28.01.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 206 / Tagesordnungspunkt 18

Edgar FrankeSPD - Krankenhausfinanzierung

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Coronapandemie hat gezeigt, wie wichtig eine krisenfeste Gesundheitsversorgung ist. Dafür brauchen wir eine flächendeckende Versorgung mit gut ausgerüsteten Krankenhäusern. Ärzte und Pflegekräfte leisten momentan eine hervorragende Arbeit; ich glaube, das können wir alle sagen. Wir haben auch gelernt, dass unsere Kliniken das Krisenpolster der Gesellschaft sind. Wir haben vor zwei Jahren noch diskutiert, dass wir die Hälfte der Krankenhäuser abschaffen könnten; die Bertelsmann-Stiftung hat uns das nahegelegt. Aber wir merken, dass wir gerade deshalb, weil wir viele gut ausgerüstete Krankenhäuser haben, besser durch die Pandemie als viele andere europäische Länder gekommen sind.

Wir müssen aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, dafür sorgen, dass die Krankenhäuser auch in Zukunft auskömmlich finanziert werden. Überall genügend Personal und Betten, nicht nur im städtischen, sondern auch im ländlichen Bereich: Das muss unser politischer Anspruch sein. Deshalb müssen wir unser Abrechnungssystem im Krankenhaus praxis- und vor allen Dingen patientenorientiert weiterentwickeln.

In den letzten Jahren haben wir in der Großen Koalition schon erhebliche Verbesserungen erzielt.

Erstens. Ich erinnere: Wir haben Personalkosten für die Pflege aus den Fallpauschalen herausgenommen. Es lohnt sich eben nicht mehr, auf Kosten der Pflege zu sparen – um sozusagen mal mit diesem Vorurteil aufzuräumen. Es lohnt sich jetzt nicht mehr, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz stellt der Bund 3 Milliarden Euro für moderne und digitale Kliniken bereit, und das, obwohl er eigentlich gar nicht zuständig ist. Hiermit stärken wir nicht nur die Krankenhäuser, sondern vor allen Dingen auch die Konjunktur.

Drittens. Lieber Harald Weinberg, die Sozialdemokraten waren es, die es durchgesetzt haben, dass bedarfsnotwendige Krankenhäuser eine Bundesförderung bekommen. Sie wurde erst in diesem Monat nochmals erhöht. Es ist so: Bedarfsnotwendige Kliniken können jetzt zur Sicherstellung einen Betrag von 400 000 bis 800 000 Euro zusätzlich pro Jahr erhalten. Auch das ist ein großer Fortschritt, meine sehr verehrten Damen und Herren. So geht gute Krankenhauspolitik für die Menschen in Deutschland.

(Beifall bei der SPD)

Wir stehen – durch die Pandemie mehr denn je – natürlich auch vor großen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung; so ehrlich muss man sein. Unser Krankenhaussystem, unser Abrechnungssystem ist sicherlich nicht perfekt, aber es ist viel besser als sein Ruf, da kann ich dem Kollegen Riebsamen durchaus recht geben. Das gilt auch für die Fallpauschalen, die DRGs. Dass viele Kliniken unterfinanziert sind, liegt nicht in erster Linie an den DRGs; es liegt vielmehr daran, dass die Länder ihrer Investitionsverpflichtung nicht nachkommen. Das gilt auch für die Länder, wo die Linken oder die FDP mitregieren.

(Widerspruch bei Abgeordneten der FDP – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Warum stimmen Sie dann unserem Änderungsantrag nicht zu?)

Es ist Aufgabe der Länder, die Finanzierungslücke zu schließen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Alexander Krauß [CDU/CSU])

Natürlich hat das Fallpauschalensystem Mängel, wie jedes finanzielle Anreizsystem. Das haben Sozialdemokraten immer gesagt. Wir müssen vor allen Dingen verhindern, dass sich manche Diagnosen mehr lohnen als andere. Wir müssen auch verhindern, dass die Klinikkonzerne nur Rosinenpickerei betreiben und sich auf die Diagnosen beschränken, die das meiste Geld bringen; das ist vollkommen klar. Aber jede Klinik bekommt die gleiche Vergütung für die jeweilige Diagnose bzw. Operation. Das sorgt auf jeden Fall für Transparenz, das sorgt für Effizienz, und das sorgt auch für Wettbewerb um Qualität. In Deutschland muss eben niemand ein Jahr auf eine Hüft-OP warten. Das ist auch im Sinne der Patienten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Allerdings gibt es in manchen Ballungszentren Überkapazitäten und Parallelstrukturen. Dort sollten wir die Versorgung sektorenübergreifend an die tatsächlichen Bedarfe anpassen, schon allein um unsere Fachkräfte, die ja nicht mehr werden, optimal einzusetzen.

Dagegen erzielen kleinere Kliniken, zum Beispiel auf dem Land, oft nur geringere Erlöse, weil dort weniger Menschen behandelt und weniger Diagnosen gestellt werden. Deshalb sollten wir endlich die Vorhaltekosten stärker berücksichtigen, und zwar erlösunabhängig. Lieber Harald Weinberg, dafür braucht es einen Systemwechsel.

(Beifall bei der SPD)

Der jährliche Bundeszuschuss für bedarfsnotwendige Krankenhäuser – ich habe es eben erwähnt – ist ein Schritt in die richtige Richtung. Momentan profitieren davon 140 Krankenhäuser, allerdings nur in dünn besiedelten Regionen und auch nur, wenn die nächste Klinik nicht so weit entfernt ist. Hier muss man nachsteuern. Die Förderkriterien für bedarfsnotwendige Kliniken müssen offener gestaltet und an die Versorgungsrealitäten anpasst werden. So wird der Zuschuss zu einem flexibleren Instrument für eine optimale, weil zielgenaue Versorgung vor Ort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Vorschlag der Linken, zum Selbstkostendeckungsprinzip zurückzukehren, ist wirklich ein Rezept von gestern; das muss ich leider sagen.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Ach!)

Dieses System hat schon früher nicht funktioniert, und deswegen hat man es abgeschafft. Es hat zu Ineffizienz und vor allen Dingen zu Kostensteigerungen geführt.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das hat das DRG-System auch!

Wirtschaftliches Denken im Gesundheitsbereich, lieber Harald, ist nichts grundsätzlich Unethisches. Ganz im Gegenteil: Nur wenn wir finanzielle Anreize für einen effizienten Mitteleinsatz setzen, können wir die Menschen bestmöglich versorgen, und zwar unabhängig vom Geldbeutel, unabhängig vom Wohnort und unabhängig vom Alter.

(Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])

Über den Weg sind wir nicht immer einer Meinung, aber eins ist klar: Der Patient muss immer im Mittelpunkt stehen

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Steht er aber nicht!)

und eben nicht das Geld, das mit ihm verdient wird.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Der Patient ist Mittel! Punkt!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Der nächste Redner: für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Andrew Ullmann.

(Beifall bei der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7499160
Wahlperiode 19
Sitzung 206
Tagesordnungspunkt Krankenhausfinanzierung
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