11.02.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 209 / Tagesordnungspunkt 19

Uwe SchulzAfD - Datenstrategie der Bundesregierung

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann der Bundesregierung in Sachen Digitalpolitik viele Verfehlungen vorwerfen, aber eines sicher nicht, nämlich: dass sie keine Strategie hat: Cyber-Sicherheitsstrategie, Digitalstrategie, Mobilfunkstrategie, Breitbandstrategie, KI-Strategie, Hightech-Strategie und nun die Datenstrategie. Überall bunte Broschüren, schöne Internetseiten. – Ja, mit Worthülsen und Marketing allein ist allerdings kein Staat zu machen, weder ein analoger noch ein digitaler.

(Beifall bei der AfD)

Zur Umsetzung der Strategien prasseln dann Gesetzentwürfe auf uns nieder, werden hier im Parlament durchgewunken und dann eher schleppend umgesetzt. Das IT-Sicherheitsgesetz kommt mindestens ein Jahr zu spät und liefert mehr Fragen als Antworten. Der DigitalPakt Schule, das Onlinezugangsgesetz oder die Verwaltungsdigitalisierung haben handwerkliche Mängel. Aber mit der Qualität so mancher Produkte, die dieses Hohe Haus verlassen haben, haben sich nicht nur Verwaltungsrichter ja schon sehr lange abgefunden. Strategien für Breitbandausbau und adäquate Mobilfunkversorgung wurden in den Sand gesetzt, selbst Entwicklungsländer waren da besser. Nun musste Corona kommen und den deutschen Karren aus dem Dreck ziehen.

Aber nun der ganz große Wurf: die Datenstrategie der Bundesregierung, angekündigt von Kanzleramtsminister Braun schon im Januar 2020. Die Umsetzung sollte noch in der laufenden Legislaturperiode erfolgen. Minister Braun war stolz auf den ambitionierten Zeitplan. Stolz auf seine Managementfähigkeiten war Dr. Helge Braun ja auch bereits als „Flüchtlingskrisenterminator“, so nannte ihn die „Gießener Presse“ seinerzeit. Und mit Stolz erfüllt ihn sicher auch seine gescheiterte Corona-Warn-App. Und nun ist es mehr als fraglich, was von der Datenstrategie bis zum Ende seiner Dienstzeit umgesetzt wird, die ja so langsam eingeläutet wird.

Alles in allem: Dass sich alles hinzieht und hinschleppt, ist ein Markenzeichen dieser Bundesregierung. Das ist umso bedauerlicher, meine Damen und Herren, als die vorgelegte Datenstrategie wirklich einige wichtige Punkte enthält.

Mitdenkende Bürger schrecken immer dann auf, wenn es um das Sammeln und Nutzen von personenbezogenen Daten geht. Hier ist ein riesiges Spannungsfeld gegeben. Auf der einen Seite locken die Potenziale aus der Datennutzung. Auf der anderen Seite stehen die Missbrauchsgefahr und das Empfinden der Bürger, wie die Politik diesen Spagat meistert. Hier ist nun wohl eine höhere Rechtssicherheit zu erwarten, sowohl für den Nutzer als auch für die Digitalwirtschaft. So ist zumindest der Plan. Auch die Förderung von Forschungs- und Zertifizierungsprojekten für Datentreuhänder und Anonymisierungssysteme ist sinnvoll und wichtig.

Warum man in Deutschland aber erst heute beginnt, Kriterien für unbürokratische Prozesse für Datentreuhänder umzusetzen, das bleibt, liebe Bundesregierung, Ihr Geheimnis. Denn Datenschutz und IT-Sicherheit sind kein Hindernis für eine funktionierende Datengesellschaft, sondern sind deren Basis. Wir dürfen auch gespannt sein, ob Sie Ihre Ankündigung einhalten, nicht weitere bürokratische Monster wachsen zu lassen. Denn wenn Sie eines wirklich gut können, dann ist das ja, noch ’ne Behörde, noch ’nen Beauftragten zu schaffen und noch ’ne Entscheidungsebene mehr einzufügen.

Was uns im Konzept der Datenstrategie fehlt, ist eine transparente Darstellung der zeitlichen und technischen Abhängigkeiten der aufgeführten Maßnahmen. Denn für eine effiziente Umsetzung der Strategie braucht man einen kontinuierlichen und transparenten Fortschrittsbericht. Aber Transparenz ist bekanntermaßen ja auch nicht Ihr Ding. Das Verästeln von Entscheidungswegen beherrschen Sie perfekt. Wir kennen das auch aus dem Zuständigkeitswirrwarr Ihrer digitalen Agenda, wo auch der Grundsatz vorherrscht: Wenn du verschleiern willst, dann verwirre und maximiere die Anzahl der eingebundenen Schnittstellen.

(Beifall bei der AfD)

Außerdem hätten wir uns gewünscht, dass die Datenstrategie umfangreicher auf die Besonderheiten im Umgang mit marktbeherrschenden Unternehmen eingeht. Hier fehlen konkrete Forderungen. Der Verweis auf die Überarbeitung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen reicht da nicht aus.

Eine wesentliche Gefahr besteht in der missbräuchlichen Nutzung der Daten vor allem durch außereuropäische Staaten. Ein geregelter und offener Zugang zu Daten kann Deutschland und Europa voranbringen. Das Abgreifen von Daten aber muss verhindert werden. Das hat die AfD ja schon im Falle von China bzw. Huawei als Erste hier angesprochen.

(Beifall bei der AfD)

Große Bauchschmerzen haben wir auch mit der geplanten Standardplattform zur Analyse von Open-Source-Daten. Zum Beispiel sollen Social-Media-Daten genutzt werden, um

international qualitativ hochwertige Daten zu außenpolitisch relevanten Themen auch unter Nutzung von nichtstaatlichen Akteuren zu generieren, aufzubereiten … und der Bundesregierung zur Verfügung zu stellen.

Zitiert aus der vorliegenden Unterrichtung. – Hier ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, denn diese Formulierung lässt alles offen. Man stelle sich nur eine Regierung vor, die sich an den Daten ihrer Bürger bedient, um sie für ihre eigenen machtpolitischen Zwecke zu gebrauchen – innenpolitisch und außenpolitisch.

(Zuruf der Abg. Saskia Esken [SPD])

Aber, meine Damen und Herren, warum sorgen wir uns? Das sind ja alles nur böse Hintergedanken, die man hier haben kann, Verschwörungstheorien, Fiktion – so was kommt ja nur in dystopischen Romanen vor.

(Saskia Esken [SPD]: Schwarze Listen der AfD!)

Ich komme zum Schluss. Alles in allem erhält die Datenstrategie der Bundesregierung wichtige und richtige Ansätze. Sie schiebt einen längst überfälligen Entwicklungsprozess an, einen Prozess, der in anderen Ländern schon lange angestoßen wurde. Das heißt, wir brauchen Volldampf. Dafür ist die vorgelegte Strategie bei Weitem nicht ambitioniert genug. Was generell fehlt, ist eine übergeordnete Vision, und zwar eine Vision dahin gehend, wie wir Daten in den Dienst von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat stellen, dabei aber eine sichere Nutzung ermöglichen. Dies vor allem zum Schutz der Privatsphäre unserer Bürger und geschützt vor dem Missbrauch durch Politiker, die bereit sind, unsere errungenen Freiheitsrechte auszuhebeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Saskia Esken, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7501875
Wahlperiode 19
Sitzung 209
Tagesordnungspunkt Datenstrategie der Bundesregierung
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