Bernd RützelSPD - Mindest-Kurzarbeitergeld
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten uns jetzt wieder dem Thema Mindestkurzarbeitergeld widmen; denn das ist so wichtig, dass es sich nicht für Wahlkampf, Populismus oder Profilierung eignet.
Ich bin froh, dass dieses Thema heute auf der Agenda ist. „ Mindestkurzarbeitergeld“ hört sich erst einmal gut an. Das klingt nach Mindestlohn, es klingt nach Mindestausbildungsvergütung – beides Erfolgsgeschichten der SPD, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Es trifft leider zu – deswegen bin ich froh, dass wir darüber debattieren –, dass viele Beschäftigte in Deutschland trotz eines Vollzeitjobs ein geringes Einkommen haben. Ich denke da zum Beispiel an die Menschen in der Gastronomie. Wenn die jetzt in Kurzarbeit gehen, dann wird die Luft gerade am Anfang sehr dünn. Das muss man einfach wissen. Deswegen ist es gut, dass die Gewerkschaften Verdi und NGG dieses Thema aufgerufen haben. Mit beiden Gewerkschaften stehe ich diesbezüglich in sehr engem Kontakt. Noch viel enger ist unser Bundesarbeitsminister Hubertus Heil im Gespräch, weil man das ernst nehmen und sich auch darum kümmern muss, statt einfach zu sagen: Das interessiert uns nicht. – Deswegen sollten wir dieses Thema beackern.
Ich möchte aber schon sagen, liebe Partei Die Linke, dass Sie in Ihrem Antrag völlig unterschlagen, dass wir das Kurzarbeitergeld deutlich erhöht haben. Sie haben es Gott sei Dank in Ihrer Rede gesagt, Frau Ferschl; aber im Antrag steht das nicht. Wir haben es nämlich aufgestockt: nach dem dritten Monat auf 70 bzw. 77 Prozent mit Kindern und nach dem sechsten Monat auf 80 bzw. 87 Prozent.
(Beifall bei der SPD)
Es wird immer zu wenig sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die SPD hat das Land mit dem Kurzarbeitergeld 2008 durch die Finanzkrise gesteuert. Wir haben hier in diesem Hause am 13. März vergangenen Jahres das Kurzarbeitergeld scharfgeschaltet. Es hilft auch in dieser Krise wieder sehr. Wir haben es einfacher gemacht, in Kurzarbeit zu kommen. Es gibt länger Kurzarbeitergeld. Es kann auch anrechnungsfrei hinzuverdient werden. Ich will nur noch mal daran erinnern; falls Sie das vergessen haben, haben Sie es jetzt noch einmal gehört, liebe Linke. Für 9 Millionen Menschen wurde Kurzarbeitergeld beantragt. Über 6 Millionen Menschen sind in Kurzarbeit gewesen. Die aktuellen Zahlen haben wir vorhin gehört.
Zurück zum Mindestkurzarbeitergeld. Die Löhne sind zu gering; ich habe es ausgeführt. Dadurch ist natürlich auch das Kurzarbeitergeld zu gering. Es ist gerade im Dienstleistungsbereich ein Problem, dass Teile des Einkommens durch Trinkgelder generiert werden. Manche brauchen auch noch einen Minijob zusätzlich fürs tägliche Brot. Aber Trinkgelder und Minijobs sind Cash in de Täsch, darüber freuen sich viele; aber sie sind eben nicht krisenfest. Einkommen, auf das keine Sozialabgaben bezahlt werden, ist eben nicht abgesichert. Das ist das Problem.
Wenn vom Einkommen der Alltag nicht bestreitbar ist, dann hilft die Grundsicherung. Es ist keine Schande, Grundsicherung in Anspruch zu nehmen. Fast 7 Millionen Menschen in unserem Land tun das. Das ist eigentlich schlimm genug, weil das auch spiegelt, wie sie gestellt sind; aber sie machen es. Ich gebe zu: Die Grundsicherung ist zu kompliziert. Es können nur diejenigen berichten, wie sich das alles anfühlt, die sie schon einmal in Anspruch genommen haben. Ich warne davor, oberschlau oder gar arrogant über Grundsicherungsempfänger zu urteilen und zu reden. Weil wir das wissen, haben wir die Grundsicherung vereinfacht. Die Menschen haben zwei ganz große Sorgen, wenn sie zum Amt gehen: zum einen, dass ihnen dort gesagt wird, ihr Haus oder ihre Wohnung ist zu groß. Die zweite große Sorge ist, dass sie ihr Erspartes abgeben müssen. Diese Sorgen nehmen wir den Menschen; denn es wird nur noch ein erhebliches Vermögen überprüft, und die Kosten für die Unterkunft und für die Heizung werden auch tatsächlich anerkannt. Wir werden hier morgen Mittag im Rahmen der Debatte zu unserem Sozialschutz-Paket III über dieses Thema sprechen. Wenn es nach uns, der SPD, geht, verstetigen wir diese Regelung. Unser Arbeitsminister Hubertus Heil hat einen Vorschlag dazu gemacht, wie die Grundsicherung zugänglicher, einfacher und unkomplizierter wird.
Wie gesagt: Viele nutzen die Möglichkeit der Grundsicherung. Ich höre aber auch immer wieder, dass Menschen zögern, einen Antrag auf Grundsicherung zu stellen. Viele schämen sich dafür. Aber die Grundsicherung vergibt keine Almosen. Es gibt ein Recht auf Grundsicherung.
(Beifall bei der SPD)
Es ist ein Recht, das man in Anspruch nehmen sollte.
Wir haben auch die Möglichkeit geschaffen, dass in der Kurzarbeit anrechnungsfrei durch einen Minijob hinzuverdient wird. Das kann Luft schaffen, den Entgeltausfall zu kompensieren.
Ich frage mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, was passiert, wenn wir jetzt für eine Gruppe eine andere Möglichkeit schaffen als die Grundsicherung. Wir müssen diskutieren, ob da nicht Ungerechtigkeiten gegenüber anderen Gruppen entstehen können. Diejenigen, für die jetzt ein Mindestkurzarbeitergeld geschaffen werden soll – wir können darüber debattieren –, sollen ja vor Stigmatisierung geschützt werden, wenn sie die Grundsicherung in Anspruch nehmen. Aber dann frage ich: Stigmatisieren wir dann nicht grundsätzlich die Gruppe der Grundsicherungsempfänger?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass wir an dieser Stelle keine Zweiklassensituation schaffen,
(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Die haben wir schon lange!)
in der die eine Gruppe, die darauf angewiesen ist, die Grundsicherung beantragen muss und die andere Gruppe nicht.
Ich halte es für entscheidend, dass wir das Bild der Grundsicherung verbessern. Wir haben im Jahr 2019 43,4 Milliarden Euro allein im Bereich des SGB II ausgegeben. Wir müssen daran arbeiten, dass die Gelder nicht als Almosen, sondern als Recht angenommen werden. Wenn man ein Sondersystem für einige Gruppen schaffen will, muss man auch wissen, was das für andere Gruppe bedeutet.
Wie wollen wir dafür sorgen, dass der Lebensunterhalt von jedem und von jeder in Deutschland sichergestellt ist? Wir wollen – das will ich abschließend sagen – für Vertrauen in einen Sozialstaat auf Augenhöhe werben. Das ist das Entscheidende: auf Augenhöhe. Wir werden die Situation aller Beschäftigten stetig beobachten, begleiten, und wir werden eingreifen und Änderungen vornehmen. Das haben wir die ganze Pandemie über getan, und das werden wir die ganzen nächsten Wochen und Monate tun. Deswegen freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Als Nächstes hat das Wort für die Fraktion der FDP der Kollege Pascal Kober.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7501896 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Mindest-Kurzarbeitergeld |