Ursula SchulteSPD - Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was würden die Menschen auf der Straße wohl sagen, wenn wir sie zum Agrarmarktstrukturgesetz oder zur UTP-Richtlinie befragen würden? Ich bin mir sicher, die allermeisten könnten mit diesen Begriffen nichts anfangen. Dabei steckt in der UTP-Richtlinie richtig Musik; denn es geht um unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette.
Ziel der Richtlinie ist es, die ungleichen Machtverhältnisse zwischen den Erzeugern und Lieferanten auf der einen und den Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen auf der anderen Seite zu verändern und mehr Augenhöhe herzustellen. Die von der Richtlinie definierten unlauteren Handelspraktiken sind aufgegliedert in die sogenannte schwarze Liste, die absolut unzulässige Handelspraktiken umfasst, und eine graue Liste mit Praktiken, die nur erlaubt sind, wenn die Handelspartner sie einvernehmlich vertraglich miteinander vereinbaren. Die Praktiken der schwarzen Liste – aber die der grauen Liste durchaus auch – haben mit dem ehrbaren Kaufmann, von dem so oft die Rede ist, nichts, aber auch gar nichts zu tun.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU und der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Die EU-Richtlinie verbietet nur die Praktiken der schwarzen Liste. Sie verbietet sie vollkommen zu Recht; denn da geht es unter anderem um die Nutzung oder Veröffentlichung von Geschäftsgeheimnissen des Lieferanten durch den Käufer und um vieles andere mehr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lange Zeit wollten Sie, Frau Ministerin, die UTP-Richtlinie nur eins zu eins umsetzen,
(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Ganz so war es nicht!)
obwohl wir als Mitgliedstaat durchaus das Recht haben, über diese Richtlinie hinauszugehen und etwa auch Praktiken der grauen Liste zu verbieten. An der geplanten Umsetzung gab es natürlich Kritik, auch von unserer Seite. Warum? Auch die relativ unzulässigen Praktiken der grauen Liste gehen in der Regel zulasten des Lieferanten. Da hilft es auch nicht, wenn diese Praktiken scheinbar einvernehmlich miteinander vereinbart werden; denn die Vereinbarungen finden ja nicht auf Augenhöhe statt. Dafür ist die Macht einfach zu ungleich verteilt: 85 Prozent des Marktes beherrschen die Big Four. Es besteht also eine Abhängigkeit des Erzeugers von den großen Vier. Im Zweifelsfall werden also die Lieferanten den Praktiken zustimmen, ganz einfach, um ihre Existenz zu sichern. Sie, Frau Ministerin, haben auf die Kritik reagiert. Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf sollen zwei weitere Praktiken der grauen Liste verboten werden, und das ist auch gut so.
(Beifall des Abg. Albert Stegemann [CDU/CSU])
Nach der Vorstellung des Gesetzentwurfs gab es empörten Protest der Vorstandsvorsitzenden von Aldi, Lidl, Edeka und Rewe; sie fühlten sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Ehrlich gesagt, ich verstehe diesen Protest nicht; denn, meine Damen und Herren, es geht schlicht und ergreifend um mehr Fairness und Augenhöhe auf dem Lebensmittelmarkt, darum, den landwirtschaftlichen Betrieben wieder eine Perspektive zu geben, Betrieben, die seit Jahren unter dem enormen Preiswettbewerb im Handel mit all seinen Auswüchsen leiden und die um ihre Existenz fürchten. Ich sage es klar: Wir wollen keine Handelspraktiken, die die Landwirte in die Knie zwingen; denn ein derartiges Geschäftsgebaren hat mit Wertschätzung für die Arbeit von Landwirten nichts, aber auch gar nichts zu tun.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Konsequent wäre es deshalb, nicht nur zwei, sondern gleich alle Handelspraktiken, die auf der grauen Liste stehen, zu verbieten oder, um es mit den Worten der geschätzten Kollegin Connemann zu sagen:
Aus Grau muss Schwarz werden … Ich möchte für Deutschland nur eine Liste – die schwarze Liste.
– Zitate aus „topagrar“ vom 14. Januar. – „Klasse“, habe ich gedacht, „das wollen wir als SPD ja schon lange“. Wenn die Union uns jetzt in diesem Punkt unterstützt, dann kann uns niemand mehr daran hindern, genau das zu beschließen; denn, mal ehrlich: Unlauter ist unlauter, unzulässig ist unzulässig.
(Beifall bei der SPD)
Für uns als SPD-Fraktion ist außerdem wichtig, dass eine unabhängige Ombudsstelle eingerichtet wird, an die sich von unfairen Handelspraktiken Betroffene wenden können. Wir halten diese Ombudsstelle für niedrigschwelliger und besser geeignet als die bisher vorgesehene Regelung, nach der die Durchsetzungsbehörde allein für Beschwerden zuständig sein sollte. Die Ombudsstelle sollte unabhängig von der BLE sein und auch offen sein für kleine Händler; denn auch die sind dem Druck der großen Zulieferer ausgeliefert.
Die SPD-Fraktion hat zudem ein großes Interesse daran, dass Lebensmittel, insbesondere tierische Produkte, nicht unterhalb der Produktionskosten verkauft werden. Ich zitiere hier die Kanzlerin, weil ich ihre Auffassung vollkommen teile: Der Verkaufspreis darf nicht unter dem Erzeugerpreis liegen.
Ich freue mich jetzt auf die Auseinandersetzung in den weiteren Beratungen, auch auf die Anhörung zu dem Thema, und hoffe, dass wir anschließend in dritter Lesung ein Gesetz miteinander verabschieden, das den Landwirten wirklich hilft.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für die FDP-Fraktion hat als Nächster das Wort der Kollege Dr. Gero Hocker.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7498592 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 205 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes |