André BergheggerCDU/CSU - Einsatz deutscher Steuergelder im EU-Budget
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der hier vorliegende Antrag der AfD-Fraktion bemängelt im Wesentlichen ein fehlendes Konzept für den europäischen Mehrwert bei den Aufgaben der EU am Beispiel des mehrjährigen Finanzrahmens, also der Handlungsgrundlage der EU für die kommenden Jahre. Es fehle die Strategie, und es fehle der zielgerichtete Mitteleinsatz, so wie es der Kollege vorhin angesprochen hat.
Eine Vorbemerkung. Sie zitieren dort häufiger den Europäischen Rechnungshof. Ich kann Sie nur bitten, diesen Rechnungshof auch vollständig zu zitieren; denn sonst könnte ein falscher Eindruck von dem entstehen, was der Rechnungshof gesagt hat, und das wollen Sie ja sicherlich nicht. Sie zitieren aus Berichten vom Februar 2019 und wissen doch, dass die wesentlichen Vertragsverhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen erst in 2020 erfolgt sind. Sei es drum.
Zur Sache. Natürlich gibt es ein Konzept für die Aufgaben der EU. Das Aufstellungsverfahren für den mehrjährigen Finanzrahmen ist transparent und langfristig angelegt. Die ersten Vorschläge hatte noch Kommissar Oettinger in 2019 vorgestellt. Politische Prioritäten und Schwerpunkte wurden festgelegt und vorgestellt, unter anderem die Digitalisierung und der Klimaschutz. Das Verfahren ist natürlich langfristig mit den Mitgliedstaaten abgestimmt. Man ringt um Schwerpunkte, man diskutiert über Umschichtungen. Das Verfahren ist zäh, aber es funktioniert.
Die politischen Schwerpunkte, die am Ende festgelegt werden, sind die Aufgaben, die durch die EU wahrgenommen werden sollen. Das ist das Konzept für den europäischen Mehrwert bei den Aufgaben in den kommenden Jahren. Natürlich hat die Coronapandemie diese Überlegungen durchkreuzt. Aber die Reaktion darauf war ja das Aufbauinstrument „Next Generation EU“. Das zeigt, dass Europa schnell handlungsfähig ist, wenn es notwendig ist.
Eine Anmerkung an dieser Stelle, Herr Hollnagel. Der europäische Mehrwert bei einer Aufgabe muss nicht immer monetär sein. Die EU ist kein Unternehmen, das man ausschließlich nach Kennzahlen führt. Kernelement der EU war, ist und bleibt immer: Sie ist auch eine Wertegemeinschaft, und dazu stehen wir.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als Zweites kritisieren Sie die Hebelung des EU-Budgets. Sie beziehen sich dabei auf den Europäischen Fonds für Strategische Investitionen, EFSI, den Nachfolger: das Investitionsprogramm InvestEU, das Aufbauinstrument „Next Generation EU“ und beziehen auch gleich den Green Deal mit ein. Der Green Deal – das sei nur eine Anmerkung – ist im Vergleich zu den anderen Punkten eine politische Äußerung, ein Programm, aber kein Finanzierungsinstrument; deswegen muss man da differenzieren.
Sie kritisieren das Zusammenspiel von eingezahlten Barmitteln und der Übernahme von Garantien. Das Zusammenspiel von Barmitteln und Garantien hat sich aber bewährt. Gucken Sie auf die Europäische Investitionsbank. Dort wird dieses System seit etlichen Jahren – wenn nicht Jahrzehnten – erfolgreich mit guten Bonitätswerten für alle praktiziert. Deswegen ist das keine Neuerung, sondern durchaus praktikabel, auch für die Zukunft.
Bei der Hebelung an sich – das heißt dem Anreizen auch von privaten Investitionen – müssen wir bedenken, dass das ein effektives, marktwirtschaftliches Instrument ist. Was wäre denn die Alternative, wenn man handeln will? Die Alternative wäre – Möglichkeit eins –, mehr öffentliche Barmittel als Mitgliedstaat einzuzahlen und damit das finanzielle Risiko sofort zu erhöhen; das können Sie doch bestimmt nicht wollen. Die zweite Möglichkeit wäre, gar nicht oder im geringeren Maße zu helfen, weniger an die Mitgliedstaaten auszukehren. Wollen Sie das? Da bin ich mir nicht ganz sicher.
Aber allein aus wirtschaftlichen Erwägungen müssen Sie doch verstehen: Rund 60 Prozent des Exportes aus Deutschland gehen in die Mitgliedstaaten der EU. Deswegen hat Deutschland als Exportnation ein elementares Interesse daran, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wirtschaftlich wieder auf die Füße kommen, damit sie unsere Waren und Dienstleistungen auch abnehmen können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Wert der Exporte betrug allein 2019 über 900 Milliarden Euro; das sei an dieser Stelle angemerkt.
Und zu guter Letzt. Die Leitplanken, die uns bei diesen Diskussionen vorgegeben werden, gibt uns, würde ich sagen, das Bundesverfassungsgericht vor, aber auch unsere politische Verantwortung. Die Haftungsfragen sind mit Maß und Mitte zu regeln, und vor allen Dingen sind die Haftungen zu begrenzen. Bei der Konstruktion von „Next Generation EU“ in den letzten Wochen und Monaten war es eine zentrale Diskussion, wie wir diese Leitplanken einhalten können. Ich finde, in dieser besonderen Situation, in dieser schwierigen Phase, ist es eine gut vertretbare Lösung, temporär, zeitlich befristet ein solches Instrument aufzusetzen.
(Albrecht Glaser [AfD]: Bis 2058! Temporär?)
Sie unterstellen des Weiteren, dass sich der Charakter der EU mit dem Rechtsstaatlichkeitsmechanismus von einem freiwilligen Zusammenschluss wegbewegt. Weg von einem freiwilligen Zusammenschluss – mit Verlaub, das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wir sehen doch am Brexit, dass die Möglichkeit besteht, aus der Europäischen Union auszutreten. Ob das eine kluge Entscheidung ist, wird sich in Zukunft zeigen. Aber wenn man Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, dann bekennt man sich zu einem Wertekanon. Das macht uns doch stark, und das verleiht der Europäischen Union eine starke Stimme auf dieser Welt.
Der Mechanismus, den Sie ansprechen, ist ein ganz anderer; der ist technischer Art. Wenn Mittel der Europäischen Union ausgekehrt werden und nicht zweckentsprechend verwendet werden, dann muss das doch kontrolliert und bei einer falschen Verwendung im Zweifel auch sanktioniert werden. Das schafft Vertrauen und Verlässlichkeit und unterliegt zudem noch der Einspruchsmöglichkeit der Mitgliedstaaten. Dieser Mechanismus wurde kurz vor Schluss noch hineinverhandelt. Das ist eine vernünftige Regelung, aber auch eine selbstverständliche Regelung.
Sie sehen an diesen drei Beispielen: Mit Ihrem Antrag sprechen Sie eine Vielzahl von Themen an. Aber bewusst oder unbewusst – ich weiß es nicht – diskutieren Sie sie nicht vollständig. Das finde ich unseriös, und deswegen werden wir den Antrag ablehnen.
Vielen Dank fürs freundliche Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Dr. Berghegger.
Ich habe noch einen Nachtrag zu machen. Manche Kolleginnen und Kollegen waren in der Debatte zum vorherigen Tagesordnungspunkt mit dem Thema Abgabenordnung schon da. Da wurde der Eindruck erweckt, als wären wir eine Vollversammlung von Steuerberatern und Steuerberaterinnen. Wir haben uns jetzt statistischen Zahlen geben lassen, wie viele Steuerberater und Steuerberaterinnen – ich weiß gar nicht, ob Frauen dabei sind – hier im Hause sind: Es sind sieben. – Also, noch haben sie nicht die Mehrheit.
(Heiterkeit – Marianne Schieder [SPD]: Unterrepräsentiert!)
Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Otto Fricke.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7496482 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 204 |
Tagesordnungspunkt | Einsatz deutscher Steuergelder im EU-Budget |