Johannes VogelFDP - Mindest-Kurzarbeitergeld
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin in der Tat auch den Kolleginnen und Kollegen von den Linken dankbar, dass sie uns durch ihren Antrag heute eine sozialpolitische Debatte im Plenum ermöglicht haben und dass wir gemeinsam die Freude hatten und haben, den Kollegen Matthias W. Birkwald im Karnevalsanzug zu sehen, der als Rheinländer offenbar besonders unter dem Verlust von Karneval leidet.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Darüber hinaus ist Ihr Antrag allerdings, was das Timing angeht, nicht besonders überzeugend, weil die Debatte in der Tat eigentlich schon vor Monaten geführt wurde und hier auch unterschiedliche Positionen dargestellt wurden. In der Tat hat die Koalition sich für ein anderes Modell entschieden. Ich will aber noch mal sagen, was wir damals als Freie Demokraten auch hier im Plenum gesagt haben – da sind wir uns grundsätzlich einig, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen –: Wenn man sich entscheidet, an das Thema Kurzarbeitergeld ranzugehen, also die Sätze in der Krise zu erhöhen – und dafür haben Sie sich entschieden –, dann macht natürlich, gerade wenn man es so begründet, wie Sie es schriftlich begründet haben – wir haben Ihr Gesetz genau gelesen; da stand als Begründung für die Erhöhung des Kurzarbeitergelds, man wolle den Grundsicherungsbezug von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vermeiden, und dem haben Sie, lieber Kollege Rützel, zugestimmt –, eine Differenzierung nach Laufzeit viel weniger Sinn als eine Differenzierung nach Einkommenshöhe und es wäre richtig, eher die Menschen mit geringem Einkommen mit einem höheren Kurzarbeitergeld zu versehen; denn anders macht das keinen Sinn, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will im Sinne der schönen parlamentarischen Tradition, im Laufe einer Debatte auf Vorredner einzugehen, auf einen zweiten Aspekt eingehen. Lieber Kollege Heilmann und lieber Kollege Kai Whittaker, die von Ihnen und euch hier genannte Begründung, warum ihr das entschieden habt, ist natürlich nicht parlamentarisch integer. Man kann der Meinung sein, man will das so, weil der DGB das mehrheitlich so wollte, aber zu sagen, es würde ein Bürokratiemonster entstehen, ist durch die Anhörung, die wir damals hatten, ad absurdum geführt. Wir haben die BA gefragt, und die BA hat uns gesagt: Der Prozess ist so, dass sie sowieso jeden einzelnen Antrag, jede einzelne Betroffene, jeden einzelnen Betroffenen jeden Monat anschaut. Der Aufwand ist nicht größer, wenn sie nach Laufzeit statt nach Lohnhöhe differenzieren. Das hat die Anhörung klipp und klar ergeben.
(Beifall bei der FDP)
Also bitte: Führen Sie hier ehrliche Erklärungen an, und versuchen Sie nicht, uns parlamentarisch in die Irre zu führen.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber das ist Klagen über vergossene Milch. Sie haben sich entschieden, das so zu machen, und man kann nur das eine oder das andere machen, wenn man an das Kurzarbeitergeld rangeht.
Ich will deshalb als zweiten Punkt auf einen Aspekt eingehen, der in dieser Debatte auch deutlich wurde. Der Kollege Rützel hat gesagt, die Menschen hätten Zurückhaltung, Grundsicherung zu beantragen. Der Kollege Whittaker hat darauf hingewiesen, dass das für viele Menschen, insbesondere für die vielen Selbstständigen in unserem Land, die Sie auf die Grundsicherung verweisen, nicht stimmt; vielmehr ist der Hintergrund dafür, dass oft Partnereinkommen vorliegen. Nur: Das unterstreicht doch noch mal, dass der Verweis auf die Grundsicherung für die zweite Gruppe, die wir neben den Angestellten auch im Blick haben müssen, nämlich die Selbstständigen und die Unternehmer, nicht passt. Ich habe es hier schon mehrfach gesagt, aber als ceterum censeo muss man es leider so oft sagen, bis sich etwas ändert: Es geht nicht, dass Sie die Selbstständigen in dieser Gruppe so im Regen stehen lassen. Bis heute gibt es keine adäquaten Hilfen. Sie haben für Angestellte die Regeln in der Krise verändert, weil diese Krise besonders ist.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.
Die Selbstständigen verweisen Sie seit Monaten aufs Jobcenter, weil alles, was Sie bisher angekündigt haben, faktisch sehr vielen Menschen nicht zur Verfügung steht.
Letzter Satz, Herr Präsident. Wenn man sich anschaut, welche Mails, welche Rückmeldungen man nach den gestrigen Beschlüssen so bekommen hat, welche Verzweiflung dort herrscht, wie sehr bei den Menschen wirklich etwas zerbricht. Sie sagen: Es kann nicht sein, dass die Politik uns –
Herr Kollege, bitte!
– aus Gründen der Pandemie das Geschäft verbietet, aber uns dafür nicht entschädigt. – Hier wird deutlich: Dieses Thema müssen Sie endlich anpacken, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. Eine Schande, wie mit den Selbstständigen umgegangen wird!
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Die nächste Rednerin für die Fraktion der SPD ist die Kollegin Daniela Kolbe.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7501900 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Mindest-Kurzarbeitergeld |