Katja SudingFDP - Kinder- und Jugendstärkungsgesetz
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland leben etwa 240 000 Kinder und Jugendliche bei einer Pflegefamilie oder in einem Heim. Sie wurden von ihren leiblichen Eltern getrennt, weil diese nicht für sie sorgen können oder – noch schlimmer – weil diese sogar eine Bedrohung für sie sind. Das ist ein unfassbar schweres Schicksal, das diese jungen Menschen so früh in ihrem Leben schultern müssen. Gerade für diese jungen Menschen müssen wir alles tun, um ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Der Staat aber legt Pflege- und Heimkindern seit Jahren zusätzliche Steine in den Weg, und das ist unerträglich, und das gehört beendet.
(Beifall bei der FDP)
In seiner bisherigen Form verpflichtet das SGB junge Menschen dazu, bis zu 75 Prozent ihres durch Ausbildung oder Nebenjob selbst erarbeiteten Geldes an den Staat abzugeben. So solle die Finanzierung der Unterbringung im Heim oder in einer Pflegefamilie sichergestellt werden. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die Familienministerin nun erreichen, dass Pflege- und Heimkinder mit eigenem Einkommen nur noch 25 Prozent davon an den Staat abführen sollen. So werde – Zitat – die Chancengleichheit junger Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf verbessert, brüstet sich Frau Giffey. Liebe Frau Ministerin, das ist gönnerhaft, und das ist respektlos gegenüber den Jugendlichen.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])
Für uns als Freie Demokraten steht fest: Die Kostenbeteiligung von Pflege- und Heimkindern muss vollständig abgeschafft werden.
(Beifall der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Richtig!)
Die Gründe dafür liegen auf der Hand:
Erstens. Sie entmündigt junge Menschen auf ihrem Weg zur Selbstständigkeit. Ich selbst habe mein erstes Geld in einem Blumenladen verdient. Mein erster eigener Lohn – das war wirklich ein ganz besonderes Gefühl, auch ein entscheidender Entwicklungsschritt. Ich habe gelernt: Fleiß und Anstrengung werden belohnt. Das Familienministerium lehrt Pflegekinder mit der Kostenheranziehung aber genau das Gegenteil. Übersetzt steht da: Du bist anders. Deine Arbeit und dein Fleiß werden weniger belohnt als bei anderen. – Das ist eine fatale Ungerechtigkeit, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Durch die Abgaben können Jugendliche auf dem Weg in ihr eigenes Leben keine Rücklagen für Möbel, Wohnungskaution oder den Führerschein ansparen. Stattdessen sind viele dann auf staatliche Transferleistungen angewiesen. Der Staat nimmt diesen jungen Menschen also ihr selbst verdientes Geld weg, damit sie dann zum Amt gehen und finanzielle Unterstützung beantragen müssen. Das kann ja wohl nicht der richtige Weg sein, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Franziska Gminder [AfD])
Drittens. Experten gehen davon aus, dass die Einnahmen der Heranziehung von 25 Prozent nicht einmal die Kosten des Personalaufwandes decken. Das heißt, der Staat zahlt sogar noch drauf. Das ist nicht Win-win, das ist Lose-lose, und das darf nicht Ihr Ernst sein, liebe Familienministerin Giffey.
(Beifall bei der FDP)
Auch das Urteil der angehörten Sachverständigen ist eindeutig: Fünf von sieben sind für die vollständige Abschaffung des Kostenbeitrages. Fördern wir also die jungen Pflege- und Heimkinder auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit und beschneiden wir nicht länger ihre individuellen Aufstiegschancen! Die Kostenbeteiligung muss weg.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Franziska Gminder [AfD] – Ulrike Bahr [SPD]: Gesetzentwurf lesen!)
Frau Kollegin Suding, achten Sie bitte darauf, dass Sie eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen.
(Katja Suding [FDP]: Entschuldigung!)
Norbert Müller, Die Linke, ist der nächste Redner.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7499253 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 207 |
Tagesordnungspunkt | Kinder- und Jugendstärkungsgesetz |