13.01.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 203 / Tagesordnungspunkt 1

Michael Müller - Regierungserklärung zum Impfbeginn in Deutschland und Europa

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst vielen Dank für die Möglichkeit, im Rahmen dieser wichtigen Debatte einige Sätze aus Länderperspektive hinzuzufügen. Es ist im Verlauf der Debatte zu Recht mehrfach angesprochen worden, welch große Hoffnungen wir mit dem Thema Impfungen verbinden und dass die Menschen zu Recht die Hoffnung haben, wieder ein Stück Normalität zurückzugewinnen. Ich glaube, nicht zuletzt über das Impfen können wir für unsere Wirtschaft wieder Perspektiven schaffen.

Ja, mit dem Impfen ist endlich eine weitere Säule im Rahmen der Pandemiebekämpfung – neben den ganzen Einschränkungen, Maßnahmen und Kontaktbeschränkungen, neben den erweiterten Testmöglichkeiten, die wir im Laufe der letzten Monate hinzugewonnen haben – hinzugekommen. Das Impfen stellt eine dauerhafte Entlastung dar. Es ist wirklich spektakulär, wie schnell die Wissenschaft auf die Herausforderung reagieren konnte. Nun kommt es darauf an, aus diesem wissenschaftlichen Erfolg schnellstmöglich Gesundheitsschutz für alle zu organisieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

Dass es aber Fragen und Kritik im Zusammenhang mit der Impfkampagne und aufgrund des Mangels an Impfstoffen gibt, kann nicht wirklich verwundern; denn die Erwartungen, die ab Mitte Dezember geweckt wurden, waren natürlich erheblich. Auch von Ihnen, Herr Spahn, wurden erhebliche Erwartungen geweckt, dass es sehr schnell losgeht. Die Länder sollten sich darauf vorbereiten, dass es im Dezember sehr schnell gehen kann. Und die Bundesländer haben sich vorbereitet: durch die Einrichtung von Impfzentren und mobilen Teams.

Ja – mein Vorredner hat es eben angesprochen –, wir wussten, dass es am Anfang begrenzte Kapazitäten geben wird. Aber das Entscheidende ist natürlich, wann wie viel bei uns ankommt, damit man planen kann. Lieferungen waren für Ende Dezember angekündigt, dann wurde die Ankündigung zurückgenommen. Dann wurde sie wieder erneuert, und es kam eine Impfstofflieferung. Dafür wurde im Januar nicht viermal geliefert, sondern nur dreimal. Das schafft Unsicherheiten.

Aus dieser Situation heraus stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? – Um es klar zu sagen: Mir sind die Rückschau, wann eventuell welcher Fehler gemacht wurde, und entsprechende Schuldzuweisungen nicht wichtig. Ich glaube, dass es völlig richtig war, sich in einem EU-weiten Prozess abzustimmen. Ein Weg nach dem Motto: „Wer mehr Geld hat oder der Stärkere in der Europäischen Union ist, der setzt sich durch“, das kann nicht im Ernst unser Weg sein in diesem vereinten Europa.

(Beifall bei der SPD)

Manche Fragen werden aber zu Recht gestellt: Warum wurde nicht von Beginn an auf verschiedene Impfstoffe gesetzt? Warum wurde nicht früher mehr bestellt? Jetzt wird nachbestellt. Abstimmungsrunden finden unter Federführung der Kanzlerin statt. Unternehmen werden angesprochen, ob die Produktion erhöht werden kann. Das passiert doch jetzt, weil es von Anfang an eben nicht gut gelaufen ist.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das sagt der Coronaheld von Berlin! Wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen, Herr Müller! Mann, Mann, Mann! Völliges Kontrollversagen in Berlin und hier eine große Klappe haben! Mann, Mann, Mann!)

Doch das Lernen für die Zukunft ist das Entscheidende. Wir müssen uns heute, aus dieser Situation heraus, darauf vorbereiten: Wie können wir in Zukunft besser aufgestellt sein, falls ähnliche Krisen auf uns zukommen? Darum geht es doch. Das war bei der Maskenbestellung oder bei den Desinfektionsmitteln genau das Gleiche.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Kriegt nichts auf die Kette, der Müller, aber hat hier eine große Klappe! Mann!)

Wir müssen jetzt darüber reden, ob und welche Kooperationen mit Unternehmen wir brauchen, wie wir Produktionsketten und Produktionsabläufe verbessern können und wo die Bundesregierung Akzente setzten muss. Das ist in dieser Situation das richtige Vorgehen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wir können ja mal über Ihre Rolle in der Ministerpräsidentenkonferenz reden!)

und zwar auch deswegen, Herr Brinkhaus, weil Herr Spahn schon wieder große Erwartungen weckt.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Volles Versagen im Berliner Senat! Peinlich!)

Auch heute wurden wieder Millionen Impfdosen angekündigt, Hunderte Millionen bis zum Sommer. Wir wollen bis zum Sommer jedem ein Impfangebot machen. – Mal ganz konkret für meine Stadt mit 3,8 Millionen Einwohnern: Das bedeutet, ich brauche bis zum Sommer theoretisch 7,6 Millionen Impfdosen. Dann ziehen wir noch alle ab, die gar nicht geimpft werden können oder sich leider nicht impfen lassen wollen.

Rechnen wir mal mit 5 Millionen Impfdosen, die wir brauchen bis zum Sommer. Geteilt durch die 180 Tage, die ich noch habe, um allen bis zum Sommer ein Impfangebot zu machen, bedeutet das: Jeden Tag müssten 28 000 Impfdosen verimpft werden. Meine Damen und Herren, das mache ich gerne. Und wir sind darauf, genauso wie die anderen Bundesländer, auch vorbereitet. Aber, meine Damen und Herren, diese 28 000 Impfdosen bekommen wir im Moment als Wochenlieferung und nicht als Tageslieferung. Deswegen müssen wir jetzt an dieser entscheidenden Stelle fragen: Wann bekommen wir welche Menge?

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Die Frage ist: Wann ist das mit den Schulen in Berlin in Ordnung?)

Das ist keine abstrakte Diskussion; denn ein Einladungssystem und eine Terminvergabe, die hier angesprochen wurde, können erst erfolgen, wenn ich verlässlich weiß, wann ich wen einladen kann. Es wäre für uns alle eine Katastrophe, die 80-, die 70-Jährigen, die vulnerablen Gruppen einzuladen, sie bekommen einen Termin, sie stehen vorm Impfzentrum, aber der Impfstoff ist nicht da, meine Damen und Herren.

(Zuruf der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

Deswegen ist diese Diskussion so wichtig: jetzt zu erfahren – verlässlich zu erfahren –: Wann bekommen wir was? In Bezug auf die niedergelassenen Ärzte trifft das ganz genauso zu: Womit können sie wann rechnen?

Ich glaube, das sind die entscheidenden Fragen. Die Impfplicht ist mit Sicherheit eine Nebendebatte, die uns nicht weiterhilft, um das auch ganz klar zu sagen.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wir müssen über die Schulen reden!)

Denn wir müssen es doch erreichen, dass das Personal in Pflege- und Krankenhäusern aus voller Überzeugung unseren Weg unterstützt, sich impfen zu lassen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Genau! Ihre Aufgabe!)

und nicht, weil sie dazu gezwungen werden. Das, meine Damen und Herren, ist, glaube ich, eine abseitige Debatte. Es geht darum, Sicherheit und Vertrauen – auch das ist mehrfach in der Diskussion angesprochen worden – zu erhöhen.

Die Testkapazitäten, Herr Spahn, die Testmöglichkeiten – auch über Schnelltests – will ich an dieser Stelle auch noch kurz ansprechen. Vielleicht gibt es, wenn die Menschen sich selbst testen, auch Missbrauch von Kapazitäten. Und vielleicht gibt es nicht immer zu hundert Prozent korrekte Ergebnisse. Aber ich glaube, die Vorteile würden überwiegen, wenn Polizistinnen und Polizisten, wenn das Pflegepersonal, das Personal in den Krankenhäusern sowie Lehrerinnen und Lehrer durch den Einsatz von Tests und auch Selbsttests mehr Sicherheit bekommen würden, wo sie stehen mit ihrer Gesundheit.

Wir haben, meine Damen und Herren, zusammen viel erreicht in den letzten Monaten. Ich glaube, es geht jetzt darum, entschlossen diesen gemeinsamen Weg auch weiterzugehen und alle Möglichkeiten zu nutzen in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Das Klinikpersonal entlasten, vor allen Dingen aber auch die vielen Menschen, die jetzt physisch und psychisch an ihre Grenzen kommen in ihrem Dienst für uns alle, entlasten, Perspektiven bieten für die Schulöffnung, die Familien entlasten und nicht zuletzt auch der Wirtschaft wieder Perspektiven bieten: Diese Hoffnungen und Erwartungen erfüllen, das muss unser gemeinsames Ziel sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Da haben Sie viel zu tun! – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Da klatscht nicht einmal die SPD! – Weiterer Zuruf des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Nicht einmal die SPD! Mann, Mann, Mann!)

Nächster Redner ist der Kollege Erwin Rüddel, CDU/CSU.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7495538
Wahlperiode 19
Sitzung 203
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Impfbeginn in Deutschland und Europa
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