazwischenfunken.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: So ist es!)
Sie produzieren auf diese Weise ein Chaos. Warum sehen Sie nicht ein: § 20i SGB V ist eine Anspruchsgrundlage, aber keine Priorisierung. Damit kommen Sie nicht weiter.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Henke.
Vielen Dank für diese Zwischenbemerkung oder Anfrage, Herr Schinnenburg. – Es ist so, dass das Gesetz eine Ermächtigung, eine Befugnis an den Bundesminister für Gesundheit enthält, die Einzelheiten in einer Rechtsverordnung zu klären. Jetzt kann man natürlich sagen: Ansprüche, die dort formuliert werden, gelten im SGB V nur für diejenigen, die auch Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen sind. – Das ist ja eines der Argumente, das Sie nach Lektüre der Bemerkungen aus dem Wissenschaftlichen Dienst auch betont haben. Es ist aber materiell so, dass jeder, der nicht in der gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, den gleichen Anspruch wie derjenige genießt, der in der gesetzlichen Krankenkasse versichert ist. Dafür beteiligt sich die PKV, beteiligen sich andere Finanziers an den Kosten. Aber die Anspruchsgrundlage ist in dem Gesetz unterschiedslos geregelt.
Deswegen hat natürlich die Frage einer anschließenden Rechtsverordnung nichts mit einem ungeregelten Bereich oder fehlendem Gesetzesauftrag zu tun. Ich weise das zurück. Ich nehme Sie als Zeugen, weil Sie in Ihrem Gesetzentwurf, den wir heute diskutieren, schon für den Zeitpunkt 14 Tage nach der Anwendung Ihres vorgeschlagenen Gesetzentwurfs eine Verordnungsermächtigung in § 6 formuliert haben:
(Beifall bei der SPD)
Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages das Verfahren der Impfstoffzuteilung zu regeln, die Risiko- und Indikationsgruppen nach § 3, auch im Hinblick auf die besonderen Belange von Menschen mit Behinderung sowie pflegender Angehöriger, zu konkretisieren sowie im Falle neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ...
Dann: diese neuen Erkenntnisse dann zu interpretieren und auszulegen.
Wenn Sie das verfassungsrechtlich für möglich halten, dann ist der Streit, den wir jetzt haben, kein prinzipieller verfassungsrechtlicher Streit, sondern das ist ein Streit – ich konzediere, dass ich das nachvollziehen kann, dass das okay ist und dass das auch mit Blick auf parlamentarische Gepflogenheiten normal ist – um Zweckmäßigkeiten.
Es geht dann aber nicht um die verfassungsrechtliche Grundlage;
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
denn wenn in unserem Fall die verfassungsrechtliche Grundlage für eine Befugnis für den Bundesminister für Gesundheit fehlen sollte, dann müsste sie auch in Ihrem Fall fehlen, und dann müsste auch jede Konkretisierung als Parlamentsgesetz verabschiedet werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Insofern glaube ich, dass wir ein bisschen runterdimmen können.
(Dr. Achim Kessler [DIE LINKE]: Jetzt ist die Redezeit aber um!)
In der Sache vermag ich gar keinen zentralen Unterschied zwischen den Regelungsvorschlägen in der Rechtsverordnung des Ministers, in den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, die sich im Augenblick, formal betrachtet, noch immer in einem zweiten Anhörungsverfahren befinden – ich vermute, dass wir in den nächsten Stunden oder Halbtagen die endgültige Fassung erfahren werden –, und dem, was Sie in dem Gesetzentwurf vorschlagen, erkennen. Es ist genau die gleiche Priorisierung.
Insofern: Ich will das nicht einen Streit um des Kaisers Bart nennen, weil es in der Tat um die Rolle des Parlaments geht. Aber der Unterschied ist der, dass wir sagen: Wir vertrauen das dem Bundesminister für Gesundheit an, und dann hat das Parlament jederzeit die Möglichkeit, eine solche Rechtsverordnung durch ein einfaches Gesetz wieder zurückzuholen und außer Kraft zu setzen. Das ist zu jedem Zeitpunkt möglich. Die parlamentarische Beteiligung ist durch die gestrige Aktuelle Stunde, durch die heutige Debatte und durch die Möglichkeit, die Verordnung jederzeit zurückzuholen, immer gewährleistet.
Sie sagen aber: Wir möchten zurück zum Anfang.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Nicht nur wir!)
– Ja, nicht nur Sie. – Aber die Frage ist, ob das praktisch ist, ob das pragmatisch ist. Ich habe deswegen Zweifel daran, weil es nur unter der Voraussetzung zu Impfungen kommt, dass die EMA und die Europäische Kommission den Impfstoff zulassen. Es ist nicht bewiesen, dass es so sein wird. Denklogisch ist es möglich, dass die EMA und die Europäische Kommission sagen: Das dauert noch etwas. – Dann ist auch noch die Freigabe der Chargen durch das PEI notwendig. Es ist auch noch nicht bewiesen, dass die kommt, und es ist auch nicht bewiesen, dass sie für jede der Chargen kommt.
Aber wenn das alles so passiert, wie wir uns das wünschen, dann wird das Impfen am 27. Dezember starten. Deswegen ist gar keine Zeit, um das, was Sie vorschlagen, überhaupt noch zu realisieren.
(Dr. Wieland Schinnenburg [FDP]: Weil Sie nichts gemacht haben! – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Sie haben dafür gesorgt mit Ihrer Untätigkeit! Das ist eine Frechheit!)
Wir haben gestern im Gesundheitsausschuss alle gemeinsam beschlossen, dass es zu Ihrem Gesetzentwurf am 13. Januar eine parlamentarische Anhörung geben wird.
(Lachen des Abg. Michael Theurer [FDP])
Danach kann dann erst die Meinungsbildung erfolgen.
(Michael Theurer [FDP]: Ja, ja!)
Gesetzt den Fall, Sie würden sich mit dem Entwurf durchsetzen, dann könnte der Bundesrat erst in seiner Sitzung im Februar darüber entscheiden.
(Dr. Achim Kessler [DIE LINKE]: Genau deswegen haben wir das Gesetz beschlossen! Das ist doch Heuchelei!)
Wem wollen Sie denn erklären, dass wir bis zu diesem Zeitpunkt der Beseitigung Ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken warten sollen, bis wir mit der Impfkampagne starten?
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So was kann nur die Opposition!)
Das ist wirklich eine Art von Verfahrenskultur, die wir nicht mittragen können. Deswegen bitte ich herzlich um Verständnis dafür,
(Michael Theurer [FDP]: Dafür tragen Sie die Verantwortung! Sie haben monatelang Zeit verstreichen lassen, ohne dem Parlament einen Gesetzentwurf vorzulegen! Das ist ein Versagen der Bundesregierung und der regierungstragenden Fraktionen!)
dass wir auf der Basis des Bevölkerungsschutzgesetzes, des geänderten Infektionsschutzgesetzes und der zu erwartenden Rechtsverordnung des Bundesministers für Gesundheit, die auch extra zurückgestellt worden ist, bis diese Debatte und die von gestern gelaufen sind und bis die STIKO-Empfehlung angepasst ist, agieren wollen. Ich bitte Sie herzlich um Verständnis dafür, dass ich Sie bitte, das dann auch zu unterstützen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Rudolf Henke. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Robby Schlund.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7490726 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 202 |
Tagesordnungspunkt | Priorisierung bei der Schutzimpfung SARS-CoV-2 |