Karl-Heinz BrunnerSPD - Sanierungs- und Insolvenzrecht
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Kein Unternehmen dieses Landes und kein Unternehmen in Europa hat es verdient, ins Insolvenzverfahren zu geraten und insolvenzreif zu werden. Deshalb ist es richtig und gut – und durch die Richtlinie der Europäischen Union angemahnt –, Vorinsolvenzsanierung als solche zu ermöglichen.
Sanierungen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, gab es auch vor diesem Gesetzentwurf in Deutschland und in Europa schon lange. Allerdings waren die Sanierungen von Unternehmen, die sanierungsfähig sind – und darauf kommt es an –, im Wesentlichen darauf gegründet, dass alle Gläubiger sich an dem Verfahren in gleicher Weise beteiligt haben.
Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts, sperrig SanInsFoG genannt, und dem darin enthaltenen Unternehmensstabilisierungs- und ‑restrukturierungsgesetz, noch sperriger StaRUG genannt, geht der Gesetzgeber nunmehr den richtigen Weg, dieses Insolvenzrecht fortzuentwickeln und es den Unternehmen schneller, besser und rechtlich geregelter zu ermöglichen, sich wieder aufzurappeln.
Ich darf an dieser Stelle zuerst meinen herzlichen Dank an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und insbesondere an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, liebe Frau Ministerin, weitergeben, die nicht nur wie die Berichterstatter – das sind der Kollege Heribert Hirte und ich – und die betroffenen Fachpolitiker bis in die Nachtstunden, sondern weit über die Nachstunden hinaus arbeiten mussten, um rechtzeitig zum Inkrafttreten am 31. Dezember diese umfangreichen Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen.
Mit der europäischen Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie wurde ein flexibler Restrukturierungsrahmen ermöglicht und damit die Möglichkeit außergerichtlicher Sanierungen deutlich gestärkt. Nach dem neuen Gesetz können Unternehmen, wenn sie noch zahlungsfähig sind, im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens die Verhandlungen über einen Sanierungsplan mit den Gläubigern nunmehr eigenständig führen. Das ist gut, das ist richtig so, und es ist auch gleichzeitig damit sichergestellt, dass das sogenannte Hopping von einem Land der Europäischen Union in andere Länder damit beseitigt wird.
Gerade wegen der Folgen der Coronapandemie ist dieses Verfahren besonders in den Fokus geraten; denn durch die Folgen der Coronapandemie geraten immer mehr Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten, und dieses Gesetz schließt die Lücke zwischen dem Bereich der freien, ganz allein auf Konsens beruhenden Sanierung der Unternehmen und einer Sanierung im Insolvenzverfahren; das ist das böse Wort mit „I“.
Außerdem erhält das Gesetz weitere Regelungen, die die Folgen der Covid-19-Pandemie abwenden oder besser abfedern werden. So werden wir die Insolvenzantragspflicht erneut aussetzen, und zwar, wie geschrieben, bis zum 31. Januar 2021. Und sollte – da muss ich Frau Kollegin Rottmann recht geben – der Wirtschaftsminister, was ich nicht erwarte, bis zu diesem Zeitpunkt die Antragstellung nicht ermöglichen, vermutlich auch noch über den Termin hinaus,
(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er wird sie nicht ermöglichen!)
und zwar für all die Unternehmen in diesem Land, die berechtigt sind, November- und Dezemberhilfen zu beantragen.
Ebenso haben wir bei der Konzentrierung von Insolvenzgerichten den Forderungen des Bundesrats entsprochen und die entsprechende Regelung wieder gestrichen.
Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Wir haben die einseitigen Vertragsbeendigungen vom Tisch, es wird keine Sondersachwalter geben, eine weitere Gerichtskonzentration erfolgt nicht, die Beratungsleistungen für die kleinen Unternehmen werden verbessert – das war uns Sozialdemokraten ganz besonders wichtig; denn das Gesetz ist im Wesentlichen nicht auf kleine und mittelständische Unternehmen, sondern auf größere zugeschnitten –, die Mitwirkung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verfahren – auch das war uns sehr wichtig – wird nunmehr gesichert. Und nicht zu vergessen: Die Insolvenzantragspflicht wird erneut verlängert, und die Unternehmen können gesichert die November- und Dezemberhilfen beantragen.
Aus meiner Sicht ist dieser Gesetzentwurf, den wir heute verabschieden, ein guter Gesetzentwurf; das Gesetz ist ein Quantensprung im Insolvenzrecht.
Ich bitte um Ihre Zustimmung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Ein Quantensprung ist der kleinste Sprung, Herr Kollege!)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brunner. – Nächster Redner ist der Kollege Professor Dr. Heribert Hirte, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7490775 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 202 |
Tagesordnungspunkt | Sanierungs- und Insolvenzrecht |