Johannes VogelFDP - Nachholfaktor im Rentenrecht
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine der Lehren dieses Jahres ist doch: Absehbare Versäumnisse holen einen ein, früher oder später. Und dass die Stabilität der Rentenfinanzen in dem Jahrzehnt, das wir begonnen haben, in den nächsten Jahren eine extrem schwierige politische Herausforderung sein wird, das ist heute schon absehbar. Deswegen ist es erschreckend, dass Sie sich weigern, sich darüber Gedanken zu machen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Weil wir an die Rentnerinnen und Rentner denken in erster Linie! Das ist das Wichtige!)
Lieber Kollege Kapschack, Sie zitieren uns korrekt, wenn Sie sagen: Ja, die FDP stellt dann immer die Frage „Wie soll das bezahlt werden?“. Das dann aber als „alte Leier“ zu bezeichnen, finde ich schon bemerkenswert.
(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)
Ja, wir machen uns Gedanken darüber, wie Stabilität, Solidität und Fairness in der Rente gewährleistet werden können. Ehrlich gesagt, sind das genau die Anforderungen, die man als Bürgerin und Bürger an die Politik in diesem Haus auch stellen kann, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Worum geht es? Es geht ganz konkret darum, dass es richtig ist, dass wir die Rentnerinnen und Rentner in diesem Land nächstes Jahr vor einer Rentenkürzung bewahren. Dieses Jahr haben wir eine schwere Wirtschaftskrise und nach den ursprünglichen Regeln der Rente müssten nächstes Jahr die Renten gekürzt werden. Im Konsens wurde hier politisch entschieden, dass so etwas nicht zumutbar ist. Und das ist richtig.
Lieber Kollege Kapschack, ich weise daher die Behauptung scharf zurück – weil das schlicht Fake News sind –, dass wir für Rentenkürzungen wären. Das sind wir nicht.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist falsch! Ihr seid für Rentenkürzungen, und zwar ganz doll!)
Worum es beim Nachholfaktor geht, ist, dass in den Folgejahren die Rentensteigerungen, die kommen werden, so verrechnet werden, dass langfristig die Renten nicht stärker steigen als die Löhne.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das nennt man auch Rentenkürzung! Das sind Rentenkürzungen!)
Das wäre unfair, weil die Generationen dann auseinanderlaufen; wir müssen sie aber zusammenhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Und so, wie die SPD dagegen vorgeht, muss ich mich schon fragen, lieber Kollege Kapschack, ob das nicht ein bisschen schizophren ist. Denn was wir als Freie Demokraten hier beantragen, ist nicht mehr und nicht weniger, als exakt die Rentenformel zurückhaben zu wollen, die ein gewisser Olaf Scholz als Sozialminister einmal eingeführt hat.
(Christian Dürr [FDP]: Aha!)
Hier zu beantragen, die gute Rentenformel von Olaf Scholz zurückhaben zu wollen, das halte ich für vernünftige Politik.
(Pascal Kober [FDP]: Das ist Herrn Kapschack egal!)
Erschreckend ist, dass die Sozialdemokraten hier nicht zu den Überzeugungen ihres Kanzlerkandidaten stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Einmal haben sie etwas gelernt! Das ist doch gut! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der will den Nachholfaktor bis 2025 auch nicht wieder einführen!)
Dass die SPD und auch die Grünen sich in der Rentenpolitik von Jahr zu Jahr immer etwas mehr so anhören wie Matthias Birkwald von der Linkspartei, daran haben wir uns schon gewöhnt.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Linke! Die Linkspartei gibt’s nicht mehr!)
Wenn die Wählerinnen und Wähler der Grünen wüssten, wie links Sie in der Sozialpolitik sind, ich glaube, die Hälfte würde weglaufen.
(Heiterkeit des Abg. Christian Dürr [FDP] – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unterschätzen Sie unsere Wähler nicht!)
Das können Sie noch ein halbes Jahr kaschieren.
Aber ich will schon die Kolleginnen und Kollegen von der Union fragen, ob sie das eigentlich für verantwortbar halten. Denn, lieber Kollege Straubinger, schauen wir doch einmal auf die Sachverständigen in der Anhörung, die wir in der Tat gehört haben. Der alternierende Verwaltungsratsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung – also nicht irgendwer – hat klar dargelegt, dass, wenn Sie vor Ende dieser Legislaturperiode den Nachholfaktor nicht wieder einführen, mit hoher Wahrscheinlichkeit im nächsten Herbst Folgendes passieren wird: Sie müssen schon im nächsten Herbst eine Rentenbeitragssatzsteigerung beschließen, die so hoch sein wird, dass das 40-Prozent-Ziel bei den Sozialversicherungsbeiträgen nicht zu halten sein wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, dass das den Sozialpolitikern egal sein mag, nehmen wir zur Kenntnis. Aber wie der sogenannte Wirtschaftsflügel der Union so etwas mitmachen kann, das fragen wir uns schon. Ist er schon in Weihnachtsferien? Wir halten jedenfalls die Finanzierung der Rente und auch finanzierbare Sozialbeiträge für eine wesentliche Frage der Gerechtigkeit, nämlich der Generationengerechtigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union.
(Beifall bei der FDP)
Ich höre immer wieder, dass auch Sie angeblich Fairness für alle Generationen betonen, dass man die Generationen, lieber Kai Whittaker, zusammenhalten und die Lasten bei der Rente fair verteilen müsse. Es geht hier allerdings nicht um Worte, sondern man muss irgendwann auch Taten folgen lassen und an irgendeiner Stelle auch einmal Verantwortung für eine generationengerechte Rente übernehmen. Darauf warten wir noch heute, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Herr Vogel. – Als Nächstes hat Matthias W. Birkwald das Wort für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7491058 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 202 |
Tagesordnungspunkt | Nachholfaktor im Rentenrecht |