Bijan Djir-SaraiFDP - Aktuelle Stunde – Beitritt zum UN-Verbot von Atomwaffen
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Amtsübernahme der neuen US-Administration wächst die Zuversicht, dass Kooperation und Verbindlichkeit wieder eine stärkere Rolle in der internationalen Politik spielen werden. Für Deutschland und die EU heißt das, dass das aktuelle Zeitfenster proaktiv genutzt werden muss, um Politik zu gestalten, Vorschläge zu unterbreiten, kurz: dem Multilateralismus frischen Wind einzuhauchen. Denn es ist Zeit, dass aus der weltweiten Krise der Vernunft ein Jahrzehnt der Diplomatie und der Demokratie erwächst. Das ist auch grundlegende Voraussetzung für jegliche Bemühungen der internationalen Abrüstung.
(Beifall bei der FDP)
Vor einem halben Jahr habe ich hier eine Rede zu dem Abrüstungsvertrag New START gehalten. Damals habe ich gesagt, eine Aufkündigung des New-START-Vertrages wäre nicht nur bedauerlich, sondern außerordentlich gefährlich für Deutschland, für Europa und für die internationale Gemeinschaft. Nach dem Scheitern von INF und Open Skies ist New START faktisch einer der letzten großen Kooperationen der internationalen Rüstungskontrolle. – Heute, eine US-Präsidentschaftswahl später, können wir von Glück sagen, dass der New-START-Vertrag zwischen Russland und den Vereinigten Staaten von Amerika als eine der ersten Amtshandlungen der neuen Administration verlängert wurde, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Henning Otte [CDU/CSU])
Das gibt Hoffnung, Hoffnung auf eine Rückkehr zur Diplomatie und somit auch Hoffnung auf Aufwind für die internationalen Abrüstungsbemühungen.
Mit der weit ausgestreckten Hand des neuen US-Präsidenten kommen aber auch Pflichten. Nichts wäre törichter, als sich jetzt zurückzulehnen und anzunehmen, die neue alte Weltmacht werde es schon richten. Was unter Ex-Präsident Trump deutlich wurde, gilt auch in Zukunft: Europa muss seine eigenen Interessen klar definieren und klar verteidigen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU])
Ich möchte damit sagen: Es kann kein Weiter-so in der Außen- und Sicherheitspolitik geben. Die Bundesregierung muss mehr Antworten auf die Realität finden und weniger Schönwetterreden halten.
Zur Realität gehört, dass die atomare Teilhabe zum heutigen Zeitpunkt ein wesentlicher Pfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur ist, ja, vielleicht sogar der wesentliche Pfeiler. Allein diese Tatsache führt die heutige Debatte ad absurdum. Die Rede der Kollegin Heinrich habe ich zwar verstanden. Aber ich weiß nicht, für welche Partei oder Fraktion Sie gesprochen haben. Die Position der SPD-Fraktion habe ich letztendlich nicht verstanden, zumal Sie ja auch immer noch Regierungsfraktion sind.
(Beifall des Abg. Roderich Kiesewetter [CDU/CSU])
Weite Teile der SPD haben anscheinend in der Außen- und Sicherheitspolitik den Bezug zur realen Politik längst verloren. Sie bewegen sich in großen Schritten in Richtung Linkspartei,
(Beifall des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])
also dorthin, wo die Grünen bereits außenpolitisch angekommen sind, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Erlauben Sie mir einen Kommentar: Es ist doch umso bemerkenswerter, dass sich offenbar immerhin der Vorstand der Böll-Stiftung kürzlich zur nuklearen Teilhabe bekannte. Ich gratuliere der Böll-Stiftung; sie ist mutiger und klarer in der Außen- und Sicherheitspolitik als die Mutterpartei.
(Beifall bei der FDP)
Über den Atomwaffenverbotsvertrag haben wir in diesem Haus häufig geredet. Natürlich ist das oberste Ziel eine atomwaffenfreie Welt; allerdings bringt uns der vorliegende Vertrag dieser Absicht nicht näher. Während politische Ziele durchaus idealistisch sein sollen, so muss sich doch der Weg hin zu diesen Zielen an der Realität orientieren. Das gilt eben auch für den Atomwaffenverbotsvertrag. Leider wird er nicht dazu führen, dass die bestehenden Atommächte zeitnah abrüsten. Gerade autokratische Staaten wie Russland oder Diktaturen wie China werden uns diesen Gefallen nicht tun. Gerade von diesen Staaten zu erwarten, dass sie ihre nuklearen Fähigkeiten aufgeben, sobald andere voranschreiten, ist naiv und blauäugig, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Wer so etwas sagt, gefährdet die gesamte Sicherheitsarchitektur Europas.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)
Der Atomwaffenverbotsvertrag setzt ein wichtiges Zeichen im Kampf um eine atomwaffenfreie Welt. Ja, das möchte ich hier auf keinen Fall kleinreden. Doch gleichzeitig greift er viel zu kurz, stellt komplexe sicherheitspolitische Zusammenhänge viel zu einfach dar und relativiert ein wirksames Instrument. Der Nichtverbreitungsvertrag hingegen ist der tragende Pfeiler der internationalen Bemühungen; dessen Erhalt, Umsetzung und Ausbau müssen oberste Priorität der internationalen Gemeinschaft sein und bleiben. Von der Bundesregierung erwarte ich, dass sie dabei gemeinsam mit den amerikanischen Partnern endlich wieder eine aktive Führungsrolle einnimmt.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Bijan Djir-Sarai. – Nächste Rednerin: für Bündnis 90/Die Grünen Katja Keul.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7499541 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 207 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – Beitritt zum UN-Verbot von Atomwaffen |