28.01.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 206 / Tagesordnungspunkt 21

Fabian JacobiAfD - COVID-19-Wahlbewerberaufstellungsverordnung

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Willkommen zum dritten und vorläufig letzten Akt des Schauspiels „Die Demokratie in den Zeiten der Corona“. Als Akt eins haben Sie das Bundeswahlgesetz geändert und eine Art Notstandswahlrecht ermöglicht, das der Innenminister im Verordnungswege schafft. Dass auf entsprechende Kritik hin noch ein Vorbehalt der Zustimmung des Bundestages eingebaut wurde, macht es allenfalls marginal weniger schlecht. Wir halten diese Verordnungsermächtigungen nach wie vor für falsch. Das Wahlrecht ist wesentlich für die Demokratie, und Wesentliches hat der Gesetzgeber selbst im Wege eines ordentlichen Parlamentsgesetzes zu entscheiden und nicht die Regierung.

(Beifall bei der AfD)

Als Akt zwei haben Sie vor 14 Tagen beschlossen, Aufstellungsversammlungen seien – teilweise – unmöglich. Begründet haben Sie dies vor allem mit den diversen Coronaverordnungen der Bundesländer. Das ist schon im Ansatz verfehlt; denn so würde sich die Unmöglichkeit von Versammlungen schlicht danach richten, ob Landesregierungen sie verbieten. Die im Bundeswahlgesetz vorgesehene Feststellung durch den Bundestag wäre damit sinnentleert und bar jeder eigenen Entscheidung, vielmehr ein bloßer Reflex der Vorgaben von Landesregierungen.

(Beifall bei der AfD)

Es würde so vorgegaukelt, der Bundestag sei Herr des Verfahrens, während er eigentlich bloßer Statist wäre.

Nein, der vom Bundestag zu treffenden Feststellung muss schon eine eigene Erhebung und Bewertung von Tatsachen zugrunde liegen. Darauf meinten Sie allerdings verzichten zu können. Zu allem Überfluss waren auch noch die Angaben zu den Regelungen in den Ländern – wenigstens teilweise – schlicht falsch. So wurde behauptet, in Nordrhein-Westfalen als größtem Bundesland seien Aufstellungsversammlungen gänzlich verboten. Das traf und das trifft nicht zu.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion gratulieren. Er stammt, wie ich, aus Nordrhein-Westfalen. Vor 14 Tagen hat er hier mit abgestimmt und festgestellt, dass Aufstellungsversammlungen unmöglich seien. Am vergangenen Wochenende dann ist er in seinem Wahlkreis als Direktkandidat aufgestellt worden, und zwar wie? Durch eine Präsenzversammlung in der örtlichen Schützenhalle.

(Beifall bei der AfD)

Man ist an eine alte Autoreklame erinnert: SPD – nichts ist unmöglich.

So, und nun Akt drei: die Verordnung. Es verwundert nicht wirklich, dass nach diesen beiden ersten Akten auch der dritte ein Murks geworden ist. Wenn es um Kandidatenaufstellungen zu Wahlen geht, dann gibt es eine Sache, die für alle, die sich damit in der Praxis auseinandersetzen müssen, von äußerster Wichtigkeit ist: Das ist die Rechtssicherheit, und zwar schon deshalb, weil die spätere Zulassung der aufgestellten Wahlvorschläge durch Wahlausschüsse erfolgt, die ganz oder mehrheitlich aus Parteienvertretern bestehen, und ein Rechtsschutz gegen Fehlentscheidungen dieser Gremien nur rudimentär existiert.

Es sei hier bloß an das Drama um die AfD-Liste zur sächsischen Landtagswahl erinnert, wo es einer sehr innovativen Entscheidung des Landesverfassungsgerichts bedurfte, um die fehlerhafte Anwendung des Wahlgesetzes durch den Wahlausschuss noch rechtzeitig zu korrigieren.

Ein gutes Wahlgesetz muss also über die Maßen präzise und eindeutig regeln, wie eine Kandidatenaufstellung abzulaufen hat. Dem wird diese Verordnung nicht ansatzweise gerecht. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Im Text der Verordnung taucht ein im Wahlrecht bisher unbekannter Begriff auf, nämlich die Schlussabstimmung. Was das sein sollte, darüber konnte man zunächst rätseln. Im Bericht des Innenausschusses taucht nun erstmals eine Art Erläuterung auf; ob allerdings demnächst die Wahlausschüsse und im Konfliktfalle später die Gerichte sich diese Erläuterung zu eigen machen werden, das bleibt ungewiss; denn im eigentlichen Text der Verordnung findet sich nichts davon wieder. Rechtssicherheit für diejenigen, die mit dieser Verordnung arbeiten sollen, sieht anders aus.

(Beifall bei der AfD)

Wir lehnen diese Verordnung ab, und zwar aus den eingangs genannten grundsätzlichen Erwägungen, aber auch, weil sie einfach schlecht gemacht ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Jacobi. – Nächster Redner ist der Kollege Mahmut Özdemir, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7499192
Wahlperiode 19
Sitzung 206
Tagesordnungspunkt COVID-19-Wahlbewerberaufstellungsverordnung
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