Markus TönsSPD - Transatlantischer Wirtschaftsraum
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Vorredner hört, fällt es einem manchmal schon schwer, eine vernünftige Replik darauf zu geben. Es war ja viel Irres unterwegs, unter anderem natürlich wieder bei Herrn Müller; das kann man gar nicht anders beschreiben. Er zieht also die Wahl eines amerikanischen Präsidenten in den USA in Zweifel,
(Hansjörg Müller [AfD]: Weil es hingetrickst war! – Gegenruf des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]: Hingetrickst?)
dann erzählt er hier was von einer russisch-europäischen Koexistenz, bei der wir, wie er glaubt, nur noch deutsche Interessen durchsetzen müssten. Ich glaube, das ist schon ein bisschen irre, was die ganze Handelspolitik betrifft. Ich glaube, Sie haben überhaupt nichts verstanden.
(Zuruf des Abg. Hansjörg Müller [AfD])
Aber genau das ist Ihr Problem.
Ich sage Ihnen das, was ich Ihnen schon mal gesagt habe, liebe Kollegen: Es gibt in allen Ländern Hilfetelefone für Leute wie Sie. Sie müssen nicht in diesem Haufen bleiben. Sie können raus aus dem Rechtsradikalismus.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Es gibt da Hilfen. Rufen Sie an! Und wenn Sie nicht wissen, wie Sie an die Telefonnummern kommen: Wir helfen Ihnen dabei. – Das ist wirklich hilfreich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber lassen Sie uns mal zum Antrag kommen; das ist ja, glaube ich, auch ganz spannend, sich damit zu beschäftigen. Ja, Frau Weeser, es ist richtig, dass wir ein transatlantisches Handelsbündnis brauchen und dass wir einen Weg dahin beschreiten müssen; auch das ist richtig. Aber die Frage ist: Wie sieht dieser Weg aus? Da habe ich bei Ihrem Antrag schon erhebliche Zweifel. Ich will Ihnen diese auch nennen. Es ist eben nicht auf China zu schauen und zu sagen: So, das ist der Rule Maker, wir müssen uns jetzt an dem orientieren; deshalb setzen wir die Standards herunter, und wir halten uns nicht mehr an soziale Standards, nicht mehr an Umweltstandards, nicht mehr an Nachhaltigkeitsstandards. – Das kann definitiv nicht der Weg für eine internationale Handelspolitik der Europäischen Union und Deutschlands sein.
(Beifall bei der SPD)
Weil das eben nicht die Antwort auf die Handelsabkommen Chinas und den Aufstieg Chinas ist, müssen wir dafür sorgen, dass die Europäische Union eine Werteunion ist; das vergessen Sie in Ihrem Antrag komplett.
(Hansjörg Müller [AfD]: Doch! Das steht drin! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die EU vergisst das aber auch oft!)
Diese Europäische Union ist eine Werteunion. Genau deshalb müssen wir darauf gucken, dass die Europäische Union in diesem Verhandlungsschema der Rule Maker ist und nicht China mit dem Senken und dem Nichteinhalten von Sozialstandards etc., auch von Menschenrechten. Ich glaube, das ist ganz wichtig.
(Sandra Weeser [FDP]: Das steht aber im Antrag!)
Wir haben viel zu bieten innerhalb der Europäischen Union. Wir haben einen attraktiven Markt mit 450 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten. Wir haben ein Netz an Handelsabkommen von fast 80 internationalen Abkommen weltweit, auch mit Asien, unter anderem Japan, Vietnam und Singapur. Und wir haben das Know-how beim Setzen internationaler Standards. Das ist eigentlich der entscheidende Punkt. Das ist unsere Stärke, und die sollten wir auch betonen, weil diese Standards nämlich vieles verändern können. Deshalb ist das ein attraktives Gegenmodell zu einseitigen Abhängigkeiten, die zum Teil auch durch China in dieser Welt geschaffen werden.
Was ist genau das Gegenmodell? Das ist ein multilaterales Handelssystem, das wir stärken müssen. Ja, Joe Biden könnte eine Chance sein, um mit der amerikanischen Administration wieder in ein vernünftiges Gespräch zu kommen. Aber zunächst sollten wir nicht über Handelsabkommen reden, sondern über die Frage der Stärkung der WTO. Die WTO ist ein geschwächter Partner in der Welt, und wir müssen dafür sorgen, dass sich das ändert. Das wird gemeinsam mit den USA, sehr wahrscheinlich auch mit dieser Administration, möglich sein.
Wir brauchen die WTO auch wieder als Ort der Streitschlichtung, zumindest da, wo es uns nicht anders möglich ist. Ich plädiere weiterhin für den multilateralen Handelsgerichtshof, weil ich glaube, dass das die Zukunftsentwicklung ist, die in CETA verankert ist – im Gegensatz zu anderen, die das hier immer wieder kritisieren. Das ist zukunftsgerichtet. Das ist der Goldstandard, und den sollten wir international auch durchsetzen.
(Beifall bei der SPD)
Wir brauchen bei der Doha-Entwicklungsrunde sicherlich auch Verhandlungspartner wie die USA, um dort auch etwas zu vollbringen; denn da muss deutlich mehr passieren. Wir müssen die Nachhaltigkeitsstandards international stärken. Nach der Klimakonferenz in Paris sind wir deutlich weiter gekommen, als das bisher der Fall war. Wir müssen dies zukünftig doch auch in internationalen Handelsverträgen festschreiben. Sich davon zu verabschieden oder es erst gar nicht in den Blick zu nehmen, nach dem Motto „Da bedroht uns jetzt aber ein großer asiatischer Wirtschaftsraum“: Ich weiß gar nicht, wovor Sie Angst haben, Herr Lämmel. Der Vertrag liegt ja noch gar nicht in der Übersetzung vor. Wir müssen da, glaube ich, mal in Ruhe reingucken. Aber sehr viel Angst habe ich vor diesem Vertrag ganz ehrlich gesagt nicht. Denn so viel wird da nicht verhandelt worden sein, das uns wirklich bedroht. Aber wir haben die Möglichkeit, es besser und sogar deutlich besser zu machen.
Ja, wir Sozialdemokraten – das will ich an dieser Stelle betonen – stehen zu Freihandelsabkommen, und zwar zu Wandel durch Handel, anders als Sie es gesagt haben, Frau Weeser – das kann aber auch ein Versprecher gewesen sein –: nicht Handel zum Wandel, sondern Wandel durch Handel. Wir Sozialdemokraten stehen hier zwischen zwei extremen Positionen; das will ich auch mal betonen: zwischen denen, die Freihandelsabkommen grundsätzlich ablehnen – das halte ich für vollkommen weltfremd –,
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Absolut!)
und denen, die Freihandel frei von Werten und Standards durchsetzen wollen. Wirtschaft und Freihandel gehen eben nicht vor Sozialstandards, Umweltstandards und Nachhaltigkeit.
(Beifall bei der SPD)
Es geht hierbei um einen gerechten, regelbasierten Welthandel, und den erreicht man eben nicht durch Dumping. Gerade die EU ist eine Werteunion – ich habe es vorhin betont –, und das muss sich in modernen Handelsabkommen auch widerspiegeln. Dafür plädieren wir auch in der Zukunft. Und deshalb an dieser Stelle: Lassen Sie uns darüber weiterhin reden. Aber in der Form, wie Sie es eingebracht haben, werden wir dem nicht zustimmen können.
Mein herzliches Glück auf!
(Beifall bei der SPD)
Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Klaus Ernst das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7495860 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 204 |
Tagesordnungspunkt | Transatlantischer Wirtschaftsraum |