Siemtje MöllerSPD - Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der beiden Anträge der Opposition, die uns hier zur Abstimmung vorgelegt wurden, könnte ich es mir sehr leicht machen und meine Rede nun mit „Wir lehnen ab“ abschließen.
(Gerold Otten [AfD]: Zustimmen müssen Sie doch!)
Aber angesichts der hochkochenden Debatte in den analogen und sozialen Medien und der Überemotionalisierung von allen Seiten möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich vor allen Dingen an Sie, liebe Soldatinnen und Soldaten, wenden.
(Gerold Otten [AfD]: Jetzt geht’s ans Herz!)
Ich möchte Ihnen deutlich sagen, dass ich mich für die Beschaffung der Bewaffnung ausspreche und damit die vorgelegten Anträge auch inhaltlich ablehne.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich tue das, weil mir Ihr Schutz in den Einsätzen wichtig ist.
(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Gleiches Märchen!)
Dieser Grundsatz gilt ebenso für alle meine Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion, unabhängig davon, ob sie sich für oder gegen die Bewaffnung aussprechen. Uns sind Ihr Schutz und Ihre Ausrüstung wichtig.
(Beifall bei der SPD – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Nee, nee, nee! So einfach nicht! – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Nein, das ist zu einfach! – Henning Otte [CDU/CSU]: Ist Rolf Mützenich nicht mehr Fraktionsvorsitzender?)
Deswegen stehen wir als Bundestagsfraktion seit 2014, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, zu dem Aufwuchs im Einzelplan 14. Auch in 2021 stellen wir Ihnen gemeinsam mit dem Koalitionspartner erneut mehr Mittel – satte 1,5 Milliarden Euro – zur Verfügung,
(Gerold Otten [AfD]: Das ist doch Ablenkung! – Dr. Marcus Faber [FDP]: Darum geht es doch gar nicht!)
trotz Corona, trotz vieler anderer Bedarfe und Forderungen, die an uns herangetragen werden: weil wir wissen, dass es massiver Investitionen bei der Bundeswehr bedarf, weil wir wissen, dass viel Gerät in die Jahre gekommen ist
(Dr. Marcus Faber [FDP]: Zur Sache!)
oder sich, besser gesagt, im Greisenalter befindet, weil wir wissen, dass am Ende verfügbares, funktionierendes Material sowie die Ausbildung an diesem Ihre Lebensversicherung sind, wenn Sie sich für uns im Einsatz befinden.
(Beifall bei der SPD)
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Strack-Zimmermann?
Ich würde gerne meine Rede zu Ende halten. Danke.
Ich halte auch fest: Klar, auch die Heron TP kann eine solche Lebensversicherung sein. Ich bin mir sehr bewusst, welche Fragen unsere Debatte in der Fraktion hervorgerufen hat. Lassen Sie mich deshalb kurz einige der Gedankengänge skizzieren.
Ganz grundsätzlich ist es doch so: Das Waffensystem Heron TP läuft per Leasing ab nächstem Jahr zu, dann gehen die Soldatinnen und Soldaten in die Ausbildung, und frühestens in 2022 wird die Heron TP sich in einem Einsatzszenario befinden. Damit ist es doch mitnichten so, Herr Kollege Otte, dass der erhöhte Gesprächsbedarf in der SPD-Bundestagsfraktion nun dazu führt, dass unmittelbar Leben von Soldatinnen und Soldaten aufs Spiel gesetzt wird.
(Henning Otte [CDU/CSU]: Natürlich!)
Denn frühestens in 2022 könnte Heron TP seine Schutzwirkung entfalten.
(Henning Otte [CDU/CSU]: Wir hätten sie ja schon 2017 bestellen können!)
Klar ist angesichts der Turbulenzen in der internationalen Politik doch auch, dass heute niemand voraussagen kann, in welchen Szenarien sich die Bundeswehr dann befinden wird
(Beifall bei der SPD)
und inwiefern Force Protection, insbesondere mobile Force Protection, beispielsweise für Patrouillen, überhaupt benötigt wird.
Natürlich: Heron TP kann Force Protection mobil, aber auch stationär gewähren. Für den stationären Schutz von Lagern eignen sich aber auch andere Waffensysteme wie beispielsweise das Nächstverteidigungssystem MANTIS, ein wirksames Verteidigungssystem für den Nahbereich.
(Gerold Otten [AfD]: Wollen Sie die Soldaten unbewaffnet in den Einsatz schicken?)
Leider hat die Bundeswehr nur ein System dieser Art, ein einziges für alle Einsatzgebiete. Das befindet sich in Mali. Ein Antrag der SPD- und der CDU/CSU-Fraktion wurde vom Ministerium zwar zur Kenntnis genommen; aber dennoch wurden keine weiteren Mittel zur Verfügung gestellt, um beispielsweise für das von der Ministerin in ihrer Rede erwähnte Lager in Kunduz einen wirksamen Schutz zur Verfügung zu stellen, der noch dazu von der Stange erhältlich wäre. Ich finde, dieser Kritik müssen Sie sich stellen,
(Beifall bei der SPD)
wenn Sie uns vorwerfen – ich zitiere –, uns an den Soldatinnen und Soldaten zu versündigen.
Richtig ist doch, dass es neben den Drohnen noch weitere Möglichkeiten für den Schutz von Lagern und Soldatinnen und Soldaten gibt, Schutzeinrichtungen, für die sich der Verteidigungsausschuss mit den Stimmen der SPD und auch der CDU/CSU ausgesprochen hat, Schutzeinrichtungen, die Sie zu beschaffen nicht in der Lage sind.
(Gerold Otten [AfD]: Dann lassen Sie die Soldaten doch zu Hause! Dann brauchen sie keinen Schutz!)
Ich finde, hier kann und muss das Ministerium mehr tun, wenn Ihnen so wie uns das Leben der Soldatinnen und Soldaten und deren Schutz und Sicherheit am Herzen liegen.
(Beifall bei der SPD)
In 2018 haben wir gemeinsam im Koalitionsvertrag festgehalten – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –: „Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden.“
(Gerold Otten [AfD]: Die ist doch abgeschlossen!)
Wir haben das so festgehalten, eben weil das ein Thema mit großem gesellschaftlichem Verhetzungspotenzial ist, ein Thema, das man in großen Teilen der Gesellschaft erklären muss.
(Gerold Otten [AfD]: Nein!)
Für diese Erklärung braucht man eine Grundlage, und zwar eine Grundlage, die die wesentlichen Fragen erläutert: Was sind die geplanten Einsatzszenarien? Was sind sie mit Blick auf Drohneneinsätze anderer Nationen eben auch gerade nicht?
(Gerold Otten [AfD]: Das ist nicht zu fassen! – Dr. Marcus Faber [FDP]: Das ist drei Jahre her!)
Wo sitzt der Operator? Wer gibt einen Befehl? Wie viele Augen sind beteiligt? Muss der Einsatz der Drohne Teil des Mandats sein, oder kann die Bundeswehr selbst entscheiden, wie und wo sie die Drohne einsetzt?
Spätestens seit 2018, verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit dem Abschluss des Koalitionsvertrages ist doch klar, dass die SPD-Fraktion diese Fragen beantwortet sehen will und sie diskutieren will. Sie sind nicht neu. Aber ich muss konstatieren, dass das Ministerium sich erst jetzt ernsthaft dem Abarbeiten dieser Passagen
(Henning Otte [CDU/CSU]: Ha! Jetzt flüchten Sie mal nicht!)
und diesem im Koalitionsvertrag festgelegten Verfahren gestellt hat.
(Beifall bei der SPD)
Es liegt in der Natur der Sache, dass Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker tief in der Materie stecken und eine Haltung dazu entwickelt haben. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen konnten das bisher nicht, eben weil die Entscheidungsgrundlage fehlte.
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das wird aber Zeit, dass Sie das machen! – Henning Otte [CDU/CSU]: Darauf soll die Bundeswehr warten? – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das ist doch eine Ausrede!)
Und sie konnten es vor allen Dingen auch zu Hause nicht in den Wahlkreisen mit der Zivilgesellschaft diskutieren. Aber das ist auch unser Job und Teil der repräsentativen Demokratie.
(Beifall bei der SPD)
Es geht auch momentan nicht, weil nun die weltweite Pandemie Zusammenkünfte schlicht und ergreifend unmöglich macht. Moltke hat einmal gesagt: „Erst wägen, dann wagen!“ – Wir lehnen den Antrag ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Frau Kollegin Möller. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Marcus Faber, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7491037 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 202 |
Tagesordnungspunkt | Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr |