Siemtje MöllerSPD - Aktuelle Stunde – Beitritt zum UN-Verbot von Atomwaffen
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bemerkung vorweg: Auch wenn ich mich selber nicht unbedingt als sozialistisch bezeichnen würde, aber lieber Ökosozialist als Neonationalsozialist. Das vielleicht noch mal an dieser Stelle.
(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber zur Sache. Dass Atomwaffen die Welt zu einem gefährlicheren Ort gemacht haben, ist spätestens seit den Abwürfen von „Little Boy“ und „Fat Man“ grausame Gewissheit geworden.
(Karsten Hilse [AfD]: Ganz schön starkes Stück!)
Nicht weit von hier, im Schloss Cecilienhof in Potsdam, wurde 1945 von Harry Truman die Entscheidung getroffen, diese Atombomben gegen Japan einzusetzen.
Es ist deshalb heute ein guter Tag, um in Berlin über nukleare Abrüstung und den Weg in eine atomwaffenfreie Welt zu debattieren. Denn eins ist doch klar: Wir alle hier wollen eine atomwaffenfreie Welt. – Vielleicht abgesehen von ein paar Verirrten ganz rechts hat selbst die Union zu meiner großen Erleichterung die Haltung von Franz Josef Strauß aufgegeben und Abstand genommen von der Idee, dass die Bundesrepublik eigene Atomwaffen besitzen solle. Welch ein Glück für uns alle!
Aus meiner Sicht machen drei Dinge die Welt sicherer: Bündnisse, Abrüstung und international verbindliche Verträge. Ich sage es gleich vorweg: Die Welt, Europa und damit auch die Bundesrepublik würden nicht sicherer, friedlicher, wenn wir uns aus der NATO verabschieden würden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Für uns ist klar, dass wir immer in Bündnissen mit Freunden agieren wollen, um Frieden und Sicherheit für die Menschen in diesem Land zu sichern. Als starkes Land muss die Bundesrepublik ihren Beitrag leisten und darf das Bündnis, das Sicherheit in Europa garantiert, nicht gefährden. Das steht für mich außer Frage. Nur wenn man Freunde an seiner Seite hat, ist man in der Not nicht verlassen. Das gilt heute genauso wie morgen.
2010 verabschiedete der Deutsche Bundestag einen fraktionsübergreifenden Antrag, der sich gegen Atomwaffen aussprach. In den internationalen Beziehungen herrschte Aufbruchstimmung, leider – das wissen wir alle – nicht von Dauer. Wir blicken auf Jahre zurück, in denen ein internationaler Vertrag der Rüstungskontrolle nach dem anderen aufgekündigt oder nicht verlängert wurde: JCPoA, um das wir ringen, INF, Open Skies.
Wir blicken zugleich zurück auf Jahre, in denen in internationalen Verträgen niedergeschriebene Sicherheiten ignoriert wurden. Russland annektierte die Krim und förderte den Krieg in der Ostukraine, obwohl im Budapester Memorandum die territoriale Integrität der Ukraine im Gegenzug zur Abrüstung der eigenen Atombomben zugesichert wurde. Die Welt wurde damit unsicherer, weil internationale Verträge an Verlässlichkeit eingebüßt haben. Insbesondere die vergangenen vier Jahre haben vielen von uns sehr große Sorgen bereitet. Wir befürchteten, dass die alte Weltordnung des Kalten Krieges, die wir hinter uns gelassen zu haben glaubten, wieder Realität werden könnte.
Ich finde es – ich will das auch so deutlich sagen – begrüßenswert, dass der Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft getreten ist. Er beweist, dass die internationale Gemeinschaft in der Lage ist, internationale Abkommen zu schließen. Niemand würde bestreiten, dass das eine gute Initiative ist. Um aber tatsächlich zu nuklearer Abrüstung zu kommen, braucht es mehr als den Appell all derjenigen Länder, die eben keine Atomwaffen haben. Ein erhobener Zeigefinger führt nicht zu Abrüstung.
Was wir brauchen, sind verbindliche Vertragswerke, die zwischen den Ländern getroffen werden, die Atomwaffen besitzen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das sind vor allem Russland und die USA. Das sind Vertragswerke, wie der bereits bestehende Nichtverbreitungsvertrag; Vertragswerke, die Verlässlichkeit und Vertrauen schaffen, damit konkret abgerüstet wird, die ein hartes Sanktionsregime umfassen, die Transparenz herstellen und die den Willen der Atommächte ausdrücken, dass sie die Atomwaffen, die sich in ihrem Besitz befinden, Stück für Stück reduzieren und am Ende ganz aufgeben.
Dass im Frühjahr, Anfang April, in Washington die verschobene Überprüfungskonferenz nachgeholt wird, ist, wie ich finde, ein wirklich gutes Zeichen. Dass der neue US-Präsident Joe Biden bereit ist, den New-START-Vertrag, der Russland und den USA Obergrenzen für atomare Sprengköpfe vorgibt, vorerst um fünf Jahre zu verlängern, ist ebenfalls ermutigend.
Es bewegt sich etwas. Abrüstungsverträgen wird wieder höhere Priorität eingeräumt. Ich finde, das muss unser Weg sein: Nicht vorschnell handeln und dem gutgemeinten, aber für Atommächte nicht verbindlichen Atomwaffenverbotsvertrag beitreten, sondern die Wiederbelebung der Rüstungskontrolle vorantreiben, die guten Chancen auf eine sicherere Welt, die sich mit der neuen US-Regierung aufzeigen, nutzen, Deutschlands Gewicht in die Verhandlungen einbringen, Gesprächsplattformen anbieten.
Ich bin überzeugt: So können wir einen guten Beitrag zu einer sichereren Welt und zu einem sicheren Europa leisten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Siemtje Möller. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Heike Hänsel.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7499545 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 207 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – Beitritt zum UN-Verbot von Atomwaffen |