Michael TheurerFDP - Corona-Überbrückungshilfen
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir sind in großer Sorge, weil es Zigtausende Unternehmerinnen und Unternehmer gibt, die mit dem Rücken zur Wand stehen, die durch staatlich verfügte Schließungen ihrer Geschäfte, ihrer Hotels, ihrer Gastronomiebetriebe jetzt nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen. Daran hängen im vielgerühmten Mittelstand Zigtausende Arbeits- und Ausbildungsplätze.
Meine Damen und Herren, viele dieser Menschen wenden sich derzeit an uns, weil sie mit dem Rücken zur Wand stehen; denn die Hilfen, die die Regierung großspurig versprochen hat, kommen nicht an. Man kann sagen: Die Hilfen – zu spät, zu wenig, zu bürokratisch. Das muss sich ändern, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. Wir verstehen nicht, warum das Modell, das mein Kollege Christian Dürr entwickelt hat – die negative Gewinnsteuer, der Verlustrücktrag –, nicht endlich umgesetzt wird. Gewerkschaftsnahe Ökonomen halten das Modell für richtig, das Institut der deutschen Wirtschaft hält es für richtig, viele Verbände halten es für richtig, mehrere Fraktionen hier im Haus halten es für richtig; es wäre für den Staat auch ein Nullsummenspiel. Wir verstehen nicht, warum sich der Finanzminister Scholz hier noch wehrt. Wir fordern an dieser Stelle: Macht den Weg frei für Verlustrückträge! Dann kommt die Liquidität bei den Betrieben über das Finanzamt an.
(Beifall bei der FDP)
Mit unserem Antrag wollen wir zu dem Verlustrücktrag, zu der negativen Gewinnsteuer ein Modell hier vorstellen: das Kieler Modell – Professor Felbermayr hat es mit Kollegen entwickelt –, das darüber hinaus zielgenauer als bisher die Hilfe zu den Betroffenen bringt. Denn wir haben ein einziges Wirrwarr; wir haben ein Antragschaos. Bei der Soforthilfe sind von 50 Milliarden Euro nur 14 Milliarden Euro ausgezahlt worden. Bei den Überbrückungshilfen I und II, die auf Fixkosten basieren, sind von 25 Milliarden Euro nur 2,8 Milliarden Euro abgerufen worden. Die Novemberhilfen konnten erst im Dezember beantragt werden und sind bei den meisten überhaupt noch nicht angekommen.
Lasst uns dieses Wirrwarr beenden! Diese drei unterschiedlichen Hilfen ersetzen durch eine Hilfe, die sich am Rückgang des Betriebsergebnisses orientiert, das wäre der richtige Maßstab. Unbürokratisch, schnell, zielgenau – das ist das Kieler Modell, das die FDP hier heute beantragt.
(Beifall bei der FDP)
Wir bitten Sie, dass Sie dem zustimmen.
Herr Kollege Theurer, darf ich Sie kurz unterbrechen? ich würde die Kolleginnen und Kollegen im hinteren Teil des Plenarsaals bitten, entweder Platz zu nehmen oder den Saal zu verlassen, weil es unerträglich ist, die Lautstärke der Unterhaltung hier vorne wahrnehmen zu müssen. – Ganz kleinen Moment, Herr Kollege Theurer. – Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass ich von Ordnungsmaßnahmen Gebrauch machen werde, wenn meiner Bitte keine Folge geleistet wird.
(Zuruf von der LINKEN: So ist es recht!)
– Das gilt auch für Sie, Herr Kollege Dehm. – So, Herr Kollege Theurer, Sie können fortfahren, bitte.
Vielen Dank; das erleichtert es mir als Redner. – Ich möchte zusammenfassend an der Stelle darauf hinweisen: Die bisherigen Hilfen diskriminieren zwischen Fremd- und Eigenkapital. Wenn jemand zum Beispiel sich etwas vom Mund abgespart hat, etwa die Friseurin das Geld für den Friseursalon, dann wird die Person schlechtergestellt als eine Mieterin oder ein Mieter. Der Mittelstand geht im Antragsdickicht verloren. Wir sagen: Bündelt die Hilfen beim Finanzamt! Das Finanzamt hat alle Daten. Es hat die Steuerbilanz. Warum, um Gottes willen, müssen die Unternehmen jetzt auch noch eine Subventionierungsrechnung vorlegen, zusätzlich zu dem, was sie sowieso schon alles machen müssen? Baut diese unnötige Bürokratie ab! Dann sind wir auf dem richtigen Weg. Das leistet das Kieler Modell, das die FDP in den Deutschen Bundestag einbringt.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, damit entsteht ein Stück weit eine Entschädigung für den Staatseingriff der Schließung von Betrieben. Der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier weist darauf hin, dass es einen Rechtsanspruch auf die Hilfen geben sollte. Die FDP hat das im November beantragt. Herr Papier sagt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: Ein „Sonderopfer zum Wohle der Allgemeinheit“ sei nicht gerechtfertigt. Kein Rechtsanspruch auf Hilfen sei „aus rechtsstaatlichen Gründen … fragwürdig“. Meine Damen und Herren, auch hier haben wir mit dem Kieler Modell eine Lösung. Ich hoffe, dass wir hierfür im Deutschen Bundestag endlich eine Mehrheit finden – im Interesse der betroffenen Unternehmen und ihrer Beschäftigten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Theurer. – Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, richte ich meine herzliche Bitte noch einmal insbesondere an Kollegen der Fraktionen von CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen, dem Redner zu folgen und die Gespräche einzustellen. Das ist meine letzte Bitte. Als Nächstes werde ich, wie gesagt, von den Möglichkeiten der Geschäftsordnung Gebrauch machen.
Nächster Redner ist für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Bareiß.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7499202 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 206 |
Tagesordnungspunkt | Corona-Überbrückungshilfen |