Metin HakverdiSPD - Einsatz deutscher Steuergelder im EU-Budget
(Beifall bei der SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD hat – wieder einmal – einen Antrag eingebracht, in dem sie sich die Europäische Union vorknöpft. Bereits die Überschrift reicht, um zu wissen, wo die Reise hingehen soll: „Steuergelder der deutschen Bürger … im EU-Budget schützen“.
Schützen ist etwas Gutes, wenn man es denn ernst meinen würde. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, der AfD geht es nicht um Schutz, der AfD geht es um Verunsicherung; es geht ihr darum, das Vertrauen der Menschen in die Europäische Union und in die Institutionen der Europäischen Union zu schwächen. In diesem Antrag geht es nicht um Schutz, es geht um Verunsicherung.
In dem Antrag fordert die AfD die Vorlage eines analytisch begründeten Konzepts für einen europäischen Mehrwert. Eigentlich wird in Abrede gestellt, dass der vorliegende EU-Haushalt eine analytische Grundlage hätte. Der Mehrwert der Europäischen Union insgesamt wird in Abrede gestellt. Kurz: Die EU sei nicht analytisch, schaffe keinen Mehrwert und ihr fehle die Strategie. – Das ist die Botschaft, die vermittelt werden soll, subtil, aber eindeutig, so wie die AfD das immer macht. Das ist keine eurokritische Haltung. Die AfD war mal eine eurokritische Partei – vielleicht bei ihrer Gründung –, das ist schon lange vorbei. Heute ist die AfD eine radikale Partei. Der Angriff auf die europäischen Institutionen ist in Wahrheit der Versuch, unsere Demokratie insgesamt zu diskreditieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Die Höcke-isierung der AfD schreitet voran. Deshalb steht sie als Partei auch im Fokus des Verfassungsschutzes und demnächst – hoffentlich – auch unter Beobachtung. Natürlich schafft es niemand, die Demokratie mit einem, erst recht nicht mit diesem Antrag zu diskreditieren. Es sind viele Anträge, viele kleine Schritte und Aktivitäten hier und in den sozialen Medien – Schritt für Schritt. Sie sind emsig. Sie sind fleißig. Sie versuchen, das System von innen heraus zum Einsturz zu bringen, täglich, mit vielen kleinen Schritten. Dieser Populismus setzt auf – wie könnte es anders sein? – Nationalismus und Hetze. Diese Hetze stachelt die Menschen an. Bei einigen haben Sie Erfolg. Einige glauben wirklich, dass es nicht im Interesse Deutschlands läge, Mitglied der Europäischen Union zu sein. Einige glauben wirklich, dass wir Nettozahler seien und nichts herausbekämen, obwohl wir die größten Profiteure der EU sind.
Mit dieser Hetze wird Zweifel gesät,
(Albrecht Glaser [AfD]: Hetze ist das!)
Zweifel an den Institutionen der EU und in unserem Land – jeden Tag mit kleinen Schritten, Schritt für Schritt. Und die Lügen zeigen Wirkung. Dann gibt es welche, die versuchen, etwas gewaltsam zu ändern, die versuchen, den Deutschen Bundestag zu stürmen, oder wie in den USA geschehen: Sie stürmen das Kapitol, sodass sogar Menschen sterben.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Es geht gerade um Geld!)
Denn Donald Trump war auch emsig, war auch fleißig, Schritt für Schritt.
Lassen Sie uns gerne einmal zu Ende denken, was hier im Antrag aufgeschrieben wurde: Nehmen wir an, Deutschland verabschiedet sich tatsächlich von der europäischen Solidarität. Und dann? Wächst damit das Gewicht Deutschlands in der Welt? Könnten dann die Interessen der deutschen Wirtschaft besser verteidigt werden? Könnten die Interessen der deutschen Steuerzahler besser verteidigt werden? Natürlich nicht. Jeder weiß, dass die Interessen unseres Landes im globalen Wettbewerb zwischen einem aufstrebenden China und den Vereinigten Staaten natürlich am besten verteidigt werden können, wenn wir unsere europäischen Partner an unserer Seite wissen.
(Beifall bei der SPD – Albrecht Glaser [AfD]: Zehn Jahre kein Wirtschaftswachstum!)
Europa verschafft – und das ist der wichtige Punkt – unserem Land mehr Souveränität, nicht weniger. Wir haben mehr Souveränität, wenn wir solidarisch mit unseren europäischen Partnern als geeintes Europa China gegenübertreten. Diese Stärke ist das Ergebnis solidarischer europäischer Gesellschaften. Solidarität ist weder eine Einbahnstraße noch ein Nullsummenspiel. Man kann nicht immer nur allein profitieren, man muss auch bereit sein, zu geben. Wenn wir Solidarität von unseren europäischen Partnern für unsere Belange einfordern, dann gilt das auch umgekehrt für uns. Das ist Europa,
(Beifall bei der SPD)
und wir sollten froh sein, dass wir die Europäische Union erschaffen haben. Wir sollten alles tun, damit sie uns erhalten bleibt. Wir sollten in die Vertrauensbildung der Menschen investieren. Damit schützt man die Interessen unseres Landes. Und man gefährdet unsere nationalen Interessen, wenn man stattdessen, wie die AfD, gezielt versucht, unsere Bürgerinnen und Bürger zu verunsichern.
Wie ist das wohl für die Abgeordneten der AfD, wenn man sieht, dass das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union und aus dem Binnenmarkt ausscheidet und die EU trotzdem vollständig intakt bleibt? Ihre Hoffnung, dass mit dem Brexit-Votum im Vereinigten Königreich das Ende des europäischen Projekts eingeläutet würde, hat sich als nicht wahr herausgestellt. Europa ist stärker zusammengerückt. In der Coronakrise haben wir eine finanzielle Solidarität erlebt, die weltweit einzigartig ist. Der aktuelle EU-Haushalt ist ein eindrucksvolles Zeugnis dieser einzigartigen europäischen Solidarität.
Und wie ist das wohl für die AfD-Abgeordneten, dass Donald Trump nicht wiedergewählt wurde, dass sein Putschversuch gescheitert ist? Ich habe nicht vergessen, wie Sie im Europaausschuss Richard Grenell, den ehemaligen US-Botschafter, mit einem Applaus empfangen haben. Werden Sie auch den künftigen US-Botschafter mit einem Applaus begrüßen, oder gilt Ihre Solidarität nur Spaltern und Hetzern?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Interessen unseres Landes können nicht von denen durchgesetzt werden, die hetzen und spalten.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Machen Sie doch selber die ganze Zeit! Merken Sie das nicht? Was ist das denn für eine Rede? – Gegenruf des Abg. Dennis Rohde [SPD]: Da sollten Sie mal ruhig sein, Herr Baumann! – Weiterer Gegenruf von der LINKEN: Eine richtige Rede!)
Die Interessen unseres Landes können nicht von denen verteidigt werden, die das Vertrauen in demokratische Institutionen zu erschüttern versuchen. Nur das Bekenntnis zu einer offenen liberalen Gesellschaft, nur das Bekenntnis zu starken demokratischen Institutionen in unserem Land und in der EU und das Bekenntnis zu einer belastbaren innereuropäischen Solidarität schaffen den Boden dafür, dass wir unsere Art, zu leben, unseren Wohlstand und unseren Frieden auch in den kommenden Jahrzehnten bewahren können. Und es ist die Voraussetzung dafür, dass wir mit den großen Herausforderungen der Zukunft, Klimawandel, Migration, globale Systemkonkurrenz, digitale Souveränität, klarkommen. – Hören Sie nicht auf die Spalter, hören Sie auf die Demokraten!
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ja, da sind Sie der Richtige! Das haben Sie heute wieder bewiesen! Hetzrede!)
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Metin Hakverdi. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Albrecht Glaser.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7496484 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 204 |
Tagesordnungspunkt | Einsatz deutscher Steuergelder im EU-Budget |