14.01.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 204 / Tagesordnungspunkt 15

René RöspelSPD - Nationale Bioökonomiestrategie

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin schon ein bisschen erstaunt. Ich muss ausdrücklich sagen, Frau Ministerin: Ich finde, dass sich die Bioökonomiestrategie in den letzten Jahren sehr gut entwickelt hat. Es ist ein Fortschritt und eine kluge Geschichte, die Erschließung und nachhaltige Nutzung von biogenen Ressourcen oder Verfahrensweisen, die umweltschonend agieren, zu erforschen und weiter auf den Weg zu bringen.

Und aus meiner Sicht ist das tatsächlich eine der ältesten Ökonomien, die es in der Menschheit gibt. Es ist eigentlich überhaupt nichts Neues – dazu braucht es auch keine neuen Studiengänge –; denn die meiste Zeit in der Geschichte hat der Mensch Bioökonomie dadurch betrieben, dass er mit biogen entstandenen Rohstoffen, nämlich mit Holz oder Stein oder Ähnlichem, gearbeitet und gelebt hat und es punktuell so verändert und verbessert hat, dass er eine Gesellschaft aufgebaut hat. Also, das ist überhaupt nichts Neues, auch keine Erfindung; es war schon längst vor der sozialen Marktwirtschaft existent und auch bewährt. Und es hat sich tatsächlich dadurch verändert, dass man dann, als neue oder im Wesentlichen neue Technologien kamen – außer der Erfindung des Feuers oder des Rades oder so was –, irgendwann glaubte, dass Fortschritt nur dadurch entstehe, dass es neue Technologien gibt.

Sich das einmal in Ruhe anzuschauen und zu überlegen, ob dieser Begriff wirklich richtig ist, ist ja auch vernünftig, glaube ich. Und deswegen ist die Bioökonomie nicht nur ein sehr althergebrachter, sondern aus unserer Sicht auch ein sehr zukunftsweisender Ansatz, wenn nicht sogar der einzige Ansatz, der unsere Existenz hier nachhaltig sichern wird, nämlich so zu wirtschaften – und ich lasse den Entropiesatz jetzt mal obendrüber stehen –, dass wir das Gleichgewicht, das es auf dieser Erde gibt, einigermaßen aufrechterhalten und trotzdem leben können.

(Beifall bei der SPD)

Obwohl es etwas Selbstverständliches war, war es auch richtig, dass der Mensch immer eingegriffen hat. Das ist selbstverständlich. Das war lange Zeit kein Problem, weil das nur punktuell erfolgte und die Veränderungen nicht spürbar waren. Aber tatsächlich ist Bioökonomie deswegen so alt und erfolgreich, weil wir in diesen 4 Milliarden Jahren der Existenz dieses Planeten eine Situation von Balance und Gleichgewicht vorgefunden haben. Die muss nicht immer gut sein – da gibt es zweifelsohne auch Nachteile –, aber sie hat gewährleistet, dass es eine Ausbalancierung unterschiedlicher Methoden gibt; übrigens auch mit dramatischen Sprüngen und Brüchen in der Geschichte dieses Planeten. Aber immerhin funktioniert er jetzt so, wie er ist.

Schwierig wird es eben dann, wenn man das Ganze nicht nur punktuell aus der Balance bringt, weil man nicht den Gesamtüberblick über dieses Gleichgewicht hat und eben nicht ganzheitlich agiert. Es ist richtig, dass der Mensch – und das ist auch gut so, weil Natur nicht per se gut oder schlecht ist und aus menschlicher Sicht vieles eher grausam oder unverständlich erscheint – in die Abläufe der Natur immer wieder eingreift. Wir sehen jetzt in der Pandemiezeit, bei Corona, dass es natürlich richtig ist, ursprüngliche biologische Systeme, nämlich die Entstehung von Immunität, zu nutzen, um die Coronapandemie über biotechnologische Verfahren zu bekämpfen. Das heißt, das ist ein richtiger punktueller Eingriff mit neuen Technologien, der die Situation von Menschen besser machen sollte.

Der ganzheitliche Blick allerdings könnte auch dazu führen, dass man die Erkenntnis gewinnt, dass das ganze Problem erst dadurch entstanden ist, dass wir an einigen Stellen das Gleichgewicht gestört haben, dass wir Menschen mit Tieren oder Viren oder Ökosystemen in Kontakt gebracht haben, die normalerweise überhaupt nicht im Zusammenhang stehen, weil wir diese Gleichgewichtssituation, den ganzheitlichen Blick verloren haben.

Deswegen ist aus unserer Sicht Bioökonomie nicht etwa nur, wie es in der Strategie steht, das Miteinander von Ökologie und Ökonomie plus Sozialem, sozusagen die Nachhaltigkeitsgrundpfeiler, sondern aus unserer Sicht muss Bioökonomie sich so entwickeln, dass es im Zentrum des Wirtschaftens steht, ergänzt um die soziale Komponente und da, eben wo möglich, auch um die wirtschaftliche Nutzbarkeit. Also, Bioökonomie ist zentral für uns, und das ist sie in unserer Gesellschaft auch weiterhin.

Ich bin etwas erstaunt, Frau Ministerin, dass Sie diese Ganzheitlichkeit bzw. die Notwendigkeit des ganzheitlichen Blickes, was Sie in der Strategie ja auch beschreiben, jetzt wieder auf die gentechnische Veränderung von Pflanzen verkürzt haben. Das finde ich dann auch nicht angemessen, weil es tatsächlich vom ganzheitlichen Blick ablenkt.

Vielleicht wäre auch zu fragen: Wenn man nun durch gentechnische Verfahren eine Pflanze entwickelt, die sehr gut auf versalzten Böden wächst oder wenig Wasser braucht: Was passiert eigentlich mit den Böden nach der ersten Vegetationsperiode, wenn die Pflanze denn gewachsen ist? Insofern ist diese Technologie nicht allein ein Fortschritt, sondern es ist auch das, was Sie richtigerweise in der Strategie beschreiben: dass es auch um Verteilungsgerechtigkeit geht, dass man den breiteren Blick haben muss, dass es auch um Bürgerrechte, um Menschenrechte geht, um ökologische Entwicklung und Armut in der Welt. Es ist, finde ich, eigentlich der erste Schritt, zu fragen: Welche Methoden brauchen wir, welche Maßnahmen und welche Veränderungen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Insofern will ich ausdrücklich sagen: Den ganzheitlichen Blick sehen wir und finden wir richtig. Die Verkürzung auf einzelne Technologien muss man eben immer wieder hinterfragen.

Ausdrücklich gut finden wir in der Strategie, dass Sie mehr Partizipation der Zivilgesellschaft vorhaben; das haben wir seit Jahren gefordert. Das ist immer noch nicht genug. Wir finden die Anmerkung richtig, dass gewonnene Erkenntnisse aus staatlich geförderter Forschung, also mit öffentlichen Mitteln geförderter Forschung, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden sollen. Wir finden es eben auch richtig, dass an der Bioökonomie möglichst viele Menschen beteiligt werden sollen.

Am Ende darf ich auch noch zum FDP-Antrag etwas sagen. Ich habe es als sehr wohltuend empfunden, dass ziemlich zu Anfang der Strategie die SDGs, die Sustainable Development Goals, also die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, als vorderstes Ziel der Bioökonomiestrategie genannt werden, die die FDP noch um die Bruttowertschöpfung als Indikator ergänzt. Das halten wir tatsächlich für nicht wirklich angemessen; das kann man mitnehmen. Jeder Autounfall ist eine Erhöhung der Bruttowertschöpfung in Deutschland, sagt aber noch nichts über die Erreichbarkeit der Bioökonomieziele aus.

Wenn Sie im FDP-Antrag am Ende wieder verkürzen, nämlich von der Biotechnologie hin zur Gentechnologie: Machen Sie doch einfach mal eine Initiative in den Ländern, in denen Sie mitregieren, um gentechnisch veränderte Pflanzen endlich freizusetzen. Das wäre offener und ehrlicher, als immer solche Anträge zu stellen. Deswegen werden wir den FDP-Antrag ablehnen, finden aber die Bioökonomiestrategie in die richtige Richtung gehend.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eberhard Gienger [CDU/CSU])

Vielen Dank, Herr Kollege Röspel. – Nächster Redner ist der Kollege Mario Brandenburg, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7495897
Wahlperiode 19
Sitzung 204
Tagesordnungspunkt Nationale Bioökonomiestrategie
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta