29.01.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 207 / Zusatzpunkt 22

Gabriela HeinrichSPD - Aktuelle Stunde – Beitritt zum UN-Verbot von Atomwaffen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 1945, also vor über 75 Jahren, fielen die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. 25 Jahre später kam der Atomwaffensperrvertrag zustande, damals ein Meilenstein der internationalen Rüstungskontrolle. Und heute, noch mal 50 Jahre später? Heute müssen wir feststellen, dass die Atommächte bei ihrer Absicht nicht weitergekommen sind, Verhandlungen über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung zu führen.

Mit dem Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrags wurde jetzt ein neuer, wichtiger Impuls gegeben, ein Impuls für das nach wie vor weit entfernte Ziel einer Welt ohne Atomwaffen. Dieser Vertrag ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie aus der Zivilgesellschaft heraus Impulse für eine bessere und friedlichere Welt entstehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, ICAN, hat hier Unschätzbares geleistet. Sie wurde dafür zu Recht mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein multilateraler Vertrag kommt also zustande, weil zivilgesellschaftliche Organisationen im besten Sinne des Wortes Druck machen. Das zeigt uns, wie sehr der Status quo als frustrierend und unbefriedigend empfunden wird.

Auch wenn es von vielen ins Unterbewusstsein verdrängt wird: Dieser Status quo ist eine Welt, in der so viele Atomwaffen existieren, dass die ganze Menschheit mehrfach ausgelöscht werden könnte. Dieser Status quo ist aber beileibe keine feststehende, sich nicht verändernde Bedrohungssituation. Ganz im Gegenteil: Heute sind wir mit einer neuen nuklearen Ordnung konfrontiert. Diese ist weit komplexer, unübersichtlicher und vor allem gefährlicher als das relative „Gleichgewicht des Schreckens“ des Kalten Krieges. Kurzum, wir leben in einer Bedrohungssituation, die wir so nicht akzeptieren können. Das bedeutet: Wir müssen den Status quo infrage stellen, echten Wandel doch zumindest anstreben und mutig, aber überlegt Debatten über Atomwaffen führen, statt an den alten Denkmustern festzuhalten.

Der Atomwaffenverbotsvertrag verbietet die Entwicklung, die Produktion, die Stationierung und den Einsatz von Kernwaffen. Er ächtet Kernwaffen – so wie wir auch biologische und chemische Waffen ächten. Deutschland engagiert sich in verschiedenen Abrüstungsinitiativen, zum Beispiel in der Stockholm-Initiative. Die nukleare Abrüstung soll durch sie neue, praktische Impulse bekommen. Brücken zwischen Nuklearwaffenstaaten und Nicht-Nuklearwaffenstaaten sollen geschlagen werden.

Auch beim Atomwaffenverbotsvertrag, um den es heute geht, kann Deutschland vermitteln. Die SPD-Fraktion fordert deshalb, einen Beobachterstatus einzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Denn eines ist wichtig: Nichtunterzeichnung heißt nicht automatisch, dass wir gegen den Vertrag sind. Im Gegenteil: Wir unterstützen das Ziel des Vertrags. Aber man muss auch mal klar und unideologisch aussprechen: Wir können den Vertrag aktuell nicht unterschreiben; denn das wäre nicht mit unseren bündnispolitischen Verpflichtungen in der NATO vereinbar. Wenn man also die NATO nicht grundsätzlich infrage stellt, dann geht das einfach nicht zusammen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)

Und genau für diesen Fall ist der Beobachterstatus da, von dem ich gesprochen habe. Er gibt uns die Möglichkeit, den Prozess des Atomwaffenverbotsvertrags zu begleiten, ohne dass wir in Konflikte mit den Interessen unseres Bündnisses geraten. Und könnten wir auf diesem Weg nicht auch mehr erreichen, als NATO-Staat mit gutem Draht zu den westlichen Atommächten und als Land, das sich für nukleare Abrüstung einsetzt?

Ich halte fest: Wir sollten den weiteren Vertragsprozess über einen Beobachterstatus aktiv begleiten und nach Kräften unterstützen. Wir sollten mithelfen, den Vertrag zu verbessern, damit er seine Wirkung entfalten kann. Und wir sollten auch bei unseren Verbündeten dafür werben, auch wenn im Moment keine Aussicht auf sofortigen Erfolg besteht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bedrohung ist groß. Aber das Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrags zeigt uns, dass der Wille zur Veränderung und zur Schaffung einer atomwaffenfreien Welt auch sehr groß ist. Das sollte uns Ansporn und Mahnung zugleich sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Gabriela Heinrich. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Bijan Djir-Sarai.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7499540
Wahlperiode 19
Sitzung 207
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde – Beitritt zum UN-Verbot von Atomwaffen
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