17.12.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 202 / Tagesordnungspunkt 16

Christian Lange - Geschlechtsangleichende Behandlungen

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Der wahre Charakter der Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie ihre Kinder behandelt.“ Meine Damen und Herren, so hat Nelson Mandela es einmal treffend formuliert. Wir wollen, dass Kinder gut behandelt werden, dass Kinderrechte geachtet werden. Darin liegt der Grund für unseren Gesetzentwurf.

Jedes Jahr kommen Kinder auf die Welt, meine Damen und Herren, deren biologisches Geschlecht nicht eindeutig weiblich und auch nicht eindeutig männlich ist – Kinder mit Varianten der Geschlechtsentwicklung. Um diese Kinder geht es uns. Wir wollen das Selbstbestimmungsrecht dieser Kinder besser schützen.

Noch immer gibt es in unserem Land Operationen an diesen Kindern, die vornehmlich ein Ziel haben: die Geschlechtszuordnung. Ein Kind, das körperlich nicht eindeutig weiblich, nicht eindeutig männlich ist, soll einem der beiden Geschlechter zugeordnet werden. Diese Eingriffe mögen in bester Absicht erfolgen. Doch sie sind falsch; denn sie verletzen die sexuelle Selbstbestimmung des Kindes für immer.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP])

Denn so eine Operation, meine Damen und Herren, ist meistens nicht reversibel.

Betroffene und Interessenverbände fordern deshalb zu Recht: Wir müssen die Selbstbestimmung dieser Kinder besser schützen. Genau dies tun wir mit unserem Gesetzentwurf. Für Kinder, die noch nicht selbst entscheiden können, stellen wir klar: Operationen mit dem alleinigen Ziel der Geschlechtsangleichung sind verboten – ohne Wenn und Aber.

Darüber hinaus schreiben wir fest: Operative Eingriffe, die möglicherweise eine geschlechtsangleichende Wirkung haben, dürfen nur unter strengen Voraussetzungen vorgenommen werden. Kann der Eingriff aufgeschoben werden, bis das Kind selbst entscheiden kann, dann darf der Eingriff nicht stattfinden, im Interesse der Selbstbestimmung. Stattdessen dürfen solche Eingriffe zudem auch nur dann stattfinden, wenn das Familiengericht zu dem Ergebnis kommt, dass der Eingriff dem Wohl des betroffenen Kindes am besten entspricht. Was dem Wohl des betroffenen Kindes am besten entspricht, ist in solchen sensiblen Fällen häufig keine einfache Frage, zumal für uns Juristinnen und Juristen. Auch diesem Umstand tragen wir Rechnung: Wir geben den Eltern die Möglichkeit, psychologische, medizinische, pädagogische Expertise heranzuziehen. Befürwortet eine interdisziplinäre, fachkundige Kommission den Eingriff, so wird vermutet, dass der Eingriff dem Wohl des Kindes entspricht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, „Junge oder Mädchen?“, das ist manchmal einfach die falsche Frage. Unsere Welt ist vielfältig. Das zeigen die Kinder mit Varianten der Geschlechtsentwicklung. Kinder haben ein Recht auf Achtung, auf Fürsorge und auf Schutz ihrer Selbstbestimmung. Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, müssen wir übrigens auch Kinderrechte endlich ausdrücklich im Grundgesetz verankern.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Und aus diesem Grund, meine Damen und Herren, müssen wir Kinder besser vor geschlechtsangleichenden Eingriffen schützen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])

Genau dies tut unser Gesetzentwurf. Er trägt ebendieser Vielfalt des Lebens Rechnung und sieht ein differenziertes Schutzkonzept vor.

Das Signal, das von ihm ausgeht, ist klar: Wir wollen, dass unsere Gesellschaft den Charaktertest besteht, von dem Nelson Mandela – eingangs habe ich ihn zitiert – gesprochen hat. Wir wollen die Selbstbestimmung der Kinder achten. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Robby Schlund, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7491009
Wahlperiode 19
Sitzung 202
Tagesordnungspunkt Geschlechtsangleichende Behandlungen
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