10.02.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 208 / Zusatzpunkt 1

Armin-Paulus HampelAfD - Aktuelle Stunde zu den jüngsten Entwicklungen in Russland

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sollten jetzt ganz schnell vom Gefühls-TV zum Realitätsfernsehen zurückkehren.

(Elisabeth Motschmann [CDU/CSU]: Und das aus Ihrem Munde! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen doch überhaupt nicht, was Realität ist!)

Im Staatslexikon zum Thema Außenpolitik findet man den Eintrag: So wie ein Bauwerk mehr ist als ein Haufen Ziegelsteine, weil es über einen Bauplan verfügt, so gilt dies auch für die Außenpolitik eines Staates.

(Elisabeth Motschmann [CDU/CSU]: Was ist denn das für eine Lyrik?)

Über diese allgemeine Leitlinie hinaus braucht man eine Grand Strategy, eine große Strategie, ein Rollenkonzept, das von diesem seine Handlungsimpulse bezieht. Diese Maxime sucht man im Handeln der Bundesregierung allerdings vergeblich.

Ihre Rede vorhin, Herr Maas, hat mich daran erinnert, dass eine Vielzahl der Sozialdemokraten – und denen galt ja Ihre Rede – wahrscheinlich aufmerksam zugehört hat; denn viele Ihrer Parteifreunde sind ja mit dem Kurs, den Sie betreiben, nicht einverstanden. Ich habe immer den Eindruck: Auf der einen Seite wollen Sie Ihre Parteifreunde ruhigstellen, auf der anderen Seite tun Sie aber alles, um die deutsch-russischen Beziehungen zu schädigen.

(Beifall bei der AfD)

Weder bei Herrn Maas noch bei Frau Merkel ist eine deutsche Russland-Strategie erkennbar. Schlimmer noch: Hatte Russland-Präsident Wladimir Putin Deutschland noch bis vor Kurzem als einen der letzten verbliebenen Übersetzer gesehen, zu denen man Vertrauen haben konnte, haben dies Frau Merkel und Herr Maas als letzte Vertrauensbrücke in den vergangenen Wochen zerstört. Sie haben das leichtfertig getan, und sie haben damit gegen den Grundsatz außenpolitischen Handelns verstoßen, nämlich deutsche Interessen gegenüber Russland wahrzunehmen und auf dem Verhandlungswege mit russischen Interessen abzugleichen.

Stattdessen stürzen wir uns auf einen innenpolitischen Fall und legen an den russischen Präsidenten eine Messlatte an, die uns nicht zusteht. Denn wie sonst ist es zu erklären, dass wir im Fall Nawalny auf höchster Ebene Russland mit Sanktionen drohen, zusätzliche Sanktionen erheben wollen und das milliardenteure Nord-Stream-Projekt gefährden? Gleichzeitig unternehmen wir aber nichts, um zum Beispiel den Mord an einem iranischen Wissenschaftler zu sanktionieren oder den Mord an einem saudischen Journalisten in der Türkei, der hier schon Erwähnung fand, anzuprangern. Kanzlerin wie Außenminister messen hier – mit Verlaub – mit zweierlei Maß.

Wo waren Sie, Herr Brand, übrigens, als die Amerikaner im Irak intervenierten? Sie können sich erinnern, wie Herr Colin Powell die Weltgemeinschaft vor dem UN-Sicherheitsrat mit einer Fake Story überzeugte – ich habe den Aufschrei aus Unionskreisen nicht gehört –; ein furchtbarer Krieg mit Hunderttausenden von Opfern war die Folge. Genauso ging es hinterher in Libyen. Aber da habe ich Ihren Aufschrei auch nicht gehört.

(Beifall bei der AfD – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Dann haben Sie nicht richtig zugehört! Da haben Sie wieder mal nicht hingehört!)

Schlimmer noch: In Moskau muss der Eindruck entstehen, der Westen – und allen voran Deutschland – unternimmt alles, um in Russland eine Maidan-Stimmung zu erzeugen – und das wollen Sie auch – und einen bis dato völlig unbekannten Blogger auf den Schild zu heben, der früher – Kollege Gysi hat das richtig erwähnt – radikal-nationalistische Töne anschlug und von dem wir nicht wissen, was seine wahren politischen Ziele und vor allen Dingen wer seine Hintermänner sind.

Ich bleibe dabei, dass die Maxime des KSZE-Prozesses, nämlich dass sich kein Staat in die inneren Angelegenheiten eines anderen einzumischen hat, grundsätzlich auch in der deutschen Außenpolitik Fortbestand haben muss. Es ist der einzig gangbare und richtig Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Würden wir nämlich die gleiche Messlatte an die deutsch-chinesischen Verhältnisse anlegen, also an einen kommunistischen Staat ohne jegliche demokratische Struktur, aber mit Tausenden von rechtsstaatlich zweifelhaften Hinrichtungen, dann müssten wir gegenüber China die gleiche Sanktionspolitik betreiben wie gegenüber Russland. Ich kann Ihnen sagen: Die deutsche Wirtschaft würde sofort bei Ihnen vor der Türe stehen und Zeter und Mordio schreien, wenn Sie das machen würden.

Meine Fraktion und ich sind zutiefst davon überzeugt, dass jedes Land – mein Freund Alexander Gauland hat es erwähnt – das Recht hat, seinem Weg

(Elisabeth Motschmann [CDU/CSU]: Seinem Weg der Menschenrechtsverletzungen?)

des Pursuit of Happiness, also des Strebens nach Glück, zu folgen.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Menschenrechtsverletzungen sind keine innere Angelegenheit!)

Das mag mit unserem Wertegerüst nicht immer übereinstimmen; das muss es aber auch nicht, Frau Motschmann.

Im Falle Russlands kommt noch ein weiterer bedeutender Aspekt hinzu: Unser großer östlicher Nachbar wurde jahrhundertelang von Zaren regiert,

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Unser großer östlicher Nachbar heißt Polen!)

und darauf folgte fast 80 Jahre lang eine teilweise menschenverachtende Sowjetdiktatur. Seit 30 Jahren, also seit einer Generation, versucht Russland, Strukturen im demokratischen Sinne zu entwickeln.

(Elisabeth Motschmann [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch nicht im Ernst!)

Bei uns ging übrigens der erste Versuch nach 15 Jahren schief, und auch nach 1945 haben die Deutschen lange gebraucht, bis demokratisches Denken in allen gesellschaftlichen Strukturen Einzug gehalten hat. Wie vermessen und arrogant ist es unseren russischen Freunden gegenüber,

(Elisabeth Motschmann [CDU/CSU]: „Freunden“?)

ihnen diese Entwicklungszeit nicht zuzugestehen!

Statt sich in ständigen Vorwürfen zu ergehen, sollten wir lieber das erkennen, was sich in den letzten drei Jahrzehnten in Russland positiv entwickelt hat. Im Sinne deutscher Außenpolitik sollten wir erkennen, wie stabilisierend – jetzt kriegen Sie ja Schnappatmung – der russische Präsident für sein Land in den vergangenen Jahren gewirkt hat.

(Beifall bei der AfD)

Es müsste im deutschen Interesse liegen, diese Politik Wladimir Putins zu unterstützen. Denn – noch mal kurz Schnappatmung – eins kann ich Ihnen sagen: Sie wissen nicht und Sie ahnen wahrscheinlich nicht, wer nach Wladimir Putin kommt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Der Besuch in Moskau hat gewirkt!)

Vielen Dank. – Das Wort geht an Dr. Nils Schmid von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7501612
Wahlperiode 19
Sitzung 208
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den jüngsten Entwicklungen in Russland
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