Heike BaehrensSPD - Bundesweiter Stufenplan zur Pandemiebewältigung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle sehnen uns nach einer klaren Perspektive, wollen keine Hiobsbotschaften mehr hören und suchen nach einem Weg in die Normalität.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Und vieles, was wir gerade erleben, macht tatsächlich Hoffnung: Die Infektionszahlen sinken, Impfungen schreiten voran, weitere Impfstoffe sind in der Pipeline, und es gibt immer mehr Testverfahren, die einfacher anzuwenden sind. Und dennoch: Das lange Jahr der Pandemie nagt an den Gemütern. Auch die Not derer, die aktuell nicht ihrer gewohnten Arbeit nachgehen können, wird bedrückender.
Ja, auch wir wollen – wie Sie – den Menschen in der Pandemie Hoffnung, Berechenbarkeit und Perspektive geben. In diesem Ziel sind sich die demokratischen Kräfte in diesem Haus, glaube ich, einig. Aber wie kann es Berechenbarkeit geben im Kampf gegen ein unberechenbares Virus, ein Virus, das Mutanten bildet, die sich allzu schnell verbreiten, mit nicht absehbaren Folgen? Solche Unwägbarkeiten schränken die Planbarkeit ein.
FDP und Grüne fordern einen bundesweiten Stufenplan zur Öffnung. Ein solcher Stufenplan muss abgewogen, differenziert und nachvollziehbar sein – ja. Dafür finden sich in Ihren beiden Anträgen viele gute Vorschläge, aber durchaus auch etliche Widersprüchlichkeiten. Beide Anträge erwecken jeweils den Anschein, mit einem Rundumschlag an Ideen das Problem lösen zu können.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist falsch! Das tun die Anträge nicht! – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das behaupten wir gar nicht!)
Dabei wissen Sie es eigentlich aus Erfahrung besser.
Welche Halbwertzeit ein sorgfältig abgewogener Plan zur Öffnung haben kann, konnten wir gerade vor wenigen Wochen in Baden-Württemberg sehen. Der grüne Ministerpräsident Kretschmann plädierte an einem Abend bei Markus Lanz – er geriet regelrecht ins Kreuzfeuer von Markus Lanz und den anwesenden Experten – voller Überzeugung für eine Öffnung der Grundschulen und Kindertagesstätten.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch für einen Stufenplan!)
Und einen Tag danach, am Mittwochmorgen, als die ersten Mutanten in einer Kindertagesstätte in Freiburg festgestellt wurden, änderte er seine Meinung grundlegend.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hätte er das vorher wissen sollen, oder was? – Gegenruf der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD]: Ja, klar!)
– Genau richtig.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Genau, das hätte er wissen müssen! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb braucht es einen Stufenplan!)
Das ist die Realität politischer Willensbildung in dieser Pandemie.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])
Die FDP empfiehlt uns heute quasi den Stufenplan der schwarz-grün-gelben Koalition in Schleswig-Holstein zur bundesweiten Anwendung. Hier im Bundestag aber bringen FDP und Grüne getrennt voneinander ganz unterschiedliche Anträge ein.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wir regieren hier auch nicht miteinander! Das ist logisch!)
Das ist die Realität politischer Entscheidungsfindung in der Pandemie. 16 plus 1 Lockerungswege nützen uns nichts.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Karin Maag [CDU/CSU] – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann bringen Sie doch mal was ein! Sie regieren hier!)
Das Virus durchkreuzt bisher alle Langfristpläne und erlaubt keine faulen Kompromisse. Und ein Virus, das keine Kompromisse kennt, ist nur durch konsequentes Handeln im Zaum zu halten. Es ist gut und wichtig, dass wir solche Debatten wie heute über den angemessenen Weg zur Öffnung hier in diesem Haus, aber genauso auch in den Länderparlamenten engagiert und verantwortungsvoll führen; denn wir alle wollen klare Ziele vor Augen haben. Aber alle, die öffentlich Vorschläge machen, sollten sich hüten, Dinge zu versprechen, die nicht gehalten werden können; das hat uns die Impfstoffdebatte gezeigt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Denn das beschädigt das Vertrauen in die Wirksamkeit der Maßnahmen und fördert den Eindruck einer Perspektivlosigkeit, die es so gar nicht gibt.
Wir werden die Spannung weiter aushalten müssen – die Spannung zwischen dem Wunsch nach baldiger Öffnung und der Unberechenbarkeit der Virusausbreitung. Einerseits gibt es guten Grund zur Hoffnung und vielleicht auch für die eine oder andere Lockerung. Andererseits gibt es aber auch gute Gründe, uns weiter beharrlich dem Virus und seinen Varianten entgegenzustemmen.
Gerade in dieser fortgeschrittenen Phase der Pandemie kommt es darauf an, sich politisch auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das heißt, mit aller Kraft die Impfstoffproduktion und die Medikamentenentwicklung voranzutreiben, konsequent weiter zu testen und einfachere Testverfahren voranzutreiben, die innovative Kompetenz der Digitalwirtschaft – da bin ich bei der FDP – endlich zu nutzen und in unseren Gesundheitsämtern wirklich zum Einsatz zu bringen,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
unser Gesundheitssystem weiter zu stärken, punktuell zu öffnen, wo es dem Infektionsschutz dient und die Gesundheit nicht gefährdet, aber auch, dass wir uns mit konsequenten Maßnahmen den Mutanten entgegenstemmen.
So, denke ich, werden wir die Etappenziele erreichen, die wir brauchen, um Lockerungen guten Gewissens vornehmen zu können. So können wir alle dazu beitragen, dass aus Hoffnung Zuversicht werden kann.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Heike Baehrens. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Dr. Achim Kessler.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7501636 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 208 |
Tagesordnungspunkt | Bundesweiter Stufenplan zur Pandemiebewältigung |